Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen (BFH VIII R 29/07)
1. Wird ein Darlehen, zu dessen Besicherung Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen eingesetzt werden, auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlt, auf dem auch andere Zahlungseingänge verbucht werden und erfolgt über dieses Konto nicht nur die Anschaffung des Wirtschaftsguts, für welches das Darlehen aufgenommen wurde, sondern werden darüber auch andere Zahlungen geleistet, so erfüllt das Darlehen bereits wegen der Vermischung der Darlehensmittel mit anderen Geldbeträgen nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG.
2. Wird ein durch eine Kapitallebensversicherung abgesichertes Darlehen teilweise steuerschädlich verwendet, sind die Zinsen aus der Lebensversicherung in vollem Umfang nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtig.
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EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a
Urteil vom 24. November 2009 VIII R 29/07
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 27. September 2006 1 K 1029/06 (EFG 2007, 1870)
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht von Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Windkraftanlagetechnologie A GmbH. Diese ist Komplementärin der Windpark B GmbH & Co. KG (KG); alleiniger Kommanditist der KG ist der Kläger.
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Am 13. Oktober 2003 schloss der Kläger mit der C Lebensversicherungs-AG einen Rentenversicherungsvertrag, der für den Kläger ab 1. Dezember 2015 eine Zukunftsrente von monatlich 439,26 € oder ein einmaliges Garantiekapital von 122.034 € vorsah. Kurz danach, am 17. Oktober 2003, schloss die KG mit der D Landesbank AG (D) einen Darlehensvertrag über 145.000 €; die Mittel sollten von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) kommen. Die Laufzeit des Darlehensvertrages betrug 12 Jahre bei einem Auszahlungskurs von 96 % (= 139.200 €) und einer Verzinsung von 4,4 % p.a.; die Rückzahlung des Darlehens sollte in einer Summe am 30. September 2015 erfolgen. Als Sicherheit sollten u.a. die Abtretung der Rechte und Ansprüche aus einer noch abzuschließenden C-Rentenversicherung dienen. Am selben Tage (17. Oktober 2003) trat der Kläger die ihm zustehenden Ansprüche aus der o.a. Rentenversicherung in Höhe von 139.000 € an die D ab.
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Am 24. Oktober 2003 wurde das Darlehen in Höhe von 139.200 € auf das bei der D geführte Kontokorrentkonto der KG ausgezahlt; ferner kam am selben Tag auf das nämliche Konto ein weiteres Darlehen über 125.000 € zur Auszahlung. Aufgrund einer Anzahlungsanforderung überwies die KG an die X GmbH, die die Windenergieanlage erstellte, mit Valuta 29. Oktober 2003 den angeforderten Betrag von 67.280 €. Nach weiteren Zahlungsaufforderungen der X GmbH zahlte die KG an die X GmbH mit Valuta 26. November 2003 weitere 100.000 €. Zuvor war am 20. November 2003 auf dem Konto der KG noch eine Gutschrift der Z über 88.620,44 € eingegangen.
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Nachdem die D dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) die Abtretung nach § 29 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung angezeigt hatte, erließ dieser einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen. Das FA begründete die Steuerpflicht der Zinsen damit, das Darlehen müsse unmittelbar zur Bezahlung angeschaffter oder hergestellter Wirtschaftsgüter dienen. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00 (BStBl I 2000, 1118, Rdnr. 53) betrage die Karenzzeit zwischen Darlehensauszahlung und der Abbuchung zur Zahlung der Anschaffungs-/Herstellungskosten 30 Tage. Die Ãœberweisung der restlichen 100.000 € sei nach Fristablauf erfolgt.
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Das Finanzgericht (FG) hat der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit Urteil vom 27. September 2006 1 K 1029/06 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2007, 1870) stattgegeben. Soweit das BMF auf der Einhaltung der 30-Tage-Frist bestehe, sei diese als starre Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „unmittelbaren und ausschließlichen Verwendung“ eines Darlehens ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ungeeignet. Im Streitfall sei die Fristüberschreitung mit nur drei Tagen extrem kurz gewesen; außerdem sei die erste Abbuchung zur Zahlung der Anschaffungskosten innerhalb der 30-Tage-Frist erfolgt. Das Kontokorrentkonto der KG habe immer einen positiven Bestand gehabt; die Finanzierung nicht begünstigter Aufwendungen mit den Darlehensmitteln sei ausgeschlossen.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 20 Abs. 1 Nr. 6, 10 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (in der im Streitjahr gültigen Fassung; im Folgenden: EStG).
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Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
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Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zur Lebensversicherung des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) ist entgegen der Auffassung des FG rechtmäßig.
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1. Die Zulässigkeit der gesonderten Feststellung der Steuerpflicht ergibt sich aus §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3). Nach § 9 dieser Verordnung stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen bestehen nicht (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 180 AO Rz 497 f., m.w.N.). Im Streitfall sind die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt.
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