Alle Seiten haben versagt
Leitartikel von Miguel Sanches
Essen (ots) – Wenn man dir Zitronen gibt, mach Limonade draus. Das wäre eine Haltung gewesen. Stattdessen blickt man in Berlin auf säuerliche Gesichter: Der Streit um Hartz IV ist beiden Seiten entglitten, der Regierung wie der Opposition.
Sie haben zwei Monate auf destruktive Weise vertan und langweilen uns mit Schuldzuweisungen. Sie hätten es zu einem guten Ende führen sollen. Sie haben es versaut, und zwar kollektiv. Nun ist die Verunsicherung mit Händen zu greifen.
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Niemand weiß, wie es weitergeht und welches Spiel die Kanzlerin treibt. Wenn Deutschland unter seinen Möglichkeiten regiert wird, bleibt nur das Richterrecht. Das heißt: Die Gerichte können Fakten schaffen, im Einzelfall sicherstellen, dass die Hartz-IV-Empfänger ihr Geld bekommen. Und doch: alles kein Zustand. Die alten Hartz-Gesetze sind verfassungswidrig, die Parteien politikunfähig, die Kommunen und der Finanzminister haben keinerlei Planungssicherheit. Die Parteien hatten die Zeit, und es war ihre Schuld und Pflicht, sich auf einen Hartz-Satz, auf ein „Bildungspaket“ und auf den Mindestschutz für Arbeitnehmer zu einigen. Ein Fehler war, dass die Verhandlungen überfrachtet wurden, denn der Mindestlohn und die Gemeindefinanzen haben nur mittelbar was mit dem Karlsruher Urteil zu tun. Ihnen fehlte die innere Stärke, um souverän zu handeln. Die Sozialdemokraten hatten ein schlechtes Gewissen – die Hartz-Reform ist ihre Erfindung – und Angst, etwas zu machen, was der Linken in die Hand spielt oder die Gewerkschaften auf den Plan ruft. Es war das erste Mal, dass die SPD als Opposition gebraucht wurde. Das hat sie besoffen gemacht. Sie hat sich bei Mindestlohn wie auch bei Regelsatz kaum bewegt. Sie wollten es „den anderen“ zeigen, unbedingt. Und der Kanzlerin war es wichtiger, die Reihen geschlossen zu halten, der FDP nichts zuzumuten. Sie waren sich selbst genug. Nun dämmert es ihnen, dass alle verlieren; es keine Gewinner geben kann; und dass die beckmesserische Art die Bürger verstört. Das Ansehen der Politik wird Schaden nehmen, erst recht, wenn irgendein Land im Bundesrat „gekauft“ werden soll. Merkel muss mit der Situation umgehen können. Aus Zitronen lässt sich Limonade machen.
Eine Chance wurde vertan. Merkel hat die Hartz-Reform zur Chefsache erklärt. Nun ist sie auch gefragt. Denn auf die Kanzlerin kommt es an.
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