BFH Urteil GrS 1/06 – Aufteilung der Aufwendungen für eine gemischt veranlasste Reise
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Der VI. Senat hält das Urteil der Vorinstanz auch insoweit für zutreffend, als das FG die Kosten des Hin- und Rückflugs aufgeteilt und zu 4/7 als Werbungskosten des Klägers berücksichtigt hat. Der VI. Senat möchte der Revision des FA gleichwohl stattgeben und die Vorentscheidung aufheben, weil das FG die Tagungsgebühren, die das FA bereits berücksichtigt hatte, irrtümlich nochmals als Werbungskosten abgezogen hat. Nur insoweit beabsichtigt der VI. Senat, die Einkommensteuer der Kläger anderweitig festzusetzen.
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Der VI. Senat sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung jedoch gehindert, weil seine Rechtsauffassung von den Urteilen des IV. Senats vom 5. Dezember 1968 IV R 46/67 (BFHE 94, 484, BStBl II 1969, 235) und vom 28. Oktober 1976 IV R 35/76 (BFHE 121, 35, BStBl II 1977, 238) abweicht.
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Auf Anfrage des VI. Senats hat der IV. Senat mitgeteilt, er neige dazu, dem VI. Senat in dessen Auffassung zu folgen, dass die folgerichtige Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung ein Aufteilungs- und Abzugsverbot für Kosten einer lediglich teilweise durch die Einkunftserzielung veranlassten Reise nur erfordere, wenn die Kosten der Reise nicht nach objektiven Kriterien aufgeteilt oder keine sicheren Feststellungen zu Grund und Höhe der durch die Einkunftserzielung veranlassten Kosten getroffen werden könnten. Er sehe sich an einer Zustimmung zur Abweichung von seinen Urteilen aber durch die Rechtsprechung des Großen Senats gehindert.
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Der VI. Senat hat daraufhin gemäß Â§ 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Großen Senat angerufen. Er stützt seinen Vorlagebeschluss ferner auf § 11 Abs. 4 FGO, weil die vorgelegte Rechtsfrage für eine Vielzahl ähnlicher Fälle Bedeutung habe und wegen der unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum eine Entscheidung des Großen Senats geboten sei. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den Vorlagebeschluss vom 20. Juli 2006 VI R 94/01 (BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121) Bezug genommen.
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IV. Stellungnahmen der Beteiligten
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1. Die Kläger und das FA haben sich nicht mehr geäußert.
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2. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 FGO) und hat wie folgt Stellung genommen: Der Auffassung des vorlegenden Senats, auch Reisekosten seien generell aufteilbar und mit dem betrieblich/beruflich veranlassten Anteil abziehbar, sei nicht zu folgen. Mit dieser Vorgehensweise werde das im Gesetz angelegte Aufteilungs- und Abzugsverbot im Ergebnis außer Kraft gesetzt und der Abzug der Aufwendungen lediglich dann ausgeschlossen, wenn die betrieblich/beruflich veranlassten Zeitanteile gegenüber den privat veranlassten nicht ins Gewicht fallen. Diese Wertung kehre das Aufteilungs- und Abzugsverbot in ein weitgehendes Aufteilungs- und Abzugsgebot um und sei mit dem Sinngehalt des § 12 Nr. 1 EStG unvereinbar. Aus dieser Vorschrift sei abzuleiten, dass der Aufwand für Reisekosten in Fällen einer nicht unerheblichen privaten Mitveranlassung grundsätzlich nicht abziehbar sei. Der Abzug der Aufwendungen setze voraus, dass sie nach objektiven und einfach nachprüfbaren Kriterien unmittelbar dem beruflichen/betrieblichen Bereich zugeordnet werden könnten. Das sei bei einer nicht unerheblichen privaten Mitveranlassung nicht der Fall. Die beruflichen/betrieblichen Zeitanteile des Aufenthalts seien wegen der eingeschränkten Verifikationsmöglichkeiten als Aufteilungsmaßstab unbrauchbar.
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Allerdings lasse die Rechtsprechung bei einer Reihe von anderen Lebenssachverhalten eine Aufteilung nach Zeitanteilen zu (z.B. bei Aufwendungen für Kraftfahrzeuge oder der Telefongrundgebühr). Diese differenzierende Behandlung sei auf die Eigenart der betreffenden Lebenssachverhalte zurückzuführen; sie sei jedoch nicht Ausdruck eines allgemeinen Prinzips. Daher bestehe kein Anlass, sie auf Reisekosten auszudehnen. Die Gerechtigkeitserwägungen, die der bisherigen Rechtsprechung des Großen Senats zugrunde gelegen hätten, seien gerade für Reisekosten von hoher Bedeutung, weil sich die Möglichkeit, an Reisen mit beruflichen Berührungspunkten teilzunehmen, für einzelne Berufsgruppen ganz unterschiedlich darstelle. Auch sei die Abgrenzung von beruflichen und privaten Berührungspunkten bei Reisen, insbesondere bei Auslandsreisen, häufig schwierig und hänge vom Geschick der Darstellung durch den Steuerpflichtigen ab. Die Auffassung des vorlegenden Senats führe auch nicht zu einer Vereinfachung, weil danach immer noch die Fälle abzugrenzen seien, in denen die beruflichen Berührungspunkte nicht ins Gewicht fielen. In Zukunft würden zudem die Steuerpflichtigen für die Kosten zahlreicher Reisen, die sie bisher mangels Erfolgsaussicht nicht geltend gemacht hätten, einen anteiligen Abzug verlangen.
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B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen
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1. Der Große Senat entscheidet gemäß Â§ 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Sache durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Keiner der Beteiligten hat mündliche Verhandlung beantragt.
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2. Die Vorlage an den Großen Senat ist gemäß Â§ 11 Abs. 2 bis 4 FGO zulässig. Die Auffassung des vorlegenden Senats weicht von den Urteilen des IV. Senats in BFHE 94, 484, BStBl II 1969, 235 und in BFHE 121, 35, BStBl II 1977, 238 ab. Auf Anfrage des vorlegenden Senats hat der IV. Senat mit Beschluss vom 1. Juni 2006 IV ER-S-1/06 mitgeteilt, er sehe sich an einer Zustimmung zu der beabsichtigten Abweichung durch die bisherige Rechtsprechung des Großen Senats gehindert. Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum sowie der erheblichen Bedeutung der Rechtsfrage für die Praxis kommt der Frage auch grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 11 Abs. 4 FGO zu.
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3. Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des VI. Senats in der Revisionssache VI R 94/01 entscheidungserheblich. Bejaht der Große Senat die Vorlagefrage, so ist die Revision des FA zwar begründet und das angefochtene Urteil des FG aufzuheben, die Steuer ist jedoch nur insoweit anderweitig festzusetzen, als das FG die bereits vom FA berücksichtigte Tagungsgebühr irrtümlich nochmals abgezogen hat. Verneint der Große Senat hingegen die Vorlagefrage, so hat die Revision des FA in vollem Umfang Erfolg. Das FG-Urteil ist in diesem Fall aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als das FG die Flugkosten zu 4/7 als Werbungskosten berücksichtigt hat.