BFH I R 29/09 Anwendbarkeit des § 35b GewStG 1999 auf Organschaften
Anwendbarkeit des § 35b GewStG 1999 auf Organschaften
§ 35b GewStG 1999 ermöglicht in Organschaftsfällen auch bei einer Gewinnänderung auf der Ebene der Organgesellschaft eine Änderung des bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheides.
GewStG 1999 § 35b
KStG 1999 § 8b Abs. 7
Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 29/09
Vorinstanz: FG Hamburg vom 24. Februar 2009 6 K 176/07 (EFG 2009, 1131)
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Gründe
I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war in den Streitjahren (1999 und 2000) körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organträgerin der C-GmbH. Die C-GmbH war ihrerseits alleinige Gesellschafterin einer Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts, der C-BV.
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Die in den Streitjahren von der C-BV an die C-GmbH ausgeschütteten Gewinne wurden aufgrund des sog. Schachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) aus der Bemessungsgrundlage ausgenommen. Allerdings rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) der Klägerin unter Hinweis auf § 8b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) und § 3c des Einkommensteuergesetzes 1997 5 v.H. der ausgeschütteten Dividenden als nichtabziehbare Betriebsausgaben hinzu. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 78/04, BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821). Das der Klägerin zuzurechnende Einkommen der C-GmbH als Organgesellschaft war in Höhe der ursprünglichen Hinzurechnung nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 herabzusetzen. Dem folgte das FA und erließ entsprechende Abhilfebescheide für die Jahre 1999 und 2000.
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Am 2. Mai 2007 beantragte die Klägerin, die bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheide für 1999 und 2000 gemäß Â§ 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999) entsprechend den bei der Körperschaftsteuer vorgenommenen Korrekturen herabzusetzen. Dies lehnte das FA ab. Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) Hamburg mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1131 veröffentlichtem Urteil vom 24. Februar 2009 6 K 176/07 statt.
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Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
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Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht angenommen, dass § 35b GewStG 1999 eine Änderung der streitgegenständlichen Gewerbesteuermessbescheide ermöglicht.
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1. Gemäß Â§ 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG 1999 ist der Gewerbesteuermessbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb ist insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags oder des vortragsfähigen Gewerbeverlustes beeinflusst (§ 35b Abs. 1 Satz 2 GewStG 1999). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Zweck nach erfüllt.
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2. Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft i.S. des § 14, § 17 oder § 18 KStG 1999, so gilt sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstätte des Organträgers. Trotz dieser Betriebsstättenfiktion bilden Organgesellschaft und Organträger jedoch kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie, s. zur insoweit ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– Urteile vom 4. Juni 2003 I R 100/01, BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244, m.w.N.; vom 14. Januar 2009 I R 47/08, BFHE 224, 126). Die Organschaft führt dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (Senatsurteile vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, BStBl II 1990, 916; in BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.
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3. Obwohl hiernach die Gewerbeerträge für die Organgesellschaft einerseits und den Organträger andererseits getrennt ermittelt werden und erst danach in einem –einheitlichen– Gewerbeertrag des Organträgers aufgehen, ermöglicht § 35b GewStG 1999 auch bei einer Gewinnänderung auf der Ebene der Organgesellschaft eine Änderung bestandskräftiger Gewerbesteuermessbescheide, sofern die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind.
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a) Der dem Gewerbesteuermessbescheid zu Grunde liegende Gewerbeertrag umfasst zum einen den originären Gewerbeertrag des Organträgers, zum anderen den der Organgesellschaft. Der Gewinn der Organgesellschaft ist daher als unselbständige Besteuerungsgrundlage im Gewerbeertrag des Organträgers enthalten. Ändert sich der Gewinn der Organgesellschaft, wirkt sich dies in gleicher Weise auf den Gewerbeertrag des Organträgers aus wie eine entsprechende Änderung seines eigenen Gewinns. Das Gesetz, das für Organschaftsfälle keine gesonderte Regelung trifft, spricht nur davon, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb durch die Änderung der Körperschaftsteuer- oder Einkommensteuerfestsetzungen „berührt“ sein muss. Es fordert jedoch nicht, dass die Gewinnänderung den nämlichen Gewerbebetrieb betrifft, sondern verlangt nur, dass eine Gewinnänderung den Gewerbeertrag beeinflusst hat. Dies ist jedoch auch dann der Fall, wenn sich der Gewinn der Organgesellschaft ändert.
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