Onlinerechner:   Vergleiche: Steuersparprogramme:


BFH II R 66/07 Anspruch natürlicher Personen auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke – Vorsteuerabzug


Seiten: 1 2 3


Der Leistungsempfänger seinerseits kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Â§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nur ausüben, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Enthält die Rechnung weder eine dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer noch dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, kann der Vorsteuerabzug nicht ausgeübt werden (Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 359 bis 361; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 UStG Rz 95; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 301 f.; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 15 Rz 137a; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 29. Januar 2004, Rz 32, 36, 87 Abs. 2 Satz 2, BStBl I 2004, 258).

Die Steuernummer dient danach nicht nur der verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung mit Angabe der Steuernummer oder der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht vorgeschrieben ist. Der Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen unter Angabe der Steuernummer steht demgemäß ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Unternehmers auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1004). Die Steuernummer ist zudem auch Voraussetzung für die Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach § 27a UStG. In dem Antrag auf Erteilung einer solchen Nummer ist nämlich die Steuernummer anzugeben, unter der der Antragsteller umsatzsteuerlich geführt wird (§ 27a Abs. 1 Satz 6 UStG).

Der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke besteht bereits dann, wenn der Antragsteller ernsthaft erklärt, ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen. Da, wie dargelegt, die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke regelmäßig Voraussetzung für ein solches Tätigwerden ist, kann sie nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine entsprechende Tätigkeit bereits aufgenommen wurde. Lediglich in offensichtlichen Missbrauchsfällen kann die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgelehnt werden. Der Missbrauch muss sich dabei auf die Umsatzsteuer beziehen und kann insbesondere in dem offenkundig verfolgten Ziel bestehen, den Vorsteuerabzug für zu privaten Zwecken bezogene Lieferungen oder Leistungen zu Unrecht in Anspruch nehmen zu können. Ausländerrechtliche oder arbeitsmarktpolitische Fragen können bereits wegen der insoweit fehlenden Zuständigkeit der Finanzämter nicht berücksichtigt werden.

Gegen die grundsätzliche Verpflichtung zur Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke allein aufgrund der vom Antragsteller abgegebenen ernsthaften Erklärung, ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen, kann entgegen der Ansicht des FA nicht eingewandt werden, dass sich aus der Erteilung eine Bindungswirkung für die spätere Festsetzung von Umsatzsteuer oder Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ergebe. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Bindungswirkung gibt es nicht. Beim Erlass von Umsatzsteuerbescheiden ist vielmehr die Unternehmereigenschaft eigenständig zu prüfen, ohne dass es auf die Erteilung einer Steuernummer ankommt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. Juni 2000 V R 28/99, BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597; vom 10. März 2005 V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730, und vom 11. Oktober 2007 V R 77/05, BFHE 219, 277, BStBl II 2008, 443). Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug in Fällen, in denen es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Ausführung steuerpflichtiger, zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze kommt, wird ebenfalls nicht aus der Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgeleitet. Entscheidend sind vielmehr die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, i.S. von § 2 UStG eine Umsatztätigkeit gegen Entgelt selbständig auszuüben, sowie die Tätigung erster Investitionsausgaben für diesen Zweck (BFH-Urteile vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426; vom 8. März 2001 V R 24/98, BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430, und vom 17. Mai 2001 V R 38/00, BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434; BFH-Beschluss vom 23. Mai 2002 V B 104/01, BFH/NV 2002, 1351). Die Unternehmereigenschaft des Leistenden ist bei der Steuerfestsetzung gegen den Leistungsempfänger, der den Vorsteuerabzug begehrt, und in einem etwaigen Rechtsstreit ebenfalls eigenständig zu prüfen (BFH-Beschluss vom 19. Februar 2008 XI B 205/07, BFH/NV 2008, 1210).

Dass die Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke für die spätere Festsetzung von Umsatzsteuer bindend sei, lässt sich entgegen der Auffassung des FA auch nicht aus der von ihm angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ableiten. Die EuGH-Urteile vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94, Inzo (Slg. 1996, I-857, BStBl II 1996, 655), vom 8. Juni 2000 C-396/98, Schloßstraße (Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446) und vom 8. Juni 2000 C-400/98, Breitsohl (Slg. 2000, I-4321, BStBl II 2003, 452) betreffen ebenso wie die darauf aufbauende Rechtsprechung des BFH (Urteile in BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426; in BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430, und in BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434; Beschluss in BFH/NV 2002, 1351) die Berechtigung zum Vorsteuerabzug, wenn es nicht zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze kommt. Diese Berechtigung hat der EuGH ebenso wie der BFH nicht aus der Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgeleitet.

Der EuGH hat in den o.g. Entscheidungen zudem klargestellt, dass in Missbrauchs- oder Betrugsfällen kein Recht zum Vorsteuerabzug besteht. Die Eigenschaft als Steuerpflichtiger wird danach nur dann endgültig erlangt, wenn die Erklärung, die beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, vom Betroffenen in gutem Glauben abgegeben worden ist, nicht hingegen, wenn der Betroffene die Absicht, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, nur vorgespiegelt, in Wirklichkeit jedoch versucht hat, Gegenstände, deren Erwerb zum Vorsteuerabzug berechtigen kann, seinem Privatvermögen zuzuführen.



Kommentieren

Links: