Onlinerechner:   Vergleiche: Steuersparprogramme:


BFH I R 102/08 Passivierung "angeschaffter" Drohverlustrückstellungen


Seiten: 1 2


11
3. Der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung von Anschaffungsvorgängen findet auch auf übernommene Passivpositionen und hierbei unabhängig davon Anwendung, ob der Ausweis dieser Passivpositionen in der Steuerbilanz einem –von der Handelsbilanz abweichenden– Ausweisverbot ausgesetzt ist.


.

Denn auch die Ãœbernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 I R 61/06, BFHE 219, 529, BStBl II 2008, 555, m.w.N.) und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten. Das gilt auch für das entsprechende Verbot in § 5 Abs. 4a EStG 1997. Denn dieses Verbot will –lediglich– am Stichtag bereits vorhandene Verluste entgegen den Vorgaben des (handels-)bilanzrechtlichen Imparitätsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB) auf künftige Veranlagungszeiträume verlagern: Steuerbilanziell wird der Verlust aus schwebenden Geschäften erst bei seiner Realisation effektuiert, nicht bereits bei seiner Entstehung. Wird der verlustbedrohte Vertrag aber entgeltlich gegen Schuldübernahme erworben, dann ist der Erwerber im Verhältnis zum Veräußerer verpflichtet, ihn von der gegenüber dem Gläubiger der Schuld weiter bestehenden Zahlungspflicht –im Streitfall die Verpflichtung zur Mietzahlung– freizustellen. Bei dieser Freistellungsverpflichtung handelt es sich nicht um den Teil eines schwebenden Geschäfts; denn das Geschäft wurde infolge des Erwerbsvorgangs bereits erfüllt. Die Freistellungsverpflichtung ist mithin vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz nach den für ungewisse Verbindlichkeiten geltenden Grundsätzen und nicht als Drohverlustrückstellung zu passivieren (zutreffend Bogenschütz, Die Unternehmensbesteuerung –Ubg– 2008, 135, 139; im Ergebnis ebenso Ley, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2007, 589, 591 f.; Hoffmann, GmbH-Steuerberater 2009, 144, 145; Koch, Betriebs-Berater 2008, 2736). Der Bildung eines besonderen Ausgleichspostens, um die Bewertungsdifferenz anderweitig „abzufangen“ (vgl. dazu Ley, DStR 2007, 589, 591; s. auch –aber aus Sicht des Erwerbers für den umgekehrten Fall einer Entgeltzuzahlung– Senatsurteil in BFHE 213, 374, BStBl II 2006, 656), bedarf es dazu nicht.


.

12
4. Den dagegen gerichteten Einwendungen des BMF und des FA ist nicht beizupflichten.

13
a) Insbesondere geht es fehl, den eigentlichen Anschaffungsvorgang von der (nachfolgenden) Bilanzierung auf den Bilanzstichtag und auf diese Weise den erfolgsneutralen Anschaffungsvorgang und den rückstellungsgesperrten Bilanzansatz voneinander zu trennen. Umfang und Höhe der Anschaffungskosten werden durch tatsächliche Gegebenheiten bestimmt. In diesem Umfang und in jener Höhe, in denen sie tatsächlich entstanden sind, gehen sie erfolgsneutral in die (nachfolgende) Bilanzierung ein und darf ihr Bewertungsansatz dabei (nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997) weder über- noch unterschritten werden. Das betrifft auch „miterworbene“ Schulden in Gestalt –ursprünglich– drohender Verluste aus schwebenden Geschäften, die als solche einem steuerlichen Ausweisverbot unterworfen sind. Andernfalls würde genau jener „Erwerbsgewinn“ ausgewiesen, der dem Anschaffungskostenbegriff und –verständnis fremd ist (zutreffend Bogenschütz, Ubg 2008, 135, 140).

14
b) Ob sich ein abweichendes Ergebnis für die hier in Rede stehende Problematik ergeben könnte, wenn die Klägerin durch eine wechselseitige Vereinbarung mit der M-GmbH als Veräußerin und den Vermietern eine Vertragsübernahme in der Weise vereinbart hätte, dass die Klägerin an Stelle der Veräußerin in die Mietverträge eingetreten wäre, kann dahinstehen (vgl. dazu Ley, DStR 2007, 589, 591). Für eine solche –vom BMF erwogene– Annahme gibt der vom FG festgestellte und den Senat bindende (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) Sachverhalt nichts her.

15
5. Angesichts der vorstehenden Ergebnisse erübrigen sich schließlich Ãœberlegungen dazu, ob nach den Maßstäben des sog. subjektiven Fehlerbegriffs einerseits die Klägerin sich an der gewählten und im Bilanzierungszeitpunkt „richtigen“ Bilanzierung festhalten lassen muss, andererseits aber auch das FA nicht (mehr) berechtigt ist, diese Bilanzierung zu korrigieren, wenn es sie zunächst im Rahmen der Steuerveranlagung erklärungsgemäß hingenommen hat (Senatsurteil vom 5. Juni 2007 I R 47/06, BFHE 218, 221, BStBl II 2007, 818; vgl. dazu Werra/Rieß, Der Betrieb 2007, 2502; Rödder/Hageböke, Ubg 2008, 401; Gosch, BFH/PR 2008, 336; Pohl, Finanz-Rundschau 2009, 279).

Quelle: Bundesfinanzhof


.



Kommentieren

Links: