Anfechtbarkeit der Lohnsteuer-Anmeldung durch Arbeitnehmer BFH Urteil I R 70/08
1. Das FG hat die Zulässigkeit der Klage zu Recht bejaht.
a) Ein Arbeitnehmer kann die Lohnsteuer-Anmeldung des Arbeitgebers –soweit sie ihn betrifft– aus eigenem Recht anfechten (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 20. Juli 2005 VI R 165/01, BFHE 209, 571, BStBl II 2005, 890; Senatsurteil vom 12. Oktober 1995 I R 39/95, BFHE 179, 91, BStBl II 1996, 87). Dieses Anfechtungsrecht ist wegen der unterschiedlichen Bedeutung von Lohnsteuer-Anmeldung und Lohnsteuer-Bescheinigung davon unberührt, dass der Arbeitnehmer nach der Ãœbermittlung der Lohnsteuer-Bescheinigung eine Änderung dieser Bescheinigung nicht mehr verlangen kann (§ 41c Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG 2002–; s. dazu BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 VI R 57/04, BFHE 220, 124, BStBl II 2008, 434).
Wenn aber ein Anfechtungsrecht gegen die Lohnsteuer-Anmeldung besteht, ist damit zugleich die Möglichkeit eingeräumt, nach dem Eintritt formeller Bestandskraft gegenüber dem FA eine Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung zu begehren. Die Lohnsteuer- Anmeldung (§ 41a Abs. 1 EStG 2002) steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 der Abgabenordnung –AO–). Insoweit konnte der Kläger eine Korrektur der –seine Vergütungen betreffenden– Lohnsteuer- Anmeldungen auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 AO verlangen, soweit ein Vorbehalt der Nachprüfung im Zeitpunkt der Antragstellung noch bestand. Die Weigerung des FA, eine Änderung durchzuführen, konnte er auch im Finanzrechtsweg gerichtlich überprüfen lassen.
b) Ein Vorbehalt der Nachprüfung war für einen Teil der hier streitigen Anmeldungszeiträume (April, Juli und Dezember 2004 sowie Februar, März, Juli und August 2005) durch den Erlass des Nachforderungsbescheids, mit dem zugleich der gesetzliche Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, entfallen. Dass dieser Nachforderungsbescheid dem Kläger gegenüber nicht bekannt gegeben wurde, ändert an seiner Rechtswirksamkeit durch ordnungsgemäße Bekanntgabe an den Arbeitgeber (den Beigeladenen als Adressat des Bescheids) nichts. Ebenso wenig wird die Wirksamkeit der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung durch das von dem Beigeladenen geführte Einspruchsverfahren berührt.
c) Für die von dem Nachforderungsbescheid nicht betroffenen Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume Oktober und Dezember 2005 hat der Kläger beim FA rechtswirksam einen Antrag auf Änderung gemäß Â§ 164 Abs. 2 AO gestellt.
2. Das FA war verpflichtet, dem Änderungsbegehren des Klägers zu den Lohnsteuer-Anmeldungszeiträumen Oktober und Dezember 2005 nachzukommen. Im Ãœbrigen (Anmeldungszeiträume April, Juli und Dezember 2004 sowie Februar, März, Juli und August 2005) steht dem Kläger ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 (analog) zu. Denn der Beigeladene hatte die Zahlungen an den Kläger zu Unrecht dem Lohnsteuerabzug unterworfen.
a) Die streitigen Zahlungen unterfallen als „andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen“ den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG 2002.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH für den Bereich des § 19 Abs. 1 EStG 2002 werden Vorteile „für eine Beschäftigung“ gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind (z.B. BFH-Urteile vom 26. Juni 2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886; vom 10. Mai 2006 IX R 82/98, BFHE 213, 487, BStBl II 2006, 669; vom 26. Juli 2006 VI R 49/02, BFHE 214, 373, BStBl II 2006, 917). Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642) und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.
bb) Der Kläger hat nach den Feststellungen des FG in den Anwendungsbereich des ArbnErfG fallende Erfindungen bzw. technische Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die nach Maßgabe des § 6 ArbnErfG von seinem Arbeitgeber unbeschränkt in Anspruch genommen worden sind. Insoweit räumt § 9 Abs. 1 ArbnErfG „dem Arbeitnehmer“ einen Anspruch auf angemessene Vergütung ein; bei der Bemessung sind insbesondere die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Diensterfindung, die Aufgaben und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie der Anteil des Betriebs an dem Zustandekommen der Diensterfindung maßgebend (§ 9 Abs. 2 ArbnErfG). Mit der Vergütung nach § 9 ArbnErfG werden zwar nicht die vom Arbeitnehmererfinder im Hinblick auf die Erfindung geleisteten Arbeiten und Dienste honoriert, sondern es wird die dem Arbeitgeber kraft Gesetzes zugewachsene wirtschaftliche Monopolstellung abgegolten (BFH-Urteil vom 26. Januar 2005 VI R 43/00, BFH/NV 2005, 888, m.w.N.). Die Vergütungen können jedoch aus dem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nicht herausgelöst werden, was nicht zuletzt die Parteibezeichnung des Schuldverhältnisses in § 9 Abs. 1 ArbnErfG und die gerichtliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für festgestellte Leistungsansprüche (§ 39 Abs. 2 ArbnErfG) deutlich machen. Dass über Art und Höhe der Vergütung eine besondere Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffen wird (§ 12 Abs. 1 ArbnErfG), überlagert die durch das Dienstverhältnis begründete Veranlassung der Vergütung nicht. Dies gilt auch für den Umstand, dass der zeitliche Umfang der Vergütungspflicht an die Nutzung der Erfindung im Betrieb anschließt und nicht an den Bestand des Arbeitsverhältnisses. § 26 ArbnErfG sieht im Ãœbrigen ausdrücklich vor, dass die Rechte und Pflichten aus diesem Gesetz durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt werden.
Die Vergütungen sind auch nicht als im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses geleistete Vergütungen für die permanente Gewährung der Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Erfindung anzusehen. Diese Rechte waren nämlich nach § 7 Abs. 1 ArbnErfG bereits mit der unbeschränkten Inanspruchnahme der Diensterfindung auf den Arbeitgeber übergegangen, so dass für eine zusätzliche entgeltliche Nutzungsgestattung durch den Kläger weder Anlass noch Möglichkeit bestand. Dass unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Â§ 16 Abs. 1 ArbnErfG die Nutzungsrechte an einer Diensterfindung an den Arbeitnehmererfinder zurück zu übertragen sind, ändert nichts an dem nach § 7 Abs. 1 ArbnErfG vollzogenen Rechtsübergang. Im Ãœbrigen richtete sich die Höhe der Vergütung auch nicht nach der Dauer der jeweils gewährten Nutzungsüberlassung (s. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 888).
cc) Wenn damit eine Erfindervergütung für Diensterfindungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen ist (BFH-Urteil vom 26. Juni 1970 VI R 193/67, BFHE 100, 25, BStBl II 1970, 824; BFH-Beschluss vom 26. Mai 1994 IV B 33/93, BFH/NV 1995, 102; BFH-Urteile vom 23. April 2003 IX R 57/99, BFH/NV 2003, 1311; in BFH/NV 2005, 888; Breinersdorfer in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 19 Rz A 39; Thürmer in Blümich, EStG/ KStG/GewStG, § 19 EStG Rz 280 „Arbeitnehmererfindungen“; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, „Diensterfindung“ Rz 6 f.; Küttner, Personalbuch 2008, „Arbeitnehmererfindung“ Rz 29), wird diese Einkünftezuordnung durch den Umstand, dass das Arbeitsverhältnis in den streitbefangenen Voranmeldungszeiträumen 2004 und 2005 nicht mehr bestand, nicht gehindert. Der Rechtsgrund der Zahlung (uneingeschränkte Inanspruchnahme der Diensterfindung durch den Arbeitgeber) bleibt ebenso wie der Anspruch des Klägers von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses unberührt.
b) Der Kläger ist mit diesen Zahlungen in den streitigen Zeiträumen beschränkt steuerpflichtig i.S. des § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2002. Die Zahlungen an eine i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2002 beschränkt steuerpflichtige Person unterliegen grundsätzlich dem Lohnsteuerabzug. Ãœber den Umfang des Einbehalts besteht (der Höhe nach) zwischen den Beteiligten kein Streit.