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BFH I R 4/08 Abzinsung unverzinslicher Gesellschafterdarlehen – eigenkapitalersetzende Darlehen als Fremdkapital


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3. Nach Ansicht der Klägerin ist die vom FA vorgenommene Abzinsung vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht gedeckt. Das in Rede stehende Darlehen sei nämlich auf unbestimmte Zeit gewährt worden und habe daher nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden können (§ 609 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung; § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung). Es sei mithin als Darlehen mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten anzusehen, so dass es gemäß Â§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG nicht der Abzinsung unterliege. Dem ist nicht zu folgen.

a) Ob Darlehen mit unbestimmter Laufzeit der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG unterfallen, ist streitig (bejahend van de Loo, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2000, 508, 510; Paus, Finanz-Rundschau 2005, 1195, 1198). Das FG hat diese Frage in Ãœbereinstimmung mit der Verwaltungsansicht (Bundesministerium der Finanzen –BMF–, Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699, Tz. 6) und der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung (Korn/Strahl in Korn, Einkommensteuergesetz, § 6 Rz 367; Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., § 6 Rz 402; Fischer in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 6 Rz 148; Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 6 EStG Rz 1144; wohl auch Prinz, DStR 2000, 661, 668) verneint. Dem pflichtet der Senat bei.

Es trifft zwar zu, dass der Schuldner eines Darlehens ohne feste Laufzeit gedanklich stets mit dessen fristgerechter Kündigung und einer daran anschließenden Rückzahlungspflicht rechnen muss. Ebenso ist richtig, dass ein Erwerber des Schuldnerbetriebs die Gefahr einer alsbaldigen Kündigung jedenfalls dann in seine Preisvorstellungen einkalkulieren wird, wenn er nicht entweder zugleich die Darlehensforderung erwirbt oder eine Änderung des Darlehensvertrags im Sinne einer längeren Befristung erreichen kann. Darauf kann aber im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG nicht entscheidend abgestellt werden.

Denn das Gebot der Abzinsung von Verbindlichkeiten beruht ebenso wie das ihm entsprechende Abzinsungsgebot für Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG) auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht. Daher ist es sachgerecht, die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG vorrangig am Gesichtspunkt der tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung auszurichten. Diese aber hängt nicht nur von der zivilrechtlichen Ausgangslage, sondern vorrangig davon ab, auf eine wie lange Zeit der Schuldner nach den tatsächlichen Verhältnissen mit einer Ãœberlassung des Kapitals rechnen kann. Daran ist deshalb auch bei einem auf unbestimmte Zeit gewährten Darlehen die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG zu orientieren.

b) Für eine solche Sachbehandlung spricht zudem die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur bewertungsrechtlichen Behandlung der Problematik. Die dortige gesetzliche Ausgangslage ist dadurch gekennzeichnet, dass nach § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) eine Verbindlichkeit stets mit 5,5 % abzuzinsen ist, wenn ihre Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und sie zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig ist; darüber hinaus kommt eine Abzinsung gemäß Â§ 12 Abs. 1, 2. Halbsatz BewG in Betracht, wenn besondere Umstände einen geringeren Wert begründen. Dazu hat der BFH wiederholt entschieden, dass die Unverzinslichkeit eines Darlehens in Verbindung mit dessen längerfristiger Unkündbarkeit eine Anwendung des § 12 Abs. 1, 2. Halbsatz BewG rechtfertigt, also unabhängig von den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 BewG zur Abzinsung führen kann (Senatsurteil vom 20. Januar 1988 I R 146/85, BFHE 152, 265, 268, BStBl II 1988, 372, 374, m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist er davon ausgegangen, dass bei unbefristeten Verbindlichkeiten ungeachtet einer formalen Kündigungsmöglichkeit darauf abzuheben ist, welche Laufzeit sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nach den Umständen des Falles ergibt (BFH-Urteil vom 22. Februar 1974 III R 5/73, BFHE 111, 534, BStBl II 1974, 330; vgl. auch BFH-Urteil vom 10. Februar 1982 II R 3/80, BFHE 135, 214, 216, BStBl II 1982, 351, 352). Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG lehnt sich inhaltlich an die bewertungsrechtlichen Maßstäbe an, wobei sie jedoch im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 BewG nicht darauf abstellt, dass die Verbindlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Das spricht dafür, im Hinblick auf die Frage nach der Laufzeit eines unbefristeten Darlehens die zu § 12 Abs. 1, 2. Halbsatz BewG entwickelten Grundsätze auf das Ertragsteuerrecht zu übertragen.

4. Ebenso kann die Klägerin nicht mit dem Vortrag durchdringen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG auf Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter nicht anwendbar sei, da ein solches Vorgehen dem Zweck der Vorschrift nicht entspreche. Denn bei einem Gesellschafterdarlehen mindert der Aufschub der Rückzahlungspflicht die wirtschaftliche Belastung des Darlehensnehmers nicht anders als bei einem von einem Dritten gewährten Darlehen. Der Gedanke, der § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG zu Grunde liegt, trägt daher in beiden Fällen gleichermaßen. Ebenso kann im Fall des Gesellschafterdarlehens ein Absehen von der Abzinsung nicht auf die Annahme gestützt werden, dass die Unverzinslichkeit wirtschaftlich durch erhöhte Ausschüttungen an den Gesellschafter ausgeglichen wird (ebenso Groh, Der Betrieb –DB– 2007, 2275, 2279; Glanegger in Schmidt, a.a.O, § 6 Rz 402). Schließlich kann die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG auf Gesellschafterdarlehen nicht aus der Ãœberlegung heraus unterbleiben, dass durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vorgänge generell das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht beeinflussen dürfen (so z.B. Korn in Gosch/Korn/Strahl, Steuerrechtsprechungs-Forum 2008/2009, S. 284); selbst wenn ein dahin gehender Grundsatz besteht, muss er in der hier zu beurteilenden Situation jedenfalls dem Gedanken weichen, dass Nutzungsvorteile nicht Gegenstand einer (verdeckten) Einlage sein können (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) und dass deshalb die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kein Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung zwischen Gesellschafterdarlehen und Fremddarlehen sein kann. Angesichts dessen scheidet die von der Klägerin befürwortete teleologische Reduktion der gesetzlichen Regelung aus.



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