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Anschaffung eines Grundstücks bei Besitzübergabe vor dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt (III R 92/08)


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Anschaffung eines Grundstücks bei Besitzübergabe vor dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt
Ein bebautes Grundstück ist in dem Zeitpunkt angeschafft, in dem Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten auf den Käufer übergehen. Maßgebend ist nicht der vertraglich vorgesehene, sondern der tatsächliche Ãœbergang.

InvZulG 1999 § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 3
Urteil vom 17. Dezember 2009 III R 92/08
Vorinstanz: FG Mecklenburg-Vorpommern vom 13. September 2007 2 K 460/05


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Gründe

I.
1
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) kaufte am 18. Juni 2001 ein Reihenhausgrundstück von einer GmbH, an der er zur Hälfte beteiligt war. Die GmbH hatte das zu diesem Zeitpunkt im Rohbau fertig gestellte Haus auf ihre Kosten zu vollenden. Der Kaufpreis betrug 200.000 DM. Davon waren 150.000 DM zwei Wochen nach Eintragung der Auflassungsvormerkung fällig; diese Rate überwies der Kläger am 24. Juli 2001. Die restlichen 50.000 DM, nach § 6 des notariellen Kaufvertrages fällig bei vertragsgemäßer Ãœbergabe, wurden am 5. Februar 2002 gezahlt.

2
Mit Vertrag vom 19. Juli 2001 vermietete der Kläger das Haus ab dem 1. September 2001 für unbestimmte Zeit zu einer Kaltmiete von 1.250 DM.

3
Nach einer vom Kläger vorgelegten privatschriftlichen Vereinbarung vom 5. Juli 2001 stundete die GmbH die Zahlung der restlichen 50.000 DM bis zum 31. Dezember 2002 und bestätigte eine Änderung von § 6 des Kaufvertrages, wonach das Kaufobjekt mit Rücksicht auf den geplanten Einzug der Mieterin am 1. Juli 2001 übergeben worden sei.

4
Den Antrag auf eine Investitionszulage für den Mietwohnungsbau im innerörtlichen Bereich lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) ab, weil die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung nur gefördert werde, wenn diese vor dem 1. Januar 2002 erfolgt sei (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes –InvZulG– 1999). Der Kläger habe das Gebäude erst im Februar 2002 angeschafft, weil er erst zu diesem Zeitpunkt die letzte Kaufpreisrate gezahlt und damit die Voraussetzungen für eine Ãœbergabe des Kaufobjektes geschaffen habe. Der Einspruch blieb erfolglos.

5
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied (Urteil vom 13. September 2007 2 K 460/05), der Kläger habe die Investition nicht vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen. Die Anschaffung werde im Zeitpunkt der Lieferung verwirklicht (§ 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung –EStDV–). Geliefert werde ein Wirtschaftsgut, wenn der Erwerber nach dem Willen der Vertragspartner darüber wirtschaftlich verfügen könne. Dies sei bei Grundstücken regelmäßig der Zeitpunkt, zu dem nach den vertraglichen Vereinbarungen Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergingen. Die Ãœbergabe sei in § 6 des Kaufvertrages von der Bezugsfertigkeit und der Zahlung des Kaufpreises abhängig gemacht worden, den der Kläger erst im Februar 2002 und somit nach Ende des für die Gewährung der Zulage maßgeblichen Zeitpunktes beglichen habe.

6
Es könne dahinstehen, ob die vom Kläger vorgelegte privatschriftliche Abrede vom 5. Juli 2001 tatsächlich an diesem Tage oder erst nachträglich getroffen worden sei, denn der notarielle Kaufvertrag habe nur durch eine ebenfalls notariell beurkundete Abrede geändert werden können. Die Heilung einer gegen die Beurkundungspflicht verstoßenden Abrede trete nach § 311b Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ohne Rückwirkung erst mit dem Zeitpunkt der Auflassung und Eintragung im Grundbuch ein, im Streitfall also am 17. Juni 2002. Durch den Abschluss des Mietvertrages im Juli 2001 und die tatsächliche Vermietung ab September 2001 sei der Kläger nicht wirtschaftlicher Eigentümer geworden, da er den Eigentümer –die GmbH– nicht auf Dauer von der Einwirkung auf das Grundstück habe ausschließen können.

7
Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, der Zeitpunkt der Anschaffung werde durch den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums bestimmt, d.h. durch den Ãœbergang von Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten. Im Streitfall sei das Grundstück tatsächlich bereits zum September 2001 übergeben worden. Die Ãœbergabe vor der Zahlung des Restkaufpreises sei in der notariellen Urkunde nicht ausgeschlossen worden und auch nicht gemäß § 311b BGB unzulässig. Nach Besitzübertragung habe der noch als Eigentümerin eingetragenen GmbH kein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB zugestanden (Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 2. März 1984 V ZR 102/83, BGHZ 90, 269).

8
Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Investitionszulage für das Jahr 2001 auf 9.082,59 € festzusetzen.

9
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.
10
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil seine Feststellungen nicht für eine abschließende Entscheidung ausreichen, ob der Kläger schon vor dem 1. Januar 2002 wirtschaftliches Eigentum an dem Reihenhaus erlangt hat (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

11
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 ist die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und vor dem 1. Januar 2002 abschließt. Abgeschlossen sind Investitionen i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 mit dem Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes (§ 3 Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1999).

12
2. Unter Anschaffung ist im Ertragsteuer- wie im Investitionszulagenrecht der Erwerb eines bereits bestehenden Wirtschaftsguts zu verstehen. Angeschafft wird im Zeitpunkt der Lieferung (§ 9a EStDV). Geliefert ist das Wirtschaftsgut, wenn der Erwerber nach dem Willen der Vertragsparteien darüber wirtschaftlich verfügen kann. Das ist bei der Ãœbertragung eines Grundstücks in der Regel der Zeitpunkt, zu dem Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergehen (Senatsurteile vom 24. März 2006 III R 6/04, BFHE 213, 178, BStBl II 2006, 774; vom 28. November 2006 III R 17/05, BFH/NV 2007, 975, jeweils m.w.N.).


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