BFH Urteil I R 114/08 – Schlussurteil Columbus Container Services – verstößt gegen Gemeinschaftsrecht – Gemeinschaftsrechtlicher Anwendungsvorrang
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b) Es ist im Streitfall nicht kontrovers, dass die Klägerin die Voraussetzungen dieser Regelungslagen erfüllt: Ihre Gesellschafter waren im Streitjahr im Inland wohnhafte und deswegen unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen und zusammen –jeweils allein oder im Verbund über eine Personengesellschaft– zu mehr als der Hälfte an der Klägerin beteiligt. Die Klägerin ging sog. passiven Tätigkeiten mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 1 AStG a.F. nach, welche nicht unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG a.F. fielen. Sie wurde in Belgien überdies niedrig i.S. von § 8 Abs. 2 und 3 AStG a.F. besteuert. Schließlich wurde sie sowohl nach belgischem als auch nach dem insoweit maßgeblichen deutschen Steuerrecht als (transparente) Personengesellschaft behandelt, was bedingt, dass sie ihren Gesellschaftern Betriebsstätten i.S. von Art. 5 DBA-Belgien, § 12 der Abgabenordnung (AO) vermittelte. Konsequenz dieses Sachverhalts ist, dass die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) in Deutschland entsprechende Hinzurechnungsbeträge auslösen, die unter Anrechnung der darauf entfallenden belgischen Ertragssteuern in die deutsche Besteuerung und damit in den für das Streitjahr nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festzustellenden Gewinn der Klägerin ebenso wie in den nach § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO festzustellenden Einheitswert auf den 1. Januar 1996 einzubeziehen sind. Die zwischen Deutschland und Belgien nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 DBA-Belgien vereinbarte Freistellung der (Betriebsstätten-)Einkünfte ist wegen der gegenläufigen gesetzlichen Anordnung in § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. nicht zu gewähren. Darüber besteht im Grundsatz kein Zweifel und unter den Beteiligten auch kein Streit.
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4. Die Klägerin meint allerdings, es verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, dass ihr die abkommensrechtliche Freistellung versagt werde. Dem ist im Ergebnis beizupflichten.
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a) Die Hinzurechnung von Einkunftsteilen ausländischer Zwischengesellschaften nach Maßgabe von §§ 7 ff. AStG a.F. bezweckt die Abschöpfung sog. passiver Einkünfte im niedrig besteuernden Ausland und dient als solche einer typisierten Missbrauchsabwehr. § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. zielt darauf ab, die Rechtswirkungen dieser Missbrauchsabwehr für jene Fälle zu sichern, dass im niedrig besteuernden Ausland Betriebsstätten statt Kapitalgesellschaften zwischengeschaltet werden. § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. stellt so gesehen also seinerseits eine Missbrauchsvermeidungsnorm dar; die Vorschrift soll verhindern, dass die (primäre) Missbrauchsabwehr durch §§ 7 ff. AStG a.F. bei ansonsten gleichgelagerten Gegebenheiten „umgangen“ wird (dazu Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 20 AStG Rz 31, Rz 151.7). Zu diesem Zweck bestimmt § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. unilateral eine Abweichung von der abkommensrechtlich (hier auch mit Belgien) vereinbarten Freistellung der betreffenden Kapitaleinkünfte; an die Stelle der Freistellung tritt die Einbeziehung der Einkunftsteile unter Anrechnung der ausländischen Steuern.
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Der EuGH hat mit Urteil in Slg. 2007, I-10451 entschieden, dass diese sog. Umschaltung („Switch over“) von der einen in die andere Methode zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht keine Bedenken aufwirft. Letztlich zielten sowohl die Freistellungs- als auch die Anrechnungsmethode gleichermaßen darauf ab, eine Doppelbesteuerung der in Rede stehenden Einkünfte zu verhindern. Es liege keine Ungleichbehandlung des gebietsfremden gegenüber dem gebietsansässigen Marktteilnehmer vor, weil gerade aufgrund der Umschaltklausel im Inland beide gleichbehandelt werden.
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b) In Reaktion auf dieses Urteil des EuGH wird in weiten Teilen des Schrifttums jedoch vertreten, dass dadurch die gemeinschaftsrechtliche Problematik nicht erschöpft sei (vgl. z.B. Haun/Käshammer/Reiser, GmbH-Rundschau –GmbHR– 2007, 184, 188; Rainer/Müller, Internationales Steuerrecht –IStR– 2007, 151; Köhler/Eicker, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2007, 331, 334; Kaminski/Strunk/Haase, IStR 2007, 726; Lieber, IStR 2009, 35; Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 20 AStG Rz 99; Vogt in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 20 AStG Rz 26 f.; Thömmes, Internationale Wirtschaftsbriefe –IWB–, Fach 11A, 1169, 1171; Hammerschmitt/Rehfeld, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2293, 2303; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 465 ff.; Köhler/Haun, Die Unternehmensbesteuerung 2008, 73, 86; Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 20 AStG Rz 151.5 ff., letztere auch unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 8. Januar 2007, BStBl I 2007, 99; anders Brombach-Krüger, Betriebs-Berater –BB– 2009, 924; im Ergebnis unklar Goebel/ Jacobs/Schmidt, Deutsche Steuer-Zeitung 2009, 185, 186; Kraft, AStG, § 20 Rz 75 a.E.). Der EuGH habe lediglich jene Vorlagefrage beantwortet, welche ihm zur Vorabentscheidung gestellt worden sei. Er habe jedoch nicht darüber befunden, ob die Hinzurechnung der Auslandseinkünfte nach §§ 7 ff. AStG a.F. als solche europäisches Primärrecht verletze. Das aber sei, wie sich aus dem (dem EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-10451 vorangegangenen) Urteil des EuGH vom 12. September 2006 C-196/04 „Cadbury Schweppes“ (Slg. 2006, I-7995) ergebe, der Fall. Denn danach sei im Lichte der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) von der Anwendung einer Norm, die der „Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken“ dient, abzusehen, „wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht“ (EuGH, daselbst, Rz 75; s. auch Rz 51 ff.). Die hiernach bei typisierten Missbrauchsvermeidungsvorschriften erforderliche Möglichkeit eines Gegenbeweises („Motivtest“) im Einzelfall fehle bei §§ 7 ff. AStG a.F., was wiederum auf § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. durchschlage, weil genau jene Situation, die die Hinzurechnung auslöse, Grund für den dort angeordneten Wechsel in der Methode der Doppelbesteuerungsvermeidung sei. Die –unterstellte– Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der §§ 7 ff. AStG a.F. wirke sich sonach mittelbar auf die Umschaltklausel aus.
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c) Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.