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Verfassungsmäßigkeit der ab 2005 geltenden Altersrentenbesteuerung (BFH X R 53/08)


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Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt, wenn –wie im AltEinkG– die Renteneinkünfte der Angehörigen der Berufsgruppen, in deren gesetzliche Rentenversicherung keine steuerfreien Arbeitgeber-Beitragsanteile gezahlt worden seien, mit den Renteneinkünften der Arbeitnehmer gleich behandelt würden, die in ihrer aktiven Zeit in den Genuss der steuerfreien Arbeitgeberbeiträge gelangt seien. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) ausdrücklich die Ertragsanteilsbesteuerung der Renten als hinreichend begründet anerkannt, wenn die Beitragszahlungen aus vollständig versteuertem Einkommen geleistet worden seien. Dies treffe für die selbständig Tätigen zu. Nach Ansicht des BVerfG liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Ertragsanteil versteuert würden, der unabhängig davon festgesetzt werde, in welchem Umfang die entsprechenden Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet worden seien. Dieser Verstoß gegen den Gleichheitssatz liege auch vor, wenn die Renten ohne Rücksicht auf die steuerliche Vorbelastung der Beitragsleistungen unterschiedslos der Besteuerung unterworfen würden. Wenn die Renten, denen zur Hälfte steuerfreie Arbeitgeberbeiträge zugrunde lägen, mit 50 % besteuert würden, dürften verfassungskonform die Renten, die aus Beiträgen aus voll versteuertem Einkommen resultierten, nur mit 25 % steuerpflichtig sein. Ungleiches müsse auch ungleich behandelt werden.

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Das BVerfG habe sich mit der Besteuerung der Renten der Selbständigen in seinem Urteil zwar nicht direkt auseinandergesetzt, den Entscheidungsgründen sei aber zu entnehmen, dass in den Fällen, in denen die Rentenleistungen ausschließlich oder nahezu ausschließlich auf Beiträgen aus versteuertem Einkommen beruhten, die Renten weiterhin nur mit dem Ertragsanteil zu versteuern seien. Dies ergebe sich auch aus dem Vergleich mit der Ertragsanteilsbesteuerung von Renten aus einer Zusatzversorgung, die nach der Auffassung des BVerfG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege, da die ihnen zugrunde liegenden Beiträge als Arbeitslohn zumindest pauschal lohnversteuert würden. Eine Ertragsanteilsbesteuerung müsse dann erst recht für die Renten gelten, deren Beiträge aus voll versteuertem Einkommen geleistet worden seien.

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Die Frage des Ãœbermaßverbots oder des Verbots der Doppelbesteuerung sei aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– (Beschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420) nur in der Zeit der Rentenzahlung relevant und damit im Streitfall für das Streitjahr zu überprüfen. Dabei sei eine Ãœbermaßbesteuerung zu vermeiden, so dass die steuerlichen Verhältnisse in der Beitragszeit mit den steuerlichen Verhältnissen in der Rentenauszahlungsphase so aufeinander abgestimmt sein müssten, dass eine Ãœbermaßbesteuerung nicht entstehe.

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Der bloße Vergleich der Zahlen aus den Einzahlungen in die Rentenkasse und der Auszahlung als Rente sei unzutreffend. Dies gelte besonders, wenn zwischen der ersten Einzahlung und dem ersten Rentenbezug Zeiträume zwischen vierzig bis fünfzig Jahren lägen. Im Streitfall seien –vereinfacht ausgedrückt– durch Zahlung von 119 DM im Jahr 1956 und durch 1.450,75 DM im Jahr 1995 jeweils 2,5 % der späteren Rente finanziert worden. Folglich müsse beiden Beiträgen das gleiche Gewicht beigemessen werden. Die einzig mögliche Folgerung sei, die Beiträge über die vierzig Jahre „hochzurechnen“, um das Problem angemessen zu beurteilen. Es gäbe wenig Literatur, in der bei einer steuerlichen Betrachtung ein Kaufkraftverlust berücksichtigt werde; ein Beispiel sei die Geldentwertung beim Zugewinnausgleich. Im Steuerrecht gelte zwar das Nominalwertprinzip; zunehmend werde aber die Zinsbereinigung des Einkommens verlangt. Für das Vorratsvermögen berücksichtige deshalb das Lifo-Verfahren die Preissteigerungsfolgen. Ebenso sei einkommensteuerlich eine Abzinsung für Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens zwölf Monaten geboten. Das BVerfG habe in seinem Beschluss vom 26. März 1980 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76 (BVerfGE 54, 11) zudem darauf hingewiesen, es müsse zu unzutreffenden Ergebnissen führen, wenn man den Wert des dem Vermögen des Versicherten alljährlich zuwachsenden Anteils des Rentenrechts nicht anhand des dafür seinerseits gezahlten Gegenwerts –den Wert der Beiträge im Zeitpunkt ihrer Entrichtung– bemessen wolle, sondern hierfür den nominellen Wert der Beiträge beim Anlaufen der Rente zugrunde lege. Die Berechnung könne nur dann zu einem zutreffenden Ergebnis führen, wenn der Geldwert in der Zwischenzeit unverändert geblieben wäre, was nicht der Fall sei. Die gesetzliche Rentenversicherung beruhe nicht mehr auf dem Prinzip der Kapitalansammlung, vielmehr erwerbe der Versicherte aufgrund des „Generationenvertrages“ einen staatlich garantierten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft, nach Erreichen der Altersgrenze ebenfalls versorgt zu werden. Aufgrund der Dynamisierung stehe bei der Zahlung der Beiträge der Gesamtwert des mit jeder Beitragszahlung wachsenden Rentenrechts noch nicht fest, so dass es auch nicht möglich sei, die Summe der mit den einzelnen Beitragsleistungen erworbenen Teile des Rentenrechts zu bewerten.

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Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor, da der Gesetzgeber für die bereits vor dem Veranlagungszeitraum 2005 bezogenen Renten ausdrücklich durch § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG in der vor dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung (a.F.) den Ertrag des Rentenrechts für die gesamte Dauer des Rentenbezugs festgelegt habe. Aufgrund der Gesetzesfassung des § 22 EStG a.F. sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, dass keine zusätzliche Altersvorsorge bei einem aufgrund der Ertragsanteilsbesteuerung verbleibenden Nettoeinkommen notwendig werde.

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Der Vertrauensschutzgrundsatz müsse für Steuerpflichtige, die bereits vor 2005 Renten bezogen hätten, auch deswegen gelten, weil sie keine Möglichkeit gehabt hätten, zu einer Kompensation der gestiegenen Steuerbelastung, die im Regelfall um mindestens 100 % erhöht worden sei, zu gelangen. Erst recht gelte der Vertrauensschutz für die Steuerpflichtigen, die nicht in den Genuss der steuerfreien Arbeitgeberanteile gekommen seien. Die gesetzliche Neuregelung könne nach rechtsstaatlichen Prinzipien nur in den Fällen anwendbar sein, in denen der Rentenbezug erst nach 2004 begonnen habe. Aus dem Rechtsstaatsgrundsatz lasse sich der Verfassungsrechtssatz herleiten, dass sich belastende Steuergesetze grundsätzlich nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken dürften. Unter Hinweis auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) zur Verlängerung der Spekulationsfrist in § 23 EStG ist der Kläger der Auffassung, eine unzulässige tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) bewirke einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen im Rahmen der von ihm ausgeübten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit.

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Im Hinblick auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04 (BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608) müsse bedacht werden, dass wenn schon bei geänderter Rechtsprechung Vertrauensschutz für die „alte“ Handhabung zu gewähren sei, es bei einer geänderten Gesetzgebung erst recht notwendig sei, für die Altfälle die bisherige Handhabung beizubehalten.



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