BFH IV R 38/07 Beginn des ersten Wirtschaftsjahrs einer GmbH
bb) Es kann indes offenbleiben, ob mit der Eintragung der Beigeladenen in das Handelsregister ein (neues) Wirtschaftsjahr begonnen hat. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre der Vertrag vom 27. November 1996 ergänzend dahin auszulegen, dass er erstmals auf das (Rumpf-)Wirtschaftsjahr 1996 anzuwenden ist.
(1) Der Senat kann den Gewinnabführungsvertrag selbst auslegen. Die Auslegung von Vereinbarungen der Gesellschafter mit körperschaftsrechtlichem Charakter unterliegt der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht, da solche korporativen Regeln für einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere für die Gläubiger und künftigen Gesellschafter, bestimmt sind und deshalb nur einheitlich ausgelegt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2007 I R 94/06, BFHE 220, 51, m.w.N.). Die Bestimmung über die erstmalige Anwendung eines Gewinnabführungsvertrags hat körperschaftsrechtlichen Charakter. Bei einem solchen Unternehmensvertrag handelt es sich nicht um einen rein schuldrechtlichen Vertrag, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag; er ändert satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem er insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichtet und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreift (BFH-Urteil in BFHE 220, 51, m.w.N.).
(2) Korporationsrechtliche Bestimmungen sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung kommt dabei ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen Bezug der zu interpretierenden Klausel zu anderen Satzungsvorschriften. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, können zur –auch ergänzenden– Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden. Außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge sind bei der Kündigungsklausel eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags auch dann nicht einzubeziehen, wenn deren Kenntnis bei den Mitgliedern und Organen allgemein vorausgesetzt werden kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 51, m.w.N.; zur ergänzenden Auslegung vgl. auch Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 2 Rz 27; Scholz/Emmerich, GmbHG, 10. Aufl., § 2 Rz 37).
(3) Im Streitfall ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang zu § 4 Abs. 1 des Vertrags, dass der Vertrag auch dann erstmals auf das (Rumpf-)Wirtschaftsjahr 1996 anzuwenden ist, wenn es vor der Eintragung der Beigeladenen in das Handelsregister begonnen hätte. Nach § 4 Abs. 1 des Vertrags garantierte die Klägerin für die Vertragsdauer den außenstehenden Gesellschaftern der Beigeladenen für jedes Geschäftsjahr, beginnend mit der „Dividende“ für das Jahr 1996, eine „Dividende“ in Höhe von 12 % des übernommenen Geschäftsanteils. Diese Regelung soll den außenstehenden Gesellschaftern nach ihrem erkennbaren Zweck –die Ãœberschrift des § 4 des Vertrags lautet auch „Ausgleichszahlungen“– einen Ausgleich dafür gewähren, dass der ganze Gewinn der GmbH an die Klägerin abgeführt wird. Ein solcher Ausgleich ab dem Wirtschaftsjahr 1996 wäre jedoch nicht sinnvoll, wenn nicht zugleich der Gewinn dieses Wirtschaftsjahrs an die Klägerin abzuführen wäre. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung im Ãœbrigen darin, dass die Klägerin und die Beigeladene den Vertrag im Wirtschaftsjahr 1996 durchgeführt haben.
b) Der Vertrag ist erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister der GmbH am 22. September 1998 und damit nicht bis zum Ende des auf seine erstmalige Anwendung folgenden Wirtschaftsjahrs –hier: 1997– wirksam geworden. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das Fehlen dieser Voraussetzung einer steuerlichen Anerkennung des Vertrags ab dem Wirtschaftsjahr 1998, in dem der Vertrag durch Eintragung in das Handelsregister wirksam geworden ist, nicht entgegen gestanden hätte, wenn er –ab diesem Wirtschaftsjahr gerechnet– noch eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren aufgewiesen hätte (so FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. August 2007 6 K 39/06, Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1897, zu § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1999). Denn vom Wirtschaftsjahr 1998 an war der Vertrag nicht auf noch fünf Jahre –weder Zeit- noch Wirtschaftsjahre– abgeschlossen; der Vertrag war erstmals auf das (Rumpf-)Wirtschaftsjahr 1996 anzuwenden und auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen (§ 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 des Vertrags). Die fünfjährige Mindestlaufzeit würde selbst dann nicht erreicht, wenn man entsprechend § 14 Nr. 4 Satz 1 KStG den Vertrag bereits für das Wirtschaftsjahr 1997 anerkennen würde, weil der Vertrag bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahrs 1998 wirksam geworden ist.
Quelle: Bundesfinanzhof