Anfechtbarkeit der Lohnsteuer-Anmeldung durch Arbeitnehmer BFH Urteil I R 70/08
Lohnsteuererstattungsanspruch bei abkommenswidriger Lohnsteuereinbehaltung
1. Ein Arbeitnehmer kann die Lohnsteuer-Anmeldung des Arbeitgebers –soweit sie ihn betrifft– aus eigenem Recht anfechten. Nach dem Eintritt der formellen Bestandskraft der Lohnsteuer-Anmeldung kann der Arbeitnehmer eine Änderung der Anmeldung (§ 164 Abs. 2 AO) begehren.
2. Wird eine Zahlung des Arbeitgebers zu Unrecht dem Lohnsteuerabzug unterworfen, weil die Besteuerung der Zahlung abkommensrechtlich dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers zugewiesen ist, hat der Arbeitnehmer einen Erstattungsanspruch in analoger Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002, der gegen das Betriebsstätten-Finanzamt des Arbeitgebers zu richten ist (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
3. Eine Erfindervergütung für eine sog. Diensterfindung (§ 9 ArbnErfG) ist grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 EStG 2002) und unterfällt der beschränkten Steuerpflicht gemäß Â§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2002. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis im Augenblick der Zahlung nicht mehr besteht.
4. Da eine Vergütung gemäß § 9 ArbnErfG regelmäßig nicht als konkrete Gegenleistung für eine Arbeitsleistung anzusehen ist, handelt es sich nicht um ein zusätzliches Entgelt „für“ eine (frühere) Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk, so dass eine Besteuerung nur im Ansässigkeitsstaat des (früheren) Arbeitnehmers erfolgt.
EStG 2002 § 1 Abs. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, § 50d Abs. 1 Satz 2
DBA-USA 1989 Art. 12 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1
AO § 164 Abs. 2, § 168 Satz 1
ArbnErfG § 9
OECD-MustAbk Art. 15 Abs. 1
Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 70/08
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 10. Juli 2008 11 K 335/06 (EFG 2008, 1970)
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) begehrt die Änderung von Lohnsteuer-Anmeldungen bzw. die Erstattung von Lohnsteuerbeträgen, die auf Vergütungen für Diensterfindungen entfallen, die nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses von seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wurden.
Der Kläger war vor Beginn der Streitjahre (2004 und 2005) als Arbeitnehmer des Beigeladenen tätig. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte er in den Streitjahren weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Während seiner Anstellung hatte der Kläger im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses mehrere Erfindungen (sog. Diensterfindungen) gemacht. Der Beigeladene hatte von seinem Recht als Arbeitgeber, diese Erfindungen unbeschränkt in Anspruch zu nehmen (§ 4 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen –ArbnErfG– vom 25. Juli 1957, BGBl I 1957, 756), Gebrauch gemacht. Dafür erhielt der Kläger eine Vergütung (§ 9 ArbnErfG). Die Zahlungen, die von dem Beigeladenen dem Lohnsteuerabzug unterworfen wurden, waren Gegenstand der gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) abgegebenen Lohnsteuer-Anmeldungen. Für die streitbefangenen Anmeldungszeiträume 2004 und 2005 –mit Ausnahme der Anmeldungen Oktober und Dezember 2005– hat eine Lohnsteueraußenprüfung stattgefunden, die mit einem Nachforderungsbescheid vom 28. Februar 2006 geendet hat; dieser Bescheid, mit dem zugleich Vorbehalte der Nachprüfung entfielen, wurde nach einem Einspruch des Beigeladenen in der Form eines dem Einspruchsbegehren abhelfenden Bescheids vom 7. Juli 2006 bestandskräftig.
Am 13. März 2006 beantragte der Kläger, die in den Jahren 2004 und 2005 auf seine Vergütungen entfallende Lohnsteuer zu erstatten. Hilfsweise stellte er den Antrag, die Lohnsteuer-Anmeldungen des Beigeladenen insoweit zu ändern. Das FA lehnte diese Anträge ab. Im Ãœbrigen hatte der Kläger, nachdem ihm der gegen den Beigeladenen ergangene Nachforderungsbescheid bekannt geworden war, gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt; diesen Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2008 zurück. Die Klage gegen die Ablehnung des am 13. März 2006 erhobenen Begehrens mit dem Ziel, das FA zu einer Korrektur der Lohnsteuer-Anmeldungen zu verpflichten bzw. die Lohnsteuer an ihn zu erstatten, war mit dem Verpflichtungsbegehren erfolgreich (Niedersächsisches Finanzgericht –FG–, Urteil vom 10. Juli 2008 11 K 335/06, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2008, 1970).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, über die im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Hilfsanträge (Erstattung von … €; hilfsweise: Änderung der monatlichen Lohnsteuerfestsetzungen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2008 durch Reduzierung der angemeldeten Beträge um Lohnsteuer … € zzgl. Solidaritätszuschlag … € [April, Juli, Dezember 2004] bzw. um Lohnsteuer … € zzgl. Solidaritätszuschlag … € [Februar, März, Juli, August 2005]) zu entscheiden.
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß Â§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das FA verpflichtet ist, die Lohnsteuer-Anmeldungen des Beigeladenen zu ändern (Anmeldungszeiträume Oktober und Dezember 2005); im Ãœbrigen ist das FA verpflichtet, dem Kläger die bei der Zahlung der Vergütungen einbehaltene Lohnsteuer zu erstatten (Anmeldungszeiträume April, Juli und Dezember 2004 sowie Februar, März, Juli und August 2005).