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Staatlich gebilligte Bilanzfälschung Deutschlands Unternehmen bilanzieren wie es ihnen beliebt



openPr – Soll oder Haben: Die Unternehmen sollen nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) bilanzieren, haben aber ihre eigene Rechnungslegungsauslegungen. Falsche Bilanzen forcieren Marktverzerrungen und Finanzkrisen. Die Verantwortlichen bei dem elektronischen Bundesanzeiger, der BaFin, der Bundesbank und dem Bundesamt für Justiz sehen aber keinen Handlungsbedarf und die Politik schaut weg! Abhilfe ist nicht erwünscht! Es herrschen inzwischen Zustände, wie in einer Bananenrepublik! – von Jan-Henrik Boslak und Torben Mark Oehler


Kaum steht man im Parkverbot, schon heftet ein Knöllchen hinter dem Scheibenwischer. Ver-sucht man den einen oder anderen Kilometer zur Arbeitsstätte bei der Steuererklärung hinzu zu dichten, dann wird seitens des Finanzamtes mit spitzer Feder nachgerechnet und korrigiert. Wenn aber eine Kapitalgesellschaft ihrer Pflicht zur Aufstellung gemäß Â§ 264 HGB und der Veröffentlichung des Jahresabschlusses gemäß Â§ 325 HGB nachkommen soll, so ist offenbar jegliche Kreativität in der Auslegung der Darstellung dieses Jahresabschlusses genehm. Auf der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers, www.ebundesanzeiger.de, müssen alle Kapitalgesellschaften in Deutschland ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen. Diese enthalten je nach Größe des Unternehmens und der entsprechenden handelsrechtlichen Regelung die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, einen Anlagenspiegel, einen Lagebericht, einen Anhang und eine Ergebnisverwendung. Das Handelsgesetzbuch sieht dabei eine klare und verständliche Darstellungsform vor. Konkret ist damit gemeint, dass die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung einzuhalten sind. Bei der Darstellung der Bilanz muss zum Bei-spiel die Kontoform verwendet werden oder im Fall einer verkürzten Darstellung erläutert werden, dass das geschieht, weil es sich um eine kleine Gesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuches handelt. Bei einer reinen formal-juristischen Ãœberprüfung im Sinne des Handelsgesetzbuches und unter Berücksichtigung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung hat sich herausgestellt, dass etwa 95 % dieser Jahresabschlüsse fehlerhaft sind. Dabei haben die verantwortlichen Prüfer der Firma für Unternehmensbewertung 2QIA und Autoren diese Artikels, die diesen Misstand entdeckten, festgestellt, dass nicht nur wenige und kleine Flüch-tigkeitsfehler im Aufbau der Jahresabschlüsse gemacht werden. Im Gegenteil: Etwa 60 – 70 % aller Jahresabschlüsse enthalten eine nicht unerhebliche Menge an Fehlern, teilweise sogar grobe Fehler, und etwa 30- 40 % der veröffentlichten Jahresabschlüsse sind derart fehlerhaft dargestellt, dass sie nicht mehr nachvollziehbar sind. Das bedeutet, dass diese Jahresabschlüsse nicht mehr der Aufgabe gerecht werden, ein für jeden Kunden, Geschäftspartner oder Kreditgeber klares Bild über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des jeweiligen Unternehmens abzugeben.

Bezug zur Finanzkrise
Ratingagenturen sowie Kreditinstitute, z. B. auch die Schufa und die Creditreform, verwenden die veröffentlichten Jahresabschlüsse als Datengrundlage für die Bonitätsprüfung von Unternehmen. Auch wenn die veröffentlichten Jahresabschlüsse nur einen Teil der verwendeten Datenbasis darstellen würden, erhält man immer noch ein falsches Ergebnis, da falsch plus richtig immer falsch ergibt. In Bezug auf die komplexen Rating- wie auch Bonitätsüberprüfungssysteme kann daraus geschlossen werden, dass die Prüfungsergebnisse nicht mehr plausibel überprüft werden können. Das kann dazu führen, dass das Rating für ein Unternehmen nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation dieses Unternehmens entspricht. Und Kredite, die auf Basis dieser Ratings genehmigt wurden, hätten möglicherweise gar nicht genehmigt werden dürfen. Wer sich bislang immer gefragt hat, wie es denn sein kann, dass bei manchen Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit scheinbar aus heiterem Himmel fällt, findet hier eine mögliche Antwort. Ein besonders katastrophales Beispiel und auch einen Art Synonym für die Finanzkrise in Deutschland ist die Hypo Real Estate. Die im ebundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse sind an Unübersichtlichkeit wie auch an formeller als auch inhaltlicher Fehlerhaftigkeit kaum mehr zu überbieten. Da wundert es den gewissenhaften Prüfer nicht, dass dieses Finanzinstitut völlig falsch bewertet wurde. „Mit der Integration der DEPFA hat die Hypo Real Estate Gruppe erfolgreich ihr Risikoprofil verbessert.“ So steht es im Jahresabschluss 2007 der Hypo Real Estate Holding AG. Und weiter heißt es dort: „Trotz erschwerten Marktbedingungen im Jahr 2007 verfügt die (HRE-)Gruppe über eine stabile Liquiditätsposition, was sich auch in der Liquiditätskennzahl nach Grundsatz II des Kreditwesengestzes (KWG) zeigt: Im Dezember betrug diese 1,35 für die deutschen Banken der (HRE-)Gruppe und lag dementsprechend über dem Mindestwert von 1,00.“ Sollte das etwa bedeuten, dass die HRE-Gruppe ohne Einbeziehung der ausländischen Institute, also ohne die irische DEPFA diese Kennzahl berechnet hat? Vermutlich ja: Denn eine „goldenen Bilanzregel“, die der Finanzierung und der Gestaltung der Kapitalstruktur, besagt, dass Anlagevermögen vollständig durch Eigenkapital und langfristiges Fremdkapital zu finanzieren ist. Dabei soll zwischen den Aktiv- und Passivpositionen eine Fristenkongruenz bestehen. Das bedeutet, dass langfristige Investitionen nicht mit kurzfristigem Fremdkapital finanziert werden sollen. Denn es ist denkbar, dass das kurzfristige Fremdkapital nach dessen Rückzahlung nicht wieder neu beschafft werden kann. Die DEPFA hat gegen eben diese „goldene Bilanzregel“ ver-stoßen. Und genau dieses Risiko ist bei der HRE-(Fast-)Pleite eingetreten. Die HRE hätte veröffentlichen müssen, dass sie im schlimmsten Fall die kurzfristigen Verpflichtungen für die Finanzierung der langfristigen Kredite der DEPFA hätte übernehmen müssen. Das ist jedoch nicht geschehen. Dieses Risiko wäre bei genauer Betrachtung dieses Jahresabschlusses der HRE Holding erkennbar gewesen, denn schließlich hat die HRE nach eigenen Angaben nur die deutschen Banken der (HRE-)Gruppe in ihre Berechnungen der Liquiditätskennzahl mit einbezogen und gleichzeitig in diesem Jahresabschluss auf die Praktik der kurzfristigen Finanzierung seitens der DEPFA über den Geldmarkt also über andere Banken hingewiesen. Auch für prüfende Institutionen wie die Deutsche Bundesbank und die BaFin wäre dieses Risiko erkennbar gewesen. Die Verbesserung des Risikoprofils durch die Ãœbernahme der DEPFA klingt daher wie eine schlechte Realsatire. Institute wie die West LB und die Allianz SE haben offenbar ebenfalls „hauseigene“ Jahresabschlussaufstellungsregeln. Näheres dazu unter www.2QIA.de . Besonders bemerkenswert ist auch die Citibank Privatkunden AG & Co. KGaA. Bei dem Jahresabschluss 2008 wird das aktuelle Berichtsjahr 2008 dem Berichtsjahr 2008 gegenüber gestellt, obwohl es dem Vorjahr 2007 hätte gegenübergestellt werden müssen! Ein peinlicher Schreibfehler oder gar eine Verschleierung? Dieser Jahresabschluss ist jedenfalls dadurch nicht mehr nachvollziehbar. Eine korrekte Bonitätsprüfung kann auf Grundlage dieses Jahresabschlusses nicht erstellt werden. Die Unternehmensgruppe M. Du-Mont Schauberg, zu der der ebundesanzeiger gehört, bemüht sich auch nicht gerade um einen übersichtliche Darstellung ihres Jahresabschlusses. Das Phänomen der chaotischen, unüber-sichtlichen und fehlerhaften Darstellungsweise findet sich branchenübergreifend. Würde beispielsweise die Mannschaft der FC Bayern München AG so Fußball spielen, wie die AG ihren Jahresabschluss darstellt, kämen die Bayern über die Kreisliga wohl nicht hinaus. Und vom Leerpostenverzicht gemäß Â§ 265 Abs. 8 HGB hat der Wirtschaftsprüfer der FC Bayern München AG auch noch nichts gehört bzw. keinen Gebrauch gemacht. So viele Nullen findet man selten in einem Jahresabschluss. Zum Glück für die Bayern-Fans gibt es im Kader nicht so viele Nullen. Die Aufstellung der Mannschaft ist Sache des Trainers und seines glücklichen Händchens, die Aufstellung des Anlagenspiegels hingegen ist gemäß Â§ 268 Abs. 2 HGB genau vorgegeben. Dieser Vorgabe haben die Verantwortlichen des FC Bayern jedoch nicht im Sinne dieses Gesetzes Rechnung getragen und sich mit einem völlig unübersichtlichen Anlagenspiegel ein handelsrechtliches Eigentor geschossen. Die Ordnungsgelder, die in dem Zusammenhang erlassen werden können, liegen übrigens zwischen 2.500 € und 25.000 €. Die Konsequenzen der fehlerhaften Darstellung der Jahresabschlüsse tragen die Unternehmen. Die Verursacher sind aber oft andere: die Wirtschaftprüfer und Steuerberater. Diese zumeist gut bezahlten Prüfer stellen die Jahresabschlüsse auf. Ihr Geld sind sie allerdings zumeist nicht wert. Denn wer nicht einmal in der Lage ist, einfache Gesetze hinsichtlich der formal-juristischen Darstellung umzusetzen, dem kann man wohl kaum zutrauen, komplexere Sachverhalte korrekt darzustellen. Schlamperei und ein überwiegend abhanden gekommenes Bewusstsein hinsichtlich bilanzieller Risiken scheinen an der Tagesordnung zu sein. Ãœber diesen Vorwurf sollten sich die Betroffenen jedoch besser freuen; denn sonst müsste ihnen Vorsatz hinsichtlich der Falschdarstellungen unterstellt werden: Gemäß Â§ 331 HGB ist die unrichtige Wiedergabe oder die Verschleierung eines Jahresabschlusses eine Straftat. Daneben können regelmäßig auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Urkundenfälschung gemäß Â§ 267 StGB und die des Betrugs gemäß Â§ 263 StGB erfüllt sein.

Es kann daher festgestellt werden, dass die Finanzkrise in Deutschland zumindest teilweise hausgemacht ist, weil eine korrekte Grundlage für die Bemessung der finanzwirtschaftlichen Kraft der Unternehmen aufgrund der Falschdarstellungen niemandem zugänglich gemacht werden kann. Das Handelsgesetzbuch stellt die Basis jeglicher Bonitätsprüfung wie auch jeglichen Ratings dar, da Bilanz, Gewinn- und Verlustrechung, Anlagen- und Verbindlichkeitsspiegel neben Anhang und Lagebericht die numerischen Hauptquellen für die Ãœberprüfung sind. Die Prüfungsergebnisse zu den Jahresabschlüssen der zuvor genannten Unternehmen und weiterer Jahresabschlüsse sind unter www.2QIA.de erhältlich.

Systematische Marktverzerrung
Der aufmerksame Leser der im ebundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse kann den Eindruck gewinnen, dass zumindest grobfahrlässig eine systematische Marktverzerrung durch die meisten Marktteilnehmer / Unternehmen zugelassen und betrieben wird. Der veröffentlichte Jahresabschluss ist im Grunde eine rechtlich vorgeschriebene Publikationsaufgabe seitens des Gesetzgebers für die Unternehmen. Die Publikationsaufgabe stellt zugleich auch eine Dokumentationsaufgabe dar, wie auch eine extern orientierte Informationsaufgabe. Die Publikationsaufgaben beinhalten das Bereitstellen gesetzlich vorgeschriebener und zum Teil freiwilliger Informationen über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens aus Erfolgs- und Vermögenssicht. Für Außenstehende wie etwa Aktionäre oder Konkurrenten werden damit die Finanzlage und auch die Bemessungsgrundlage für die Gewinnausschüttung transparent. Diese Bemessungsgrundlage entspricht den an die Vorstände / Geschäftsführer bzw. leitenden Angestellten verteilten Boni, die anhand der meisten veröffentlichten Jahresabschlüsse nicht schlüssig erklärt werden können. Verteilt also eine Bank opulente Boni an ihre Mitarbeiter, kann es sein, dass diese Boni von den Aktionären der Bank wegen des fehlerhaften und damit nicht überprüfbaren Jahresabschlusses nicht nachvollzogen werden können. So können sich die Banker mittels kreativer Jahresabschlussgestaltung die Taschen füllen. In dem Zusammenhang wird auch von dem so genannten „Windowdressing“ gesprochen. Damit werden Maßnamen bezeichnet, die den Jahresabschluss temporär „aufhübschen“ oder ggf. dermaßen unübersichtlich gestalten, dass es kaum mehr möglich ist, den jeweiligen Jahresabschluss nachzuvollziehen. Die zuvor genannten Bilanzierungsmethoden der HRE erwecken den Anschein eines solchen „Windowdressing“, denn die Verantwortlichen der HRE hatten es offenbar geschafft, die Öffentlichkeit und auch Institutionen wie die Bundesbank und die BaFin über die wahren bilanziellen Risiken zu täuschen oder sie waren ihrer Aufgabe, eine nachvollziehbare und korrekte Bilanz aufzustellen, nicht gewachsen. Ãœbrigens: In jedem Lehrbuch für Buchführung für Anfänger wird darauf hingewiesen, dass nur eine ordnungsgemäße Buchführung Beweiskraft besitzen kann (§ 285 f. HGB).

Bundesanzeiger sieht keinen Handlungsbedarf
Auf Nachfrage bei der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, die den ebundesanzeiger betreibt, fühlte sich der Geschäftsführer Herr Fred Schuld nicht für die Ãœberprüfung formal-juristisch fehlerhaften Veröffentlichungen verantwortlich. Er sehe auch keinen Handlungsbedarf. Dadurch entgehen der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH die Entgelte für die Korrektur sämtlicher Falschveröffentlichungen und dem Staat die Einnahmen aus den Ordnungsgeldern. Die Kommunen sind bei der Knöllchenverteilung wesentlich engagierter. Außerdem war Herr Schuld der Meinung, es könne in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage wohl nicht politisch gewollt sein, dass den Unternehmen noch mehr Auflagen bzw. Kosten zugemutet werden. Mit einer derartigen Argumentation kann man Drogenabhängigen auch die Beschaffungskriminalität gestatten. Auf weitere Nachfrage wies Herr Schuld die Zuständigkeit für die Ãœberprüfung des ebundesanzeigers hinsichtlich der Falschveröffentlichungen mit der Begründung von sich, dass er keine Rechtsgrundlage dafür sehe. Der ebundesanzeiger hat allerdings auf seiner Internetseite unter der Kategorie „Wissenswertes / Jahresabschluss/Offenlegung“ folgendes veröffentlicht:

„Jahresabschlussunterlagen sind beim Bundesanzeiger Verlag einzureichen − nicht beim Bundesministerium der Justiz (BMJ) und nicht beim Bundesamt für Justiz (BfJ). Allein der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers, der die fristgerechte und vollständige Einrei-chung der Unterlagen prüft, ist der richtige Adressat. Er unterrichtet gemäß Â§ 329 Abs. 4 HGB bei Verstößen gegen die Offenlegung das Bundesamt für Justiz, das bei nicht ordnungsgemäßer Offenlegung ein Ordnungsgeldverfahren einleitet und Verstöße wegen unterlassener oder unvollständiger Publikation durch die Verhängung von Ordnungsgeldern in Höhe von mindestens 2.500,- EUR bis maximal 25.000,- EUR ahndet.“

Herr Schuld kennt offenbar den Inhalt der firmeneigenen Internetseite nicht richtig. Denn die Prüfung der ordnungsgemäßen Offenlegung setzt eine Durchsicht der Jahresabschlüsse hinsichtlich der Vollständigkeit unter Berücksichtigung der betreffenden Vorschriften des HGB voraus. Eine andere Art der Prüfung wäre sinnlos und könnte dem eigenen Anspruch des ebundesanzeigers auf Prüfung der Vollständigkeit der Jahresabschlüsse nicht gerecht werden.

Falsche Freiheit und Verantwortungslosigkeit
Bei dem Bundesamt für Justiz wurde seitens einer Mitarbeiterin, Frau Karin Kuckuck (Name geändert), bemerkt, dass der Bundesanzeiger nur formell prüfe bzw. überprüfe, ob alle Bestandteile in den Jahresabschlüssen vorhanden seien. Hinsichtlich der Darstellungsform sei man als Verantwortlicher einer Kapitalgesellschaft aber frei. Mit anderen Worten: Ganz egal, was im Handelsgesetzbuch steht, die Darstellung könne der eigenen Kreativität überlassen werden – scheinbar unabhängig davon, ob der Sinn und Zweck eines Jahresabschlusses, ein für jeden Kunden, Geschäftspartner oder Kreditgeber klares Bild über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des jeweiligen Unternehmens abzugeben, gewahrt bleibt oder nicht! Als die Bundeskanzlerin im Rahmen der ersten Haushaltsdebatte dieses Jahres die „Freiheit in Verantwortung“ als Ziel proklamierte, hat sie hoffentlich nicht die Darstellungsfreiheit bei Jahresabschlüssen gemeint. Im Ãœbrigen ist der Auftrag des Bundesanzeigers, die Vollständigkeit zu überprüfen, nur dann sinnvoll, wenn zumindest auch inhaltlich geprüft wird, um welche Größenklasse es sich bei dem jeweiligen Unternehmen handelt. Denn ein Unternehmen, dass aufgrund der Kriterien eine mittelgroße Gesellschaft ist, sich aber als kleine Gesellschaft ausgibt und die entsprechenden Darstellungsvereinfachung wahrnimmt, hat dann eben nicht vollständig veröffentlicht. Und das müsste der Bundesanzeiger gegenüber dem Bundesamt für Justiz melden. In diesem Zusammenhang soll an dieser Stelle noch auf ein kürzlich ergangenes Urteil des Landgerichts Bonn vom 19.05.2009 verwiesen werden (Az.: 31 T 343/09), das auch auf der Internetseite des Bundesamtes für Justiz angegeben wird. Dort wurde festgestellt, dass kein Jahresabschluss vorliegt, wenn ein Bestandteil gemäß § 264 Abs. 1 HGB fehlt.

Die Politik schaut weg
Eine telefonische Nachfrage bei dem Bundesjustizministerium (BMJ) zu der Problematik er-gab interessante und zugleich erschreckende Informationen. Herr Thilo Bannasch (Name geändert) wies darauf hin, dass es kein Verfahren für die Aufdeckung materieller Fehler gäbe. Das ist wegen des großen Aufwands auch nachvollziehbar. Er meinte, dass das BMJ für die Ãœberprüfung der Jahresabschlüsse nicht zuständig sei. Er verwies in dem Zusammenhang auf die Zuständigkeit des BfJ, das allerdings personell mit ca. 100 Mitarbeitern dafür völlig unterbesetzt sei. Und außerdem sei der Bundesanzeiger für die Prüfung der Vollständigkeit der Jahresabschlüsse zuständig. Aber auch dort sei kein ausreichendes Personal verfügbar, um dieser Aufgabe tatsächlich nachkommen zu können. Die Prüfer der 2QIA und Gesprächspartner des Herrn Bannasch empfahlen ihm, diese Ãœberprüfung an Dritte, die über das entsprechende Know How und die notwendige Technologie verfügen, auf Erfolgshonorarbasis abzugeben. Für den Staat müssen dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Denn schließlich können Ordnungsgelder durch das BfJ eingenommen werden. Daneben können die Kosten der Ãœberprüfung ggf. auch über den Anspruch der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß Â§Â§ 677 ff. BGB von den fehlerhaft veröffentlichenden Unternehmen wieder geholt werden. Damit kämen keine weiteren Belastungen auf den Staat zu, weil dann eine Win-Win-Situation vorliegen würde. Herr Bannasch teilte dann jedoch mit, dass dies offenbar gerade im Hinblick auf die neue Bundesregierung politisch nicht gewollt sei. Denn wenn Vorschläge solcher Art gemacht werden würden, z. B. durch das BMJ, das BfJ oder auch durch die BaFin müssten diese Behörden mit Ressentiments seitens der politisch Verantwortlichen rechnen. Herr Bannasch begründete diese Politik damit, dass solche Ãœberprüfungen in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht gewünscht seien. Denn es soll dereguliert werden, d.h. die Zügel sollen eher lockerer gelassen werden, damit sich die Wirtschaft wieder erholen könne. Die Verfolgung von Falschveröffentlichungen von Jahresabschlüssen passt daher nicht in die gegenwärtige Zeit. Wäre aber z. B. die Hypo Real Estate vorab korrekt hinsichtlich ihrer Jahresabschlüsse ge-prüft worden, wäre dem Steuerzahler möglicherweise deren Unterstützung in Höhe von ca. 100 Mrd. Euro erspart geblieben. Für 100 Mrd. Euro hätte man vermutlich sämtliche Jahresabschlüsse der gesamten EU prüfen können! Die Aussage von Herrn Bannasch lässt den Eindruck entstehen, dass ein politischer Konsens dahingehend bestehe, dass der z.Z. vermeintliche wirtschaftliche Aufschwung auf dieser Marktverzerrung beruhe.

Deutschland – eine Bananenrepublik
So wird offenkundig, dass Verantwortung hin und her geschoben wird. Wie gesagt, einmal falsch geparkt und schon gibt es ein Knöllchen. Wenn man den Jahresabschluss einer Kapi-talgesellschaft „aufhübscht“, also falsch darstellt, dann kann man sich nicht nur über eine gute Bonität und damit günstige Finanzierungen freuen, sondern braucht auch keine Angst zu haben, erwischt zu werden. Im Gegenteil, der Staat mit seinen vielen zahnlosen Tigern – den (nicht-)zuständigen Behörden – fördert scheinbar Unaufrichtigkeit und sogar kriminelles Verhalten. Die kleinen Sünder werden gepackt und die Großen dürfen sündigen, soviel sie wollen. Das erinnert unweigerlich an George Orwells Roman „Farm der Tiere“: „Manche Tiere sind gleicher als andere!“ So funktionieren Bananenrepubliken. In der Wirtschaftswoche (WiWo) vom 25.01.2010 wurde in dem Artikel „Das Schweigen vom Rhein“ die (Un-)Tätigkeit der BaFin beschrieben. Dabei scheint die BaFin „vorgekaute“ Jahresabschlüsse zur Ãœberprüfung zu bekommen. Die Bundesbank wertet diese Jahresabschlüsse offenbar aus und gibt diese Auswertungen bzw. die Zusammenfassungen dieser Auswertungen an die Bafin zur Ãœberprüfung weiter. Demnach überprüft die BaFin keine Originale. Wie soll die BaFin dann über die Banklizenvergabe entscheiden können? Weiter steht in dem Artikel, dass die zuständige Beamtin glaubt, manche Bankvorstände hätten die simpelsten Vernunftsprinzipien nicht angewendet. Es geht hier nicht um Glauben, sondern um konkrete Zahlen. Bei der Ãœberprüfung von Banken gilt es, sich Gewissheit über die Wirtschafts- und Finanzlage der jeweiligen Insti-tute zu verschaffen. Das geht zum Beispiel durch die korrekte Auswertung der originalen Jahresabschlüsse. Auch wenn dadurch nur die Mangelhaftigkeit dieser Jahresabschlüsse und damit die Inkompetenz bzw. die Unseriosität der Bankvorstände und der Wirtschaftsprüfer festgestellt werden kann. Anhand dieser Ãœberprüfung kann sich die BaFin erst in die Lage versetzen, gezielt nach bestimmten Risiken zu fragen. Das dies möglich ist, haben die Prüfer der 2QIA zuvor dargestellt. Zu zweit brauchten sie für die Feststellung der Risiken und der formal-juristischen Fehler des Jahresabschlusses 2007 der Hypo Real Estate Holding AG etwa 5 Stunden. Interessant ist aber auch, dass der Chef der BaFin, Jochen Sanio, bereits Mitte 2007 auf die Gefahr des Dominoeffekts einer etwaigen HRE-Pleite hingewiesen haben soll. So steht es jedenfalls in dem Artikel der WiWo. Allerdings hat die BaFin, erst nachdem die HRE am 18.01.2008 überraschend eine Abschreibung über 390. Mio. € vermeldete, eine Prüfung der HRE-Gruppe ab Mitte Februar angesetzt. Hat das Erinnerungsvermögen der Beamtin der BaFin leichte Lücken oder liegt hier ein Schreibefehler in dem Artikel vor? Nach alledem kommen erhebliche Zweifel daran auf, dass sowohl die BaFin als auch die Bundesbank ihre Aufsichtpflicht korrekt wahrnehmen.


Abhilfe ist nicht erwünscht
Die Verantwortlichen bei dem Bundesanzeiger als auch der zuständigen Behörden wollen offenbar keine Hilfe zur Beseitigung dieser Marktverzerrung annehmen. Diese Hilfe wurde seitens der Prüfer der 2QIA angeboten. Das Angebot beinhaltet die softwaregestützte systematische Ãœberprüfung der im ebundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse hinsichtlich formal-juristischer wie auch inhaltlicher quantitativer Darstellung. Der Staat würde dann als Beweis für fehlerhafte Jahresabschlüsse eine HGB-konforme Auswertung erhalten. Damit können Zeit, Personalkosten und administrative Wege eingespart werden. Außerdem kann dadurch der nächsten Finanz- und Wirtschaftskrise vorgebeugt werden. – Aber Abhilfe ist offensichtlich nicht erwünscht!

Zum Schluss sei die Frage an die Verantwortlichen der Behörden und des Bundesanzeigers erlaubt: Wozu gibt es eine an sich sinnvolle und wichtige Einrichtung wie den ebundesanzeiger, wenn dieser derart stiefmütterlich behandelt wird, dass er völlig unbrauchbar ist und sogar Lug und Betrug Tür und Tor öffnet?

2QIA GbR
Inhaber Jan-H. Boslak u. Torben Mark Oehler
Lotter Str. 112
49078 Osnabrück
Telefon: 0541-9580356
www.2qia.de



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