Leistungsort bei Bezug von sog. Katalogleistungen durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (BFH XI R 62/06)
Leistungsort bei Bezug von sog. Katalogleistungen i.S. des § 3a Abs. 4 UStG 1999 durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt
Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die neben ihren nichtunternehmerischen Tätigkeiten auch unternehmerische Tätigkeiten ausübt, bezieht sog. Katalogleistungen i.S. des § 3a Abs. 4 UStG 1999 selbst dann als Unternehmerin (§ 3a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999), wenn sie diese nur für ihre nichtunternehmerischen Zwecke verwendet.
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UStG 1999 § 2 Abs. 3 Satz 1, § 3a Abs. 3 und Abs. 4, § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2
Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1, Art. 9 Abs. 2 Buchst. e
Urteil vom 10. Dezember 2009 XI R 62/06
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 29. August 2006 6 K 2991/03 (EFG 2006, 1709)
Gründe
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die nur im Rahmen ihres Betriebs gewerblicher Art eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Sie bezog zur Erfüllung ihres hoheitlichen Programmauftrags von im Gemeinschaftsgebiet ansässigen ausländischen Rundfunkanstalten verschiedene Leistungen wie Telekommunikationsdienstleistungen, die Ãœbertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte, die Vermietung von Sendeeinrichtungen und die Personalgestellung nebst technischer Ausrüstung. Die Leistungen wurden der Klägerin unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Auf Aufforderung des Ministeriums der Finanzen des Landes … meldete die Klägerin entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16. Juli 2001 IV B 7 -S 7106- 47/01 (BStBl I 2001, 489; nunmehr Abschn. 38 Abs. 6 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005/2008) die Umsätze in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat August 2002 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) an.
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Der Einspruch gegen die Umsatzsteuer-Voranmeldung, die Eingang in den zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 25. Mai 2004 gefunden hat, blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1709). Die Regelung in dem BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 489 sei nicht mit der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) vereinbar und verstoße gegen § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung. Die Voraussetzungen des § 3a Abs. 3 i.V.m. § 3a Abs. 4 UStG seien nicht gegeben, weil die Klägerin die streitigen Leistungen als juristische Person des öffentlichen Rechts für ihre im öffentlich-rechtlichen Bereich liegende Tätigkeit bezogen habe und damit insoweit nicht Unternehmerin im Sinne der Vorschrift sei. Liege der Ort der Leistungen nicht gemäß Â§ 3a Abs. 3 UStG im Inland, so fehle es für eine Steuerschuldnerschaft i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG an einem steuerpflichtigen Umsatz im Inland.
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Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Klägerin übe neben ihrer hoheitlichen Tätigkeit auch eine nachhaltige, wirtschaftlich herausgehobene Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus und sei daher im Rahmen dieses Betriebs gewerblicher Art –wenn auch nur partiell– Unternehmerin. Aus § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG ergebe sich nicht, dass die Verlagerung des Leistungsorts nur dann gelte, wenn die Leistung dem unternehmerischen Betätigungsfeld zuzuordnen sei. Das BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 489 stelle nur die Rechtslage klar, dass es für die Verlagerung, sofern der Empfänger (auch) unternehmerisch tätig sei, nicht mehr darauf ankomme, ob die Leistungen an den unternehmerischen Bereich der empfangenden Rundfunkanstalt ausgeführt würden. Das habe u.a. zur Folge, dass Leistungen i.S. des § 3a Abs. 4 UStG, die von ausländischen Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts an inländische Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts erbracht werden, im Inland der Umsatzbesteuerung unterlägen. Auch eine evtl. Doppelbesteuerung ändere hieran nichts; diese müsse ggf. anderweitig vermieden werden.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Hilfsweise regt sie an, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die für eine Tätigkeit, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG obliegt, eine sonstige Leistung bezieht, mit der Konsequenz als Nichtsteuerpflichtige i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen ist, dass die Ortsbestimmung nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG nicht anwendbar ist.
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Es sei eine Zuordnungsentscheidung vorzunehmen hinsichtlich des Leistungsbezugs und zur Bestimmung des Leistungsorts:
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Die Leistungen habe sie als Nichtunternehmerin bezogen. Aus ihrem Betrieb gewerblicher Art folge nicht, dass sie insgesamt –also auch hinsichtlich ihrer hoheitlichen Tätigkeit– Unternehmerin sei.
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Da sie die Leistungen nicht als Unternehmerin empfangen habe, komme es auch nicht zu einer Verlagerung des Leistungsorts gemäß Â§ 3a Abs. 3 Satz 1 UStG ins Inland.
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Die umsatzsteuerrechtliche Doppelbelastung verstoße gegen das Neutralitätsgebot. In den übrigen Mitgliedstaaten werde sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Leistungen –zu Recht– als Nichtunternehmerin angesehen, eine Vergütung der ausländischen Mehrwertsteuer sei daher nicht möglich. Es sei auch widersprüchlich, Leistungen für eine erkennbar nichtunternehmerische Nutzung einerseits bei der Bestimmung des Leistungsorts den Leistungen für eine unternehmerische Nutzung gleichzustellen, und andererseits den Vorsteuerabzug wegen der fehlenden Abzugsberechtigung im hoheitlichen Bereich zu versagen.
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Nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 6. November 2008 in der Rs. C-291/07 –Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrädet– (Slg. 2008, I-8255, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2008, 925) hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, der Sachverhalt im Streitfall unterscheide sich maßgeblich von dem dort entschiedenen.
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