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BFH Urteil I R 99/08 – Betriebsaufgabe bei Gewinnermittlung durch Ãœberschussrechnung


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bbb) Nach diesen Grundsätzen kommt es für die abkommensrechtliche Abgrenzung der Betriebsstätteneinkünfte auf das der jeweiligen Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnende Vermögen und das in der Betriebsstätte erwirtschaftete Ergebnis an (sog. Veranlassungsprinzip, vgl. Senatsurteil in BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464; BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 1076, Tz. 2.2). Soweit der künftige Gewinn aus der Realisierung der vor der Betriebsverlegung entstandenen stillen Reserven einer vormaligen, in Deutschland belegenen festen Einrichtung des Klägers zugerechnet werden kann, steht das Besteuerungsrecht demnach abkommensrechtlich weiterhin der Bundesrepublik Deutschland zu (vgl. Kessler/Huck, StuW 2005, 193, 212; Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 7 Rz 156; Ditz in Wassermeyer/Andresen/Ditz, a.a.O., Rz 4.89; Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 16 Rz F 71; Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 49 Rz D 4026; Pohl in Lüdicke, a.a.O., S. 33, 47; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz 18.32). Auch in abkommensrechtlicher Hinsicht steht der Zuordnung nicht entgegen, dass die feste Einrichtung, in der die stillen Reserven erwirtschaftet worden sind, zum Zeitpunkt der Realisierung nicht mehr besteht (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 14 Rz 27 und 87; Vogel in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl., Vor Art. 6 bis 22 Rz 8; Buciek in Flick/Wassermeyer/ Kempermann, a.a.O., Art. 7 Rz 208, m.w.N.).

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ccc) Im Streitfall ist davon auszugehen, dass der Kläger vor dem Umzug nach Belgien in Deutschland über eine feste Einrichtung verfügt hat, der die aus der bis dahin ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit fließenden Einkünfte zugerechnet werden können. Denn nach den tatrichterlichen Feststellungen des FG hat der Kläger sein Einzelunternehmen bis zur Verlegung des Wohnsitzes von Deutschland aus, danach von Belgien aus „geführt“. Mithin hat sich bis zum Wegzug der Ort der Leitung der freiberuflichen Tätigkeit (vgl. Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Belgien zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte) in Deutschland –im Zweifel am vormaligen Wohnsitz des Klägers (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 14 Rz 68)– befunden. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Erfinderrechte –z.B. Lizenzrechte– vom Ort der Geschäftsleitung aus geltend gemacht hat. Soweit der Kläger erstinstanzlich in anderem Zusammenhang vorgebracht hat, er habe für seine Erfindertätigkeit nicht über eine feste Einrichtung verfügt, kann dem nicht gefolgt werden. Denn ebenso wenig wie es im gewerblichen Bereich „betriebsstättenlose“ Einkünfte gibt (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2007 I R 19/06, BFHE 220, 160), gibt es im Bereich der freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte, die keiner festen Einrichtung zugeordnet werden können (vgl. auch Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 14 Rz 68).

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cc) Die Argumente, die das FA und das BMF dagegen vorgebracht haben, die Erwägungen des Senats zur Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme bei der Ãœberführung von Einzelwirtschaftsgütern auf die Verlegung des Betriebs im Ganzen zu übertragen (ähnlich Goebel/Ungemach/Jacobs, Deutsche Steuer-Zeitung 2009, 531, 532), basieren demnach auf einer unzutreffenden Prämisse. Durch die Betriebsverlegung und die Verlegung des Wohnsitzes des Klägers nach Belgien wurde dem deutschen Fiskus weder nach innerstaatlichem Recht noch abkommensrechtlich die Möglichkeit genommen, die im Inland entstandenen stillen Reserven des Betriebsvermögens im Falle einer späteren Realisierung zu besteuern; dass zum Realisierungszeitpunkt in Deutschland keine Betriebsstätte bzw. feste Einrichtung mehr besteht, ist insoweit unerheblich.

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dd) Soweit vereinzelt gefordert wird, auf eine Sofortbesteuerung dürfe wegen des Zinsnachteils allenfalls um den „Preis“ eines Besteuerungszugriffs des deutschen Fiskus auch auf die erst künftig in der ausländischen Betriebsstätte entstehenden stillen Reserven verzichtet werden (vgl. Mitschke, Finanz-Rundschau –FR– 2009, 326, 327 f.; dagegen Schneider/Oepen, FR 2009, 568, 569), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das Unterlassen einer Sofortbesteuerung in den Fällen des Transfers von Betriebsvermögen in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmens ist kein Billigkeitserweis, den sich der Steuerpflichtige durch Gewährung einer Gegenleistung erkaufen müsste; es ist vielmehr Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes, nach dem Gewinne erst besteuert werden, wenn sie sich tatsächlich realisiert haben. Abgesehen davon ist unter diesem Gesichtspunkt ein Zinsnachteil des deutschen Fiskus nicht erkennbar.

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ee) Nicht zu verkennen ist allerdings das praktische Problem, dass es insbesondere im Falle des Wegzugs des Steuerpflichtigen für die Verwaltung häufig schwierig sein wird, das weitere Schicksal des verlegten Betriebsvermögens zu beobachten und künftige Realisierungsvorgänge zu erkennen und zu erfassen. Dem könnte der Gesetzgeber indes durch die Statuierung besonderer Mitwirkungspflichten entgegenwirken. Jedenfalls sind allein die faktischen Schwierigkeiten beim Vollzug des späteren Besteuerungszugriffs nicht geeignet, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, die stillen Reserven des Betriebsvermögens bei einer Betriebsverlegung ins Ausland –im Gegensatz zu innerstaatlichen Betriebsverlegungen– ohne Realisierungsvorgang der sofortigen Besteuerung zu unterwerfen.

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8. Da es nach allem für eine Besteuerung der stillen Reserven im Streitjahr nach nationalem Recht an einer Rechtsgrundlage fehlt, kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage offenbleiben, ob die Sofortbesteuerung bei einer Betriebsverlegung nach Belgien gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt Art. 43 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C-340, 1) verstoßen würde (so neben dem FG auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Januar 2008 4 K 1347/03, EFG 2008, 680 –nachfolgend Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 I R 28/08–; Schaumburg in Gocke/Gosch/Lang, Festschrift für Wassermeyer, 2005, S. 411, 427 ff.; Ditz in Wassermeyer/Andresen/Ditz, a.a.O., Rz 4.89; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 16 Rz 315; Körner, Internationales Steuerrecht 2004, 424, 429; Spengel/ Braunagel, StuW 2006, 34, 41 f.; Schnitger, Betriebs-Berater 2004, 804, 811 f.; a.A. Mitschke, FR 2008, 1144, 1145 und FR 2009, 326).



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