Abzinsung von Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen (BFH I R 35/09)
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Das Ausmaß derjenigen Risiken, die sich in zeitlicher Hinsicht auf mindestens zwölf Monate erstreckten, konnte naturgemäß weder am Bilanzstichtag noch zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung konkret beziffert werden. Das FA hat den insoweit anzusetzenden Wert deshalb aus der tatsächlichen späteren Entwicklung abgeleitet; dem ist das FG –jedenfalls vom systematischen Ansatz her– gefolgt. Diese Handhabung mag zwar insoweit methodisch angreifbar sein, als sie die Beurteilung aus der Sicht des Bilanzstichtags durch eine rückblickende Betrachtung ersetzt (vgl. dazu Korn/Strahl in Korn, Einkommensteuergesetz, § 6 EStG Rz 388). Doch handelt es sich zum einen letztlich um eine Schätzung seitens des FG, die im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann. Zum anderen –und vor allem– macht die Klägerin nicht geltend, dass eine Betrachtung unter dem zeitlichen Blickwinkel des Bilanzstichtags andere, ihr günstigere Werte zu Tage fördern könnte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass den gesamten vom FA abgezinsten Rückstellungsbeträgen am Bilanzstichtag nicht eine Restlaufzeit von weniger als zwölf Monaten beizumessen war, im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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b) Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer Auseinandersetzung mit der von der Revision angesprochenen Frage, welche Rechtsfolge § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 im Zusammenhang mit Pauschalrückstellungen auslöst (vgl. dazu Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699, Tz. 27; FG München, Beschluss vom 21. Januar 2004 7 V 4930/03, EFG 2004, 641; Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz 1165, m.w.N.). Denn das FG hat nicht festgestellt, dass die Klägerin eine Pauschalrückstellung gebildet hat. Ebenso geht der Einwand der Klägerin fehl, dass eine Abzinsung ein verdecktes Kreditgeschäft voraussetze und dass ein solches nur dann vorliege, wenn entweder der Schuldner vorzeitig zum Barwert erfüllen oder eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden könne (vgl. dazu Senatsurteil vom 15. Juli 1998 I R 24/96, BFHE 186, 388, 392, BStBl II 1998, 728, 730; Niedersächsisches FG, Urteil vom 15. Mai 2002 6 K 727/98, EFG 2002, 1370, m.w.N.): Das FG hat zu Recht ausgeführt, dass diese Sicht zwar nach der für das Streitjahr geltenden Rechtslage den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (§ 253 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs i.d.F. vor der Geltung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. Mai 2009, BGBl I 2009, 1102), denen aber für den Bereich des Steuerrechts § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 vorgeht (§ 5 Abs. 6 EStG 1997).
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c) Schließlich sind die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 getroffene Regelung unbegründet. Denn wie im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 (dazu Senatsbeschluss in BFHE 226, 347) greift auch hier insoweit der Gedanke durch, dass die gesetzliche Regelung auf wirtschaftlich nachvollziehbaren Erwägungen beruht, weder unverhältnismäßig ist noch gegen den Gleichheitssatz verstößt und deshalb vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers abgedeckt ist.
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d) Die Berechnung des Abzinsungsbetrags durch das FG greift die Klägerin auch insoweit, als es um die Rückstellungen geht, nicht an. Der Senat erkennt in diesem Punkt ebenfalls keinen revisionsrechtlich erheblichen Fehler, weshalb das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene Frage, wie die in Rede stehenden Bilanzposten in den Abschlüssen für die Folgejahre zu bewerten sind, muss im Streitfall nicht erörtert werden.
Quelle: Bundesfinanzhof
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