Begrenzung der Leiharbeit – Mehr Mitbestimmung – Mindestlöhne – Sozialer Arbeitsmarkt
Leih- und Zeitarbeit, die ursprünglich dazu dienen sollten, Ãœberstunden abzubauen und Arbeitsplätze neu zu schaffen, gefährden normale und tarifgebundene Arbeitsplätze und haben eine Funktion als „Lohndrücker“ für viele Arbeitnehmer beim Lohn einen „Fahrstuhl nach unten“ geschaffen. Weil Mindestlöhne fehlen, werden faire Unternehmen mit Tariflöhnen im Handel, im Handwerk und im Dienstleistungssektor zunehmend vom Markt verdrängt. Ihre Wettbewerber setzen sich durch, weil die von ihnen gezahlten Armutslöhne staatlich dauersubventioniert werden. CDU/CSU/ und FDP wollen diesen unfairen Wettbewerb auf dem Rücken von fairen Unternehmen und ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch eine Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten bei den sogenannten „Hartz IV-Empfänger/innen“ sogar noch ausdehnen. Gleichzeitig finden viele, die arbeiten wollen, keine Beschäftigungsmöglichkeit.
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In Deutschland muss auf dem Arbeitsmarkt wieder Ordnung geschaffen werden. Dazu gehören Spielregeln, die den Unternehmen ebenso helfen wie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Arbeit, von der man leben kann und Beschäftigungsangebote für diejenigen, die derzeit keine Chance auf einen Arbeitsplatz im sogenannten „ersten Arbeitsmarkt“ haben.
Die folgenden Vorschläge wollen wir bis zum SPD-Bundesparteitag im September 2010 in öffentlichen Veranstaltungen mit Gewerkschaften, Unternehmern, Wissenschaft, Sozialverbänden, Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit beraten. Auf dem SPD-Bundesparteitag werden wir unsere Grundsätze für die Arbeitsmarktpolitik dann endgültig neu fassen und verabschieden.
III. Normalarbeitsverhältnis für Frauen ermöglichen
Die meisten Frauen wollen ebenso wie Männer ein Normalarbeitsverhältnis mit einer Existenz sichernden Bezahlung. Die Realität am Arbeitsmarkt sieht allerdings anders aus. Die Zahl der in Teilzeit beschäftigten Frauen steigt stetig an, während die Zahl der in Vollzeit beschäftigten Frauen mehr oder weniger stagniert.
Fast 40 Prozent aller erwerbstätigen Frauen arbeiten in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit. Hinzu kommt eine ständig steigende Zahl von Frauen, die ausschließlich einem Minijob nachgehen. Häufig nicht, weil sie es so wollen, sondern weil sie wegen fehlender Vollzeitstellen und wegen fehlender Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren, keine andere Wahl haben, um den Anschluss an ihren Beruf nicht vollständig zu verlieren.
Mit der Teilzeitbeschäftigung gehen geringere Aufstiegschancen, weniger Qualifizierungsangebote und eine niedrige soziale Absicherung einher.
Darüber hinaus erhalten Frauen bei gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit im Durchschnitt 23 Prozent weniger Lohn als Männer. Selbst bei gleicher Ausbildung, gleichem Alter und gleichem Beruf sind es immer noch 12 Prozent. Freiwillige Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung, diese Lohndiskriminierung zu beenden, haben in den vergangenen Jahren zu nichts geführt. Die SPD will deshalb verbindliche gesetzliche Regelungen einführen, auf die sich Frauen berufen können, wenn sie von Lohndiskriminierung betroffen sind.
Besonders schwer haben es Alleinerziehende am Arbeitsmarkt, die ohne Partner Beruf und Familie in Einklang bringen müssen und für sich und ihre Kinder ein Existenz sicherndes Einkommen erzielen müssen. Insbesondere Alleinerziehende brauchen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bessere Rahmenbedingungen durch den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur und durch gezielte Maßnahmen der Arbeitsförderung sowie den Zugang zu Qualifizierungsangeboten.
IV. Leih- und Zeitarbeit begrenzen: Das Normalarbeitsverhältnis stärken.
Immer noch sind die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unbefristet bei ihren Arbeitgebern beschäftigt. Aber die Zahl derjenigen, die mit unsicheren Arbeitsverhältnissen zu kämpfen haben nimmt zu. Das liegt vor allem an der Zunahme von Leiharbeit und befristeter Beschäftigung.
Arbeitsplatzsicherheit ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von großer Bedeutung. Ein sicherer Arbeitsplatz ermöglicht, dass man sein Leben planen kann. Ob ein Arbeitsplatz sicher ist, entscheiden vor allem wirtschaftliche Umstände. Aber das Recht der Arbeitsbeziehungen ist von kaum geringerer Bedeutung. Deshalb ist es notwendig, das klassische, unbefristete Arbeitsverhältnis zu stärken.
Die Leiharbeit ist heute weniger ein Instrument der Flexibilität als der Lohndrückerei. Deshalb ist es vernünftig, die Arbeitnehmerüberlassung wieder auf ihre historische Funktion als Instrument für mehr Flexibilität bei Auftragsspitzen beschränken. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit soll der Grundsatz, „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ ohne Ausnahme gelten. Um den schlimmsten Missbräuchen zu begegnen, ist eine Lohnuntergrenze notwendig. Am einfachsten wäre es, die Leiharbeitsbranche in den Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendungsgesetzes aufzunehmen. Die zunehmend verbreitete konzerninterne Verleihung durch Leiharbeitsgesellschaften der Unternehmen muss begrenzt werden. Und die Betriebsräte in den Entleihbetrieben brauchen Mitbestimmungsrechte zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Einsatzes der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer und des Umfangs und der Dauer der Leiharbeit. Folgerichtig sollen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl für die betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte mitgezählt werden. Vor allem aber soll wieder der Grundsatz durchgesetzt werden, dass Leiharbeitnehmer bei wechselnden Unternehmen eingesetzt werden; aber unbefristet bei den Leiharbeitsunternehmen beschäftigt werden.
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Deshalb soll die Befristung eines Leiharbeitsverhältnisses und die Koppelung der Befristung an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) außerhalb der Probezeit unzulässig sein.
Die mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz der Regierung Kohl/Blüm ermöglichte sachgrundlose Befristung hat sich nicht bewährt. Mittlerweile ist es nicht selten, dass manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur befristete Arbeitsverhältnisse angeboten bekommen. Keineswegs, weil das aus unternehmerischer Sicht geboten ist, sondern weil die rechtliche Gelegenheit dazu besteht. Deshalb sollte der Gesetzgeber, diese Entwicklung wieder umkehren und die sachgrundlose Befristung wieder abschaffen. Auch hinsichtlich der Zahl der befristet Beschäftigten im Betrieb müssen die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht erhalten.
Praktikantinnen und Praktikanten müssen besser abgesichert werden als das heute der Fall ist. Für viele wird das Praktikum zur Sackgasse.
In einer Volkswirtschaft, die ständig auf neue und schnell wechselnde Herausforderungen reagieren muss, ist Flexibilität auch in den Arbeitsbeziehungen unvermeidbar. Die deutsche Volkswirtschaft hat heute – auch im Zusammenspiel von Tarifpartnern und Politik – neue Flexibilitätsspielräume entwickelt, die an kollektiven Handlungsstrategien ansetzen, die zielführend und zugleich sozial verträglich sind, ohne dass das einzelne Arbeitsverhältnis unsicherer wird. Die Unternehmen können auf die zahlreichen tarifvertraglichen Regelungen, mit denen auf wirtschaftliche Schwierigkeiten ganzer Brachen oder einzelner Unternehmen reagiert werden kann, zurückgreifen. Diese Regelungen haben sich gerade jetzt in der Krise bewährt. Das gilt auch für die Kurzarbeit, die Deutschland in die Lage versetzt hat, mit einer schwierigen ökonomischen Bedrohung umzugehen, ohne dass die Beschäftigung in dem Maße darunter zu leiden hat, wie das wegen des Rückgangs der Wirtschaftsleistung eigentlich anzunehmen gewesen wäre. Die Erfahrungen mit der Kurzarbeit müssen genutzt und die Kurzarbeit auf Basis der in der Krise genutzten rechtlichen Handlungsinstrumente weiterentwickelt werden.
Und für die langfristige Flexibilität können die Unternehmen Arbeitszeitkonten nutzen. Sie können über viele Jahrzehnte angespart und entspart werden. Die rechtlichen Instrumente sind dazu geschaffen.
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