Abzinsung von Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen (BFH I R 35/09)
1. Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 abzuzinsen, wenn sie zwar keine feste Laufzeit haben, die Darlehensnehmerin aber am Bilanzstichtag mit einer Fortdauer der Kapitalüberlassung für mindestens weitere zwölf Monate rechnen kann (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BFHE 226, 347).
2. Die bloße Zweckbindung eines Darlehens begründet keine „Verzinslichkeit“ i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 (ebenfalls Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BFHE 226, 347).
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3. Eine Verbindlichkeitsrückstellung ist nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 abzuzinsen, wenn sie aus der Sicht des Bilanzstichtags voraussichtlich mindestens zwölf Monate Bestand haben wird. Welche Risiken sich nach den Verhältnissen des Bilanzstichtags zeitlich über mindestens zwölf Monate erstrecken, ist im gerichtlichen Verfahren in erster Linie vom FG zu beurteilen, das insoweit ggf. eine Schätzung vornehmen muss.
EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a Buchst. e
Urteil vom 27. Januar 2010 I R 35/09
Vorinstanz: FG Köln vom 15. Januar 2009 13 K 4781/04 (EFG 2009, 1199)
Gründe
I.
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob unverzinsliche Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen im Rahmen der Gewinnermittlung für das Streitjahr (1999) abzuzinsen sind.
2
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Drei ihrer vier Gesellschafter hatten ihr vor längerer Zeit Darlehen in Höhe von ca. 120 Mio. DM gewährt. Diese sollten ursprünglich bis zum Eintritt der Klägerin in die Gewinnzone zinslos sein; im Jahr 1988 waren die Verträge dahin umgestaltet worden, dass ca. 50 % der Summe verzinslich und die verbleibenden 56.863.049,82 DM zins- und tilgungsfrei gewährt wurden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) weist der Geschäftsbericht der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2005 die Darlehensverpflichtungen als Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren aus. Die Abzinsung dieser Darlehen bildet den ersten Streitkomplex des vorliegenden Rechtsstreits.
3
Den zweiten Streitkomplex bildet die Abzinsung von Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen. Diese Maßnahmen musste die Klägerin, von deren Unternehmen störende Geräusche ausgehen, zu Beginn der 90er Jahre durchführen. Dazu hatte sie den Bewohnern eines im Einzugsbereich ihres Unternehmens liegenden Gebietes den kostenlosen Einbau passiver Lärmschutzvorrichtungen (Schallschutzfenster, Dachisolierungen o.Ä.) angeboten. Die Inanspruchnahme erfolgte durch einen Antrag des jeweiligen Anwohners; die Antragsmöglichkeit war zunächst auf den 31. Dezember 1998 befristet und wurde später bis zum 30. Juni 1999 verlängert. Im Anschluss an die Antragstellung sowie nach Vorlage und Prüfung bestimmter Unterlagen schloss die Klägerin mit dem Antragsteller eine schriftliche Vereinbarung über die Kostenübernahme, an die sie sodann für zwölf Monate gebunden war. In den Bilanzen der Wirtschaftsjahre 1997 bis 1999 bildete die Klägerin für die Kosten der erwarteten Inanspruchnahme Rückstellungen in Höhe von 72.282.010 DM (1997), 76.615.440 DM (1998) und 63.799.600 DM (Streitjahr).
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Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Ansicht, dass die in der Bilanz zum 31. Dezember 1999 ausgewiesenen Gesellschafterdarlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes 1997 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) –EStG 1997– abzuzinsen seien. Da die Laufzeit unbestimmt sei, müsse dies in Anlehnung an § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes mit dem Faktor 9,3 erfolgen. Daraus errechne sich ein Barwert der Verbindlichkeiten in Höhe von 29.113.881,82 DM. Die Differenz in Höhe von 27.749.168 DM sei ertragswirksam aufzulösen. Da die Klägerin zur Abmilderung des Abzinsungsgewinns den Ansatz einer 9/10 Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG 1997 beantrage, seien Gewinn und Gewerbeertrag des Streitjahres um 2.774.916 DM zu erhöhen.
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5
Im Hinblick auf die Schallschutzmaßnahmen wurde während der Prüfung unstreitig, dass die von der Klägerin gebildete Rückstellung auf 51.065.432 DM zu vermindern war. Der Prüfer ging davon aus, dass diese Position ebenfalls abzuzinsen sei; das führe zu einer Gewinnerhöhung um 3.944.681 DM, von denen sich nach § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG 1997 im Streitjahr ein Betrag von 394.468 DM auswirke.
6
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) folgte der Ansicht des Prüfers und erließ entsprechende Steuer- und Feststellungsbescheide. Zudem erfasste er auf Antrag der Klägerin zusätzliche Rückstellungen für Erbbauzinsverpflichtungen erfolgswirksam; dies führte im Streitjahr zu einer Hinzurechnung von Erbbauzinsen zum Gewerbeertrag in Höhe von 1.925.920 DM. Die gegen die Änderungsbescheide gerichtete Klage hatte nur teilweise Erfolg; das FG entschied, dass das FA die Abzinsungsbeträge fehlerhaft berechnet und die Erbbauzinsen zu Unrecht dem Gewerbeertrag zugerechnet habe, die angefochtenen Bescheide aber ansonsten rechtmäßig seien (FG Köln, Urteil vom 15. Januar 2009 13 K 4781/04). Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 1199 abgedruckt.
7
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 6 EStG 1997. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass die gewinnerhöhende Abzinsung der Gesellschafterdarlehen und der Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen rückgängig gemacht wird.
II.
8
Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß Â§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass sowohl die Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin als auch die von ihr gebildeten Rückstellungen abzuzinsen sind.
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1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG 1997). Sie muss dabei das Betriebsvermögen ansetzen, das sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ergibt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997). Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG 1997); sie gehen insoweit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vor.
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