Zurechnung eines Strategieentgelts an einen Vermögensverwalter zu den Anschaffungskosten erworbener Kapitalanlagen (BFH VIII R 22/07)
Zahlt ein Steuerpflichtiger, der einem Vermögensverwalter Vermögen zur Anlage auf dem Kapitalmarkt überlässt, ein gesondertes Entgelt für die Auswahl zwischen mehreren Gewinnstrategien des Vermögensverwalters, so ist das Entgelt den Anschaffungskosten für den Erwerb der Kapitalanlagen zuzurechnen.
EStG § 20
HGB § 255
Urteil vom 28. Oktober 2009 VIII R 22/07
Vorinstanz: FG Köln vom 25. April 2007 10 K 3240/06 (EFG 2007, 1148)
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Gründe
I.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie beantragten, ein sog. Strategieentgelt als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
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Dieses Strategieentgelt hatte der Kläger an eine GmbH gezahlt, mit der er einen Fonds-Vermögensverwaltungsvertrag geschlossen hatte. Gegenstand des Vertrages war die konzeptionelle, organisatorische und buchhalterische Betreuung von Vermögensanlagen des Klägers durch die GmbH auf der Grundlage einer von mehreren Gewinnstrategien, zwischen denen der Kläger wählen konnte. Der Kläger entschied sich für eine Kombination aus der Gewinnstrategie I (Investitionen zu 100 % in offene Immobilienfonds) und Gewinnstrategie III (Investitionen zu maximal 30 % in Aktienmärkte).
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Auf dieser Grundlage zahlte der Kläger als anzulegenden Betrag 160.000 € zu Gunsten der GmbH an eine Bank, die davon nach Maßgabe des Vermögensverwaltungsvertrages 3,5 % des Betrages (5.600 €) als Strategieentgelt an die GmbH abzog.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) lehnte es ab, das Strategieentgelt als Werbungskosten zu berücksichtigen.
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Der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1148 veröffentlichten Urteil statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es trägt vor, das angefochtene Urteil verletze § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie § 20 EStG, weil es das Strategieentgelt nicht den Anschaffungskosten der Kapitalbeteiligungen, sondern den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zugerechnet habe.
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das Strategieentgelt könne schon deshalb nicht den Anschaffungskosten zugerechnet werden, weil der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Leistung die zu erwerbenden Wirtschaftsgüter noch nicht kenne und die Vermögensverwaltung selbst oder die Strategie kein Wirtschaftsgut im steuerlichen Sinne darstelle.
II.
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Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
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Zu Unrecht hat das FG das Strategieentgelt des Klägers den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. der §§ 9, 20 EStG zugeordnet. Es betrifft vielmehr –einkommensteuerrechtlich nicht abziehbaren– Aufwand i.S. des auch im Anwendungsbereich des § 20 EStG geltenden § 255 des Handelsgesetzbuchs (HGB) für die Anschaffung von Kapitalanlagen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 20. Juni 2000 VIII R 37/99, BFH/NV 2000, 1342).
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1. Nach § 255 Abs. 1 HGB gehören zu den Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
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a) Danach setzt die Zurechnung von Aufwand zu den Anschaffungskosten von Kapitalvermögen grundsätzlich voraus, dass er einzelnen, bestimmten Kapitalanlagen zugeordnet werden kann. So bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BFH die Abziehbarkeit von Aufwendungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach den Merkmalen der jeweiligen Kapitalanlage, auf die sie bezogen sind (vgl. BFH-Urteile vom 3. November 1961 VI 13/61 U, BFHE 74, 90, BStBl III 1962, 35; vom 26. November 1974 VIII R 266/72, BFHE 114, 229, BStBl II 1975, 331; vom 15. Dezember 1987 VIII R 281/83, BFHE 154, 456, BStBl II 1989, 16; vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs vom 7. Februar 1929 I A 377/28, RStBl 1929, 193).
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Denn Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG ist nicht die –einheitlich zu beurteilende– Gesamtheit der Kapitalanlagen, sondern die Summe der –jeweils gesondert zu beurteilenden– Anlagengegenstände (BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88 BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463).
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b) Zu Unrecht verneint allerdings das FG, dass das gezahlte Strategieentgelt den Kapitalanlagen zugerechnet werden kann, die die GmbH für den Kläger auf der Grundlage der mit dem Entgelt vergüteten Strategiewahl des Klägers erworben hat.
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