BFH II R 66/07 Anspruch natürlicher Personen auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke – Vorsteuerabzug
Anspruch natürlicher Personen auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke
Hat eine natürliche Person durch Anmeldung eines Gewerbes ernsthaft die Absicht bekundet, unternehmerisch i.S. des § 2 UStG tätig zu werden, ist ihr außer in Fällen eines offensichtlichen, auf die Umsatzsteuer bezogenen Missbrauchs auf Antrag eine Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen.
GG Art. 12 Abs. 1
UStG § 2, § 14, § 14a, § 15
Urteil vom 23. September 2009 II R 66/07
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 23. August 2007 5 K 364/06 (EFG 2007, 1929)
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein polnischer Staatsangehöriger, erklärte in dem Fragebogen zur Betriebseröffnung, am 12. Januar 2005 ein Gewerbe als Fliesen- und Estrichleger aufgenommen zu haben. Seinen Antrag, ihm eine Steuernummer zu erteilen, lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) unter Hinweis auf die nach seiner Ansicht fehlende Selbständigkeit der Tätigkeit des Klägers ab.
Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück, da der Kläger nach den bei einer Umsatzsteuernachschau festgestellten gesamten Umständen nicht selbständig tätig sei. Der Eintragung bei der Handwerkskammer in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke komme kein Beweiswert zu.
Zur Begründung der Klage brachte der Kläger vor, er habe sich als Fliesen- und Estrichleger selbständig gemacht. Aufgrund der Weigerung des FA, ihm eine Steuernummer zu erteilen, könne er jedoch keine Aufträge annehmen, da er ohne Steuernummer keine Rechnungen erteilen könne. Aus den von ihm vorgelegten Rechnungen ergebe sich im Ãœbrigen, dass er als Subunternehmer tätig sei.
Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, dem Kläger eine Steuernummer zu erteilen. Dem Kläger stehe ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Zuteilung einer Steuernummer zu, da er ohne Steuernummer im Rechtsverkehr nicht handlungsfähig sei und bei unternehmerischem Tätigwerden nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) jeder Rechnung zwingend eine Steuernummer beifügen müsse. Ob er unternehmerisch tätig geworden sei oder nicht, spiele keine Rolle. Die Unternehmereigenschaft sei erst im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen. Die Finanzbehörden seien nicht berechtigt, zur „Gefahrenabwehr“ bereits im Vorfeld des Tätigwerdens eines Steuerpflichtigen ihm die steuerliche Erfassung zu versagen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1929 veröffentlicht.
Mit der Revision vertritt das FA die Auffassung, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke zu, weil er nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Unternehmer i.S. des § 2 UStG sei und die bloße Erklärung der Absicht, unternehmerisch tätig werden zu wollen, den Anspruch nicht begründen könne. Ob ein Steuerpflichtiger Unternehmer i.S. des § 2 UStG sei, müsse bereits vor Erteilung der Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke eingehend geprüft werden. Mit der Erteilung einer solchen Steuernummer erkenne das FA nämlich die Unternehmereigenschaft mit bindender Wirkung für den Umsatzsteuerjahresbescheid an.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat das FA zu Recht zur Erteilung einer Steuernummer an den Kläger verpflichtet. Die Vorentscheidung ist dabei nach dem Gesamtzusammenhang dahingehend auszulegen, dass es sich um eine Steuernummer handeln muss, die der Kläger gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in von ihm ausgestellten Rechnungen angeben kann.
1. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmern i.S. des § 2 UStG auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist zwar weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; ein solcher Anspruch ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26. Februar 2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004). Nach dieser Vorschrift muss eine Rechnung u.a. die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG ist der Unternehmer, der eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen, wenn er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG) oder wenn er eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).