Onlinerechner:   Vergleiche: Steuersparprogramme:


BFH I R 3/09 nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises bei der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile


Seiten: 1 2 3 4


Im Anschluss an diese Verständigung reichte die Klägerin am 7. April 2005 eine geänderte Kapitalertragsteueranmeldung ein, der der geminderte Kaufpreis zu Grunde lag. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) lehnte es ab, dem gemäß § 168 der Abgabenordnung (AO) zuzustimmen. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf war im in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 723 veröffentlichten Urteil vom 18. September 2008 16 K 2635/07 KE der Auffassung, nicht sämtliche mit Vertrag vom 23. Januar 2002 veräußerten Anteile seien einbringungsgeboren, und gab insoweit der Klage statt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Änderung der Kapitalertragsteuerfestsetzung hielt es jedoch nicht für gegeben. Die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises sei kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Die Klägerin rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen worden ist, und das FA zu verpflichten, der geänderten Kapitalertragsteueranmeldung vom 14. März 2006 zuzustimmen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage. Die Kapitalertragsteueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Das FA ist verpflichtet, der geänderten Kapitalertragsteueranmeldung vom 5. April 2005 zuzustimmen, da die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises steuerlich auf den Zeitpunkt der Ãœbertragung der Anteile rückwirkt.

1. Die Kapitalertragsteuer knüpft an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an. Sie erhöht oder vermindert sich, wenn dieser Sachverhalt sich im Nachhinein ändert und die Änderung steuerliche Rückwirkung entfaltet. Dem muss dann durch eine entsprechende Änderung der Steuerfestsetzung Rechnung getragen werden.

2. Wann ein Sachverhalt in diesem Sinne steuerlich zurückwirkt, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Es genügt aber nicht, dass das spätere Ereignis den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muss sich auch steuerrechtlich in der Weise auswirken, dass nunmehr der geänderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Ob diese Voraussetzung vorliegt, entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648). Die insoweit maßgeblichen Kriterien ergeben sich insbesondere aus der Rechtsprechung zum „rückwirkenden Ereignis“ i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

3. Bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer sind die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert (BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur insoweit, als die einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen nicht bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Eine solche Rechtslage ist insbesondere bei Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen, und bei denen nachträgliche Änderungen nicht in einer Folgebilanz oder nach den Grundsätzen des Zuflussprinzips in einem späteren Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden können.

a) Die Rechtsprechung hat dies zum einen bei Veräußerungsgewinnen i.S. des § 16 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), zum anderen bei solchen nach § 17 Abs. 2 EStG angenommen und eine rückwirkende Korrektur des Sachverhalts unabhängig davon für geboten erachtet, ob das Ereignis, das für eine Änderung des Veräußerungsgewinns ursächlich war, erst nach dem Zeitpunkt der Veräußerung eingetreten ist. Es kommt auch nicht darauf an, welche Gründe rechtlicher oder tatsächlicher Art zu der rückwirkenden Sachverhaltsänderung geführt haben; insbesondere ist es unerheblich, ob diese „im Kern“ bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt waren (BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 41 AO Rz 119; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 175 Rz 62; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 175 AO Rz 65; Bordewin, Finanz-Rundschau –FR– 1994, 555, 559).

b) Dementsprechend hat der BFH nach Ãœbertragung einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG und vollständiger Bezahlung des Kaufpreises den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs, mit dem die Vertragsparteien den Rechtsstreit über den Eintritt einer im Kaufvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung beigelegt hatten, als ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung beurteilt (Urteil vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107). Ebenso hat er die Herabsetzung des Kaufpreises für einen Betrieb aufgrund von Einwendungen des Käufers über die Berechnungsgrundlage des Kaufpreises durch einen außergerichtlichen Vergleich (BFH-Urteil vom 23. Juni 1988 IV R 84/86, BFHE 154, 85, BStBl II 1989, 41), sowie die Beilegung eines Streits nach Betriebsaufgabe über eine Schadensersatzforderung durch einen außergerichtlichen Vergleich (Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564) als rückwirkende Ereignisse angesehen.



Kommentieren

Links: