Anfechtbarkeit der Lohnsteuer-Anmeldung durch Arbeitnehmer BFH Urteil I R 70/08
c) Ein Lohnsteuerabzug war im Streitfall aber ausgeschlossen. Denn auch wenn dem Beigeladenen eine Bescheinigung gemäß § 39d Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 39b Abs. 6 EStG 2002 bei der Auszahlung der Vergütung nicht vorlag, ist der Lohnsteuerabzug von der doppelbesteuerungsrechtlichen Qualifizierung der Vergütung abhängig (z.B. Senatsurteil vom 10. Mai 1989 I R 50/85, BFHE 157, 142, BStBl II 1989, 755). Die Frage, welchem Vertragsstaat nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 –DBA-USA 1989– (BGBl II 1991, 355) die Besteuerung zugesprochen wird, ist im Ergebnis im Sinne des Klägers zu entscheiden.
aa) Die doppelbesteuerungsrechtliche Qualifizierung von Arbeitnehmererfindervergütungen ist streitig. So wird zum einen vertreten, dass wegen der engen Verknüpfung der Vergütungen mit der nichtselbständigen Tätigkeit Art. 15 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) anzuwenden ist (Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 14; Hartz/Meeßen/Wolf, a.a.O., „Diensterfindung“ Rz 8; wohl auch von Pannwitz in Haase, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, MA Art. 12 Rz 15). Demgegenüber befürworten andere eine Zuordnung zu Art. 12 OECD-MustAbk (Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 12 Rz 10; wohl auch Grützner in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 12 OECD-MA Rz 17). Darüber hinaus ist streitig, ob ein etwaiger Zusammenhang mit der nichtselbständigen Tätigkeit auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen bleibt (so Hartz/Meeßen/Wolf, a.a.O., „Diensterfindung“ Rz 8; a.A. –für eine Anwendung von Art. 12 OECD-MustAbk– Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 12 MA Rz 13b; Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 12 Rz 10; von Pannwitz in Haase, a.a.O., MA Art. 12 Rz 15, und Grützner in Gosch/Kroppen/ Grotherr, a.a.O., Art. 12 OECD-MA Rz 17; wieder anders –für eine Qualifizierung als Ruhegehaltsbezüge i.S. des Art. 18 OECD-MustAbk– Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 12 Rz 4).
bb) Die doppelbesteuerungsrechtliche Qualifizierung von Arbeitnehmererfindervergütungen kann im Streitfall offenbleiben. Denn das Besteuerungsrecht liegt in allen Entscheidungsvarianten im Ansässigkeitsstaat des Klägers (USA), nicht aber in Deutschland.
aaa) Art. 12 Abs. 1 DBA-USA 1989 sieht vor, dass Lizenzgebühren, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person als Nutzungsberechtigter bezieht, nur in diesem Staat (d.h. dem Ansässigkeitsstaat) besteuert werden können.
bbb) Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989 sieht eine Besteuerung von Vergütungen aus unselbständiger Arbeit im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers vor, „es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt“. Auf diesen Vorbehalt nimmt Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1989 Bezug, indem dort die Besteuerung für „die dafür bezogenen Vergütungen“ dem Tätigkeitsstaat zugewiesen wird.
Wie der Senat zu Abfindungszahlungen an einen aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer wiederholt entschieden hat, handelt es sich bei diesen Zahlungen unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MustAbk) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2002) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MustAbk. Denn sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut („dafür“) indes nicht (zuletzt Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 111/08, Deutsches Steuerrecht 2009, 2235, und I R 90/08, Internationales Steuerrecht 2009, 817, m.w.N.). Da auch die an den Kläger gezahlte Erfindervergütung lediglich einen Anlasszusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit aufweist, aber nicht als konkrete Gegenleistung zu einer früheren Arbeitsleistung anzusehen ist (s. zu II.2.a), kommt doppelbesteuerungsrechtlich eine Besteuerung nur durch den Ansässigkeitsstaat in Betracht.
d) Wenn damit ein Lohnsteuerabzug ausgeschlossen war, ist dem Verpflichtungsbegehren des Klägers –soweit die Lohnsteuer-Anmeldungen noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen– vom FG zu Recht entsprochen worden; im Ãœbrigen besteht auf der Grundlage der im Klageverfahren wegen des Erfolgs des Hauptantrags unbeschieden gebliebenen Hilfsanträge des Klägers, über die im Revisionsverfahren entschieden werden kann (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 123 Rz 2), ein Erstattungsanspruch gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 (analog).
Denn der Senat hat insoweit wiederholt entschieden, dass die Vorschriften über den Abzug und die Bemessung der Kapitalertragsteuer hinter die Regelung über den Umfang der beschränkten Steuerpflicht zurücktreten. Deshalb ist eine Kapitalertragsteuer, die über die Steuerpflicht von Einkünften nach Maßgabe des § 49 EStG 2002 hinausgeht, ohne materiell-rechtlichen Grund erhoben und in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 zu erstatten (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. Dezember 1984 I R 31/82, BFHE 143, 416). Es entspricht zudem ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass von steuerbefreiten Einnahmen keine Steuer abgezogen werden darf (Senatsurteil vom 27. Juli 1989 I R 28/87, BFHE 155, 479, BStBl II 1989, 449). Da diese Maßgaben auch im Bereich des Lohnsteuerabzugs Geltung beanspruchen können, führen sie zu der vom Kläger begehrten Erstattung, da Deutschland abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht für die an den Kläger gezahlten Erfindervergütungen nicht zusteht.
Quelle: Bundesfinanzhof