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BFH II R 47/07 Schenkungsteuer bei Vermögensübertragungen auf rechtsfähige Stiftung



Schenkungsteuer bei Vermögensübertragungen auf rechtsfähige Stiftung
Ãœbernimmt eine (mittelbar) zum Vermögen einer rechtsfähigen Stiftung gehörende GmbH im Zuge einer Kapitalerhöhung bei einer anderen Gesellschaft den neuen Geschäftsanteil zu einer Einlage weit unter Wert, liegen darin keine freigebigen Zuwendungen an die Begünstigten der Stiftung.


ErbStG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 7 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1
BewG § 121
AO § 88

Urteil vom 9. Juli 2009 II R 47/07

Vorinstanz: FG Münster vom 18. Oktober 2007 3 K 3325/05 Erb (EFG 2008, 313)

Gründe

I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine österreichische Staatsangehörige, hat im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Sie ist neben weiteren Familienangehörigen Begünstigte einer rechtsfähigen liechtensteinischen Stiftung. Diese Stiftung ist alleinige
Gesellschafterin einer luxemburgischen Holding, die ihrerseits alleinige Gesellschafterin der in Deutschland ansässigen … GmbH (GmbH 1) ist.

An der ebenfalls in Deutschland ansässigen … GmbH (GmbH 2) waren je zur Hälfte zwei in Liechtenstein ansässige Unternehmen beteiligt, nämlich die A und die C. Die Gesellschafterversammlung der GmbH 2 beschloss am 5. Februar 1998, das Stammkapital um 22 500 000 DM zu erhöhen. Die unter Ausschluss der bisherigen Gesellschafter zur Ãœbernahme der neuen Stammeinlage zugelassene GmbH 1 erbrachte diese Stammeinlage und ein Aufgeld von 7 500 000 DM in bar.

Da diese Leistungen der GmbH 1 um 15 675 000 DM niedriger waren als der vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) ermittelte gemeine Wert des nach der Kapitalerhöhung auf diese GmbH entfallenden Geschäftsanteils, nahm das FA an, es liege eine freigebige Zuwendung vor. Für den Fall, dass hierdurch Schenkungsteuerpflicht eingetreten sei, einigten sich die nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Klägerin und das FA dahingehend, dass als Schenker A und C und als Beschenkte die Begünstigten der Stiftung, d.h. u.a. die Klägerin, in Betracht kämen. Es müsse lediglich noch geklärt werden, ob Inlandsvermögen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) geschenkt worden sei.

Das FA erließ daraufhin gegen die Klägerin einen Schenkungsteuerbescheid für ihren Erwerb aus der von ihm angenommenen Schenkung der A vom 5. Februar 1998 und berücksichtigte dabei als Wert der Bereicherung der Klägerin entsprechend der früher bestehenden hälftigen Beteiligung der A an der GmbH 2 und der gegenüber der Stiftung bestehenden anteiligen Begünstigung der Klägerin von 25 % ein Achtel des Unterschiedsbetrags von 15 675 000 DM zwischen dem gemeinen Wert des nach der Kapitalerhöhung auf die GmbH 1 entfallenden Geschäftsanteils und dem von der GmbH 1 gezahlten Entgelt, also 1 959 375 DM. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Steuer unter Gewährung des Bewertungsabschlags gemäß Â§ 13a Abs. 2 ErbStG nach einem Steuersatz von 35 % (Steuerklasse III) auf 210 018 € herab. Gegenstand der Zuwendung sei ein Viertel des der A an sich zustehenden anteiligen Bezugsrechts für den im Rahmen der Kapitalerhöhung entstehenden neuen Geschäftsanteil. Dabei handle es sich um Inlandsvermögen i.S. des § 121 Nr. 4 BewG.

In einem vor dem Finanzgericht (FG) durchgeführten Erörterungstermin kamen die Beteiligten zu einer „tatsächlichen Verständigung“, nach der im Rahmen der Kapitalerhöhung der GmbH 2 gemäß Beschluss vom 5. Februar 1998 aufgrund der Beteiligungsstruktur der unmittelbar und mittelbar beteiligten Gesellschaften als Schenker nur A sowie C und als Beschenkte nur die Begünstigten der Stiftung, d.h. u.a. die Klägerin, in Betracht kommen.

Das FG gab der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 313 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, es liege kein steuerpflichtiger Erwerb der Klägerin von A vor. Die Klägerin sei mangels substantieller Bereicherung nicht Empfängerin einer durch die Kapitalerhöhung bewirkten Zuwendung. Inhaber des neuen Geschäftsanteils an der GmbH 2 sei nämlich die GmbH 1 geworden. Die Klägerin habe allenfalls wirtschaftlich von der Kapitalerhöhung profitiert. Die von den Beteiligten getroffene „tatsächliche Verständigung“ sei nicht rechtsverbindlich.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Entgegen der Ansicht des FG liege eine freigebige Zuwendung der A an die Klägerin vor. Die GmbH 1 sei durch den ohne angemessene Gegenleistung erfolgten originären Erwerb des neuen Geschäftsanteils an der GmbH 2 substantiell bereichert worden. Dieser Vermögenserwerb sei der Klägerin als Begünstigter der mittelbar an der GmbH 1 beteiligten Stiftung anteilig zuzurechnen. Der von der Klägerin demnach anteilig erworbene neue Geschäftsanteil stelle Inlandsvermögen i.S. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 4 BewG dar.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht angenommen, dass der angefochtene Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig ist und daher keinen Bestand haben konnte.

1. Es liegt keine freigebige Zuwendung der A an die Klägerin vor.

a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Erforderlich hierfür ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382, und vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Wer Zuwendender ist, bestimmt sich nach der Ausgestaltung der geschlossenen Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie den mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Zielen der Parteien (BFH-Urteile vom 10. März 2005 II R 54/03, BFHE 208, 447, BStBl II 2005, 412, und in BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258).

Bei der Prüfung, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, kommt es auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist; denn die Schenkungsteuer ist Verkehrsteuer (BFH-Urteile vom 29. November 2006 II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319, und in BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258).

Wird unter Lebenden Vermögen unentgeltlich auf eine rechtsfähige Stiftung übertragen, kann es sich um eine unter § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG fallende Erstausstattung der Stiftung oder um eine freigebige Zuwendung unter Lebenden an die Stiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) handeln (BFH-Urteil vom 11. Juni 2008 II R 60/06, BFH/NV 2008, 2026). In beiden Fällen ist die Stiftung als Erwerberin Steuerschuldnerin (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Eine freigebige Zuwendung an die Begünstigten der Stiftung liegt in solchen Fällen nicht vor. Dies ergibt sich auch aus § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG, wonach als Schenkung unter Lebenden gilt, was bei Aufhebung einer Stiftung erworben wird, aus der Besteuerung der Familienstiftungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und den in § 15 Abs. 2 ErbStG enthaltenen Vorschriften für die Besteuerung von Vorgängen im Zusammenhang mit Stiftungen. Diese Vorschriften setzen voraus, dass bei Vermögensübertragungen auf eine rechtsfähige Stiftung diese selbst die Erwerberin i.S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist und damit keine freigebige Zuwendung an die Begünstigten der Stiftung vorliegt.

Diese Rechtsfolge muss auch in den Fällen gelten, in denen sich der Wert des Stiftungsvermögens durch unentgeltliche Vorgänge bei Gesellschaften (mittelbar) erhöht, an denen die Stiftung unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ãœbernimmt eine (mittelbar) zum Vermögen einer rechtsfähigen Stiftung gehörende GmbH im Zuge einer Kapitalerhöhung bei einer anderen Gesellschaft den neuen Geschäftsanteil zu einer Einlage weit unter Wert, liegen darin keine freigebigen Zuwendungen an die Begünstigten der Stiftung.

b) Die Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung der A an die Klägerin sind somit nicht erfüllt. Die Klägerin hat aufgrund der getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen weder ein anteiliges Bezugsrecht noch einen Anteil an dem neuen Geschäftsanteil an der GmbH 2 erhalten. Es hat sich vielmehr allenfalls der Wert ihrer Begünstigung durch die Stiftung erhöht. Dieser lediglich wirtschaftliche Vorteil war nicht Gegenstand einer Vermögensverschiebung von A auf die Klägerin, wurde vom FA nicht der Besteuerung unterworfen und stellt zudem kein der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG unterliegendes Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG dar.

2. Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung kann auch nicht auf die im finanzgerichtlichen Verfahren getroffene „tatsächliche Verständigung“
oder die bereits vor Erlass des Bescheids erzielte Einigung zwischen der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem FA gestützt werden.

a) Der BFH hat die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich anerkannt. Zweck der tatsächlichen Verständigung ist es, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 der Abgabenordnung einvernehmlich festzulegen. Die Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung setzt voraus, dass sie sich auf Sachverhaltsfragen, nicht aber auf Rechtsfragen bezieht, dass der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft, dass die Sachverhaltsermittlung erschwert ist, dass auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und dass die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

b) Die Verfahrensbeteiligten konnten danach nicht abweichend von der materiellen Rechtslage wirksam vereinbaren, dass der teilentgeltliche Erwerb des neuen Geschäftsanteils an der GmbH 2 durch die GmbH 1 eine freigebige Zuwendung der Gesellschafter der GmbH 2 an die Begünstigten der Stiftung und somit auch an die Klägerin darstelle. Es handelt sich dabei nicht um eine Einigung über eine Sachverhaltsfrage, sondern um ein weder die Beteiligten noch das Gericht bindendes Einvernehmen über die materielle Rechtslage.

3. Es kann danach auf sich beruhen, ob das FA ausgehend von seinem Standpunkt, es liege eine freigebige Zuwendung der A an die Klägerin vor, zu Recht zwar den Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 2 ErbStG, nicht aber die Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG angewandt hat. Ein Grund für diese Differenzierung wurde vom FA nicht angeführt und ist auch nicht ersichtlich.

Quelle: Bundesfinanzhof



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