BFH I R 55/08 Gemeinnützigkeit eines Wettbewerbsvereins
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß Â§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger weder von der Körperschaftsteuer noch von der Gewerbesteuer befreit ist.
1. Der Kläger unterliegt als eingetragener Verein gemäß Â§ 1 Abs. 1 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) der Körperschaftsteuer. Er ist aber von ihr befreit, wenn er nach seiner Satzung und seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S. der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung (AO) dient (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG). Seine Steuerbefreiung hängt hiernach insbesondere davon ab, dass der Kläger im Interesse der Allgemeinheit ausschließlich und selbstlos einen der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke verfolgt und dass sich seiner Satzung ein dahin gehender Zweck eindeutig entnehmen lässt (§ 60 Abs. 1 AO). Dass sich eine Steuerbefreiung des Klägers nicht aus anderen gesetzlichen Regelungen ergibt, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
2. Ausweislich des angefochtenen Urteils besteht das in der Satzung verankerte Ziel des Klägers in der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und der Wirtschaftskriminalität. Dieses Ziel verfolgt der Kläger, wie es in der Satzung weiter heißt, „im Interesse der Allgemeinheit, der gewerblichen Unternehmen, der freiberuflich Tätigen sowie der Mitglieder“. Das FG hat angenommen, dass diese Formulierung die notwendige ausschließliche und selbstlose Förderung gemeinnütziger Zwecke nicht mit der von § 60 Abs. 1 AO geforderten Eindeutigkeit zum Ausdruck bringe. Dem ist beizupflichten.
In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die in der Satzung beschriebene Aufgabe des Klägers insgesamt der „Allgemeinheit“ i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO dient und ob namentlich die –in der Satzung ausdrücklich erwähnte– Förderung der Interessen der Mitglieder des Klägers als „Förderung der Allgemeinheit“ verstanden werden kann. Auf die dazu von der Revision angestellten Ãœberlegungen muss deshalb nicht eingegangen werden. Denn jedenfalls gewährleistet die Satzung des Klägers nicht, dass dieser selbstlos tätig wird.
a) Nach § 55 Abs. 1 AO erfolgt eine Förderung nur dann selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke –z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke– verfolgt werden; das gilt auch für die „Förderung der Allgemeinheit“ i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Die dort geforderte Selbstlosigkeit ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn die Körperschaft eigenwirtschaftliche Zwecke ihrer Mitglieder fördert (Senatsurteile vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482; vom 26. April 1989 I R 209/85, BFHE 157, 132, BStBl II 1989, 670; Gersch in Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 55 Rz 2). In diesem Zusammenhang ist es zwar nicht stets schädlich, wenn die Tätigkeit der Körperschaft nicht nur der Allgemeinheit, sondern daneben zugleich den Mitgliedern zugute kommt (Senatsurteil in BFHE 127, 330, 340, BStBl II 1979, 482, 487). Die Wahrung der Interessen der Mitglieder darf aber nicht „in erster Linie“ erfolgen, also jedenfalls nicht das vorrangige Ziel der Körperschaft sein (Gersch in Klein, a.a.O., § 55 Rz 2). Schließt die Satzung eine solche Zielrichtung nicht aus, so ist der Anforderung des § 60 Abs. 1 AO nicht genügt und deshalb für eine Steuerbefreiung kein Raum.
b) Im Streitfall hat das FG ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Satzung des Klägers diesen nicht hindert, in erster Linie gewerbliche Interessen seiner Mitglieder zu verfolgen. Die Mitglieder sind zwar dort nur gleichrangig neben der „Allgemeinheit“, den „Gewerbetreibenden“ und den „freiberuflich Tätigen“ als Begünstigte benannt. Doch macht die Satzung immerhin nicht deutlich, dass es den Organen des Klägers verwehrt ist, vorrangig im gewerblichen Interesse der Mitglieder tätig zu werden. Das schließt unabhängig davon, inwieweit sich die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers (§ 63 AO) an jenen Interessen einerseits und an den Interessen der Allgemeinheit andererseits orientiert, die Gemeinnützigkeit aus.
c) Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des FG die in der Satzung gewählte Formulierung mit der Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Klagebefugnis in Wettbewerbssachen zusammenhängt. Danach ist ein Verband nicht klagebefugt, wenn er gleichrangig sowohl der Förderung gewerblicher Interessen i.S. des § 13 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG a.F.) als auch der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen i.S. von § 13 Abs. 1a UWG a.F. dient. Diese Rechtsprechung beruht auf der Ãœberlegung, dass bei „Mischverbänden“ ein Konflikt zwischen den Interessen der gewerblichen Mitglieder und den Verbraucherinteressen auftreten und die Wahrnehmung der Aufgaben des Verbandes beeinträchtigen kann (BGH-Urteil in NJW 1983, 1061, 1062). Dass im Hinblick darauf die Satzung des Klägers geändert wurde und dabei der zunächst vorhandene Hinweis auf die Verbraucherinteressen entfiel, weist darauf hin, dass sich der Kläger in erster Linie als Vertreter der Interessen seiner gewerblichen Mitglieder versteht. Das lässt es in besonderem Maße als zumindest möglich erscheinen, dass die Satzung dem Kläger die vorrangige Wahrung gewerblicher Interessen der Mitglieder erlaubt.
3. Aus denselben Gründen ist der Kläger nicht von der Gewerbesteuer befreit. Er unterliegt dieser Steuer gemäß Â§ 1 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), da er selbständig und nachhaltig eine zu Einnahmen führende Tätigkeit ausübt, die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht und deshalb ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist (§ 14 AO). Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Eine Befreiung von der Gewerbesteuer könnte sich für den Kläger nur aus § 3 Nr. 6 GewStG ergeben; die dort genannten Voraussetzungen sind aber mit denjenigen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG identisch und deshalb im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt.
4. Im Ergebnis hat das FA daher zu Recht dem Kläger die beantragte Freistellungsbescheinigung versagt und die angefochtenen Steuerbescheide erlassen. Anhaltspunkte dafür, dass jene Bescheide aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft sein könnten, sind weder den Feststellungen des FG zu entnehmen noch vom Kläger benannt worden. Damit erweist sich das Urteil des FG als zutreffend und die dagegen gerichtete Revision als unbegründet.
Quelle: Bundesfinanzhof.de