Bundeshaushalt 2012
Ulm (ots) – So früh wie noch nie beschließt heute das Kabinett die ersten Eckwerte des Bundeshaushalts 2012 und der mittelfristigen Planung bis 2015. Der Grund ist eine kleine Revolution: Erstmals wird das „Top-Down-Verfahren“ angewandt. Vereinfacht heißt das: Die Regierung geht vor wie ein verantwortungsvoller Familienvater – oder eine schwäbische Hausfrau – und überlegt zuerst, über wie viel Geld sie im kommenden Jahr voraussichtlich verfügt, und erst dann, wofür sie es ausgeben will.
.
Das ersetzt das alte Wünsch-Dir-Was-Verfahren. Dabei meldeten die einzelnen Ministerien erst einmal große Pläne und Ausgabewünsche an, und der Finanzminister musste sie danach mühsam auf den Boden der Realitäten herunterhandeln. Dieser Wechsel ist sinnvoll, wenn er wirklich dazu führt, Geld zu sparen und damit die Schuldenbremse einzuhalten, die vom Jahr 2016 an voll greift. Lauten Beifall spenden wir allerdings erst, wenn er sich in der Praxis bewährt. Angesichts der Ereignisse in Japan und der drohenden Auswirkungen auf Deutschland, ob bei der Konjunktur oder bei den Atomkraftwerken, wirkt es fast bizarr, sich bereits jetzt festlegen zu wollen, wie das nächste Jahr finanziell für den Bund laufen soll. Aber das ist das Schicksal jeder Planung: Unsicherheiten sind zwangsläufig und doch geht es nicht ohne sie. Dass das Thema ausgerechnet jetzt auf der Tagesordnung steht, ist ein – unglücklicher – Zufall. Endgültig wird der Haushalt erst im November vom Bundestag beschlossen. Bis dahin bleibt viel Zeit, noch auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Aber unabhängig von allen Unwägbarkeiten ist sehr wohl ein Urteil möglich, wo Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf dem richtigen Weg ist und wo nicht. Dass die Ausgaben kaum steigen sollen, ist schon angesichts der hohen Verschuldung richtig. Auch klingt es gut, wenn er 2015 nur noch gut 13 Milliarden Euro neue Schulden machen will. Gelingt dies, könnte er die Schuldenbremse ein Jahr früher einhalten als vorgeschrieben. Aber zum einen müsste das Ziel eigentlich sein, gar keine neuen Kredite mehr aufzunehmen. Da haben sich die Väter der Schuldenbremse eine Fluchttür eingebaut, die schwer nachzuvollziehen ist. Zumal zusätzliche Schulden aufgrund kurzfristiger konjunktureller Einbrüche möglich sind. Allerdings müssen sie in guten Jahren wieder eingespart werden, wenn es tatsächlich geschieht. Zum anderen trickst der CDU-Politiker gewaltig. Das Ziel, die Neuverschuldung deutlich abzusenken, schafft er 2014 und 2015 nur, indem er eine „globale Minderausgabe“ von jeweils knapp fünf Milliarden Euro in den Haushalt schreibt. So viel müssen alle Ressorts noch einsparen. Doch die Regierung drückt sich um die Aussage, wie dies konkret geschehen soll. Das überlässt sie großzügig der nächsten Regierung, die 2013 gewählt wird. Verantwortungsvolle Planung sieht anders aus. Die scheinbar schönen Werte der mittelfristigen Finanzplanung sind letztlich eine Luftnummer. Auch an anderen Stellen sieht vieles nach Schönwetterrechnung aus, die beim ersten Regen aus den Fugen zu geraten droht. Bei der Bundeswehr sollen in den nächsten Jahren trotz des Umbaus zu einer Berufsarmee Milliarden eingespart werden. Auch bei der Bundesagentur für Arbeit sind hohe Einsparungen eingeplant, obwohl sie diese selbst nicht für möglich hält. Die Investitionen sollen sinken. Dabei leben wir schon jetzt an vielen Stellen von der Substanz, was Straßen und Schienen überdeutlich zeigen. Unter dem Strich bleibt der Eindruck: Vieles in der Haushaltsplanung ist auf Sand gebaut. Umso unrealistischer ist es, wenn Schäuble neuerdings laut über Steuersenkungen nachdenkt. Es wäre schon eine Leistung, wenn sie nicht erhöht werden müssen.
Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218
.