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EuGH-Urteil "Meilicke"



Zeitliche Beschränkung der Urteilswirkung abgelehnt – Bundesregierung erwartet hohe Steuerausfälle
Der EuGH hat heute das Urteil in der Rechtssache C-292/04 Meilicke verkündet. Darin hat er das bis zum Jahr 2000 in Deutschland geltende Körperschaftsteueranrechnungsverfahren für nicht vereinbar mit der Kapitalverkehrsfreiheit erklärt. Eine zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen, wie von der Bundesregierung beantragt, hat der EuGH nicht ausgesprochen.

Der EuGH hat heute das Urteil in der Rechtssache C-292/04 Meilicke verkündet. Darin hat er das bis zum Jahr 2000 in Deutschland geltende Körperschaftsteueranrechnungsverfahren für nicht vereinbar mit der Kapitalverkehrsfreiheit erklärt. Eine zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen, wie von der Bundesregierung beantragt, hat der EuGH nicht ausgesprochen.

Die beanstandete Regelung hatte eine Steuergutschrift für Dividenden im Rahmen der Einkommensteuer ausgeschlossen, wenn die auszahlende Gesellschaft ihren Sitz nicht im Inland hatte. Das Urteil war im Hinblick auf andere Entscheidungen in der Sache zwar zu erwarten. Deutschland hat die beanstandeten Vorschriften allerdings nur vier Monate nach Erlass des Urteils in der niederländischen Rechtssache Verkooijen (Rs. C-35/98, Urt. v. 6.6.2000, Slg. 2000, I 4071), aus dem sich überhaupt Zweifel an einer EU-Konformität des Anrechnungsverfahrens hätten ergeben können, mit Gesetz vom 23. Oktober 2000 aufgehoben und durch das Halbeinkünfteverfahren ersetzt. In der Rechtssache Meilicke ging es deshalb nicht darum, Deutschland an seine europarechtlichen Pflichten zu erinnern, sondern um die Aufarbeitung von offenen Altfällen, für die noch das früher geltende Recht anzuwenden war.

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass beide in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Voraussetzungen für eine zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen vorliegend erfüllt waren: Schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen hat das Urteil durch von der Bundesregierung geschätzte Steuerausfälle von bis zu 5 Mrd. Euro, von denen die Hälfte auf den Bund entfällt. Der exakte Steuerausfall hängt von den gestellten Erstattungsanträgen ab, über deren konkrete Zahl und Erstattungsvolumen – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – keine gesicherten Informationen der Landesfinanzverwaltungen vorliegen. Zudem bestand selbst noch zum Zeitpunkt der Änderung der Rechtslage in Deutschland erhebliche Unsicherheit über die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die Ausgestaltung der Körperschaftsteuer.

Vor diesem Hintergrund muss zumindest die Ablehnung der zeitlichen Beschränkung der Urteilswirkungen als überraschend bezeichnet werden, zumal auch Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen aus Vertrauensschutzgründen zugunsten der Mitgliedstaaten eine zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen befürwortet hatte.

FDP: Europäische Zuständigkeiten bei direkten Steuern prüfen
Die heutige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezieht sich auf die Körperschaftsteuer. Sie ist eine direkte Steuer und sollte nach Auffassung der Gründungsstaaten der EWG und auch späterer Beitrittsstaaten ausdrücklich nicht harmonisiert werden. Der EG-Vertrag enthält in diesem Zusammenhang nur eine Klausel bezüglich der indirekten Steuern, erklärt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Carl-Ludwig Thiele zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur bis 2001 in Deutschland praktizierten Dividendenbesteuerung.

Der Europäische Gerichtshof stützt seine Entscheidungen zu direkten Steuern auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, was im Allgemeinen in Europa akzeptiert wird. Unabhängig davon, ob es sinnvoll ist, die direkten Steuern in einem Binnenmarkt zu harmonisieren, muss die Frage gestellt werden, ob die Auswirkungen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs von den Mitgliedstaaten getragen werden. Nach Auffassung der FDP muss es möglich sein, dass der Gerichtshof – wie das Bundesverfassungsgericht – bei seinen Entscheidungen die finanziellen Möglichkeiten der Haushalte der Mitgliedstaaten einbezieht. Auch sollten zeitliche Einschränkungen bzw. Befristungen bei den Entscheidungen des Gerichtshofs möglich sein.

Diese Fragen sind von grundsätzlicher Bedeutung. Die Bundeskanzlerin sollte die deutsche Ratspräsidentschaft nutzen, um sie möglichst schnell auf europäischer Ebene einer politischen Lösung zuzuführen.

Hans Stephani
Blumenstr.11, 39291 Möser
http://www.europaticker.de



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