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BFH Urteil II R 11/08 Rückgängigmachung aufgrund eines befristet vereinbarten und von nachträglich eintretenden Umständen abhängigen Rücktrittsrechts


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5. Im Streitfall liegt keine lückenlose Kette rechtzeitig vorgenommener Fristverlängerungen für die Ausübung des im Grundstückskaufvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrechts der Klägerin vor. Die Kette bricht spätestens Ende 2000 ab. Die erste Fristverlängerung –nämlich diejenige vom 28. Februar 2000– ist noch am letzten Tag der ursprünglich vereinbarten Frist beurkundet worden. Allerdings war die Verkäuferin bei dieser Beurkundung lediglich vollmachtlos vertreten. Ob und wann sie die Fristverlängerung genehmigt hat, ist nicht festgestellt. Bei Annahme einer rechtzeitigen –d.h. noch am selben Tag– erfolgten Genehmigung wäre aber die nächste Fristverlängerung –nämlich diejenige vom 20. Dezember 2000– auf jeden Fall verspätet. Bei Beurkundung dieser Fristverlängerung war die Verkäuferin wiederum vollmachtlos vertreten. Die erforderliche Genehmigung hat sie erst am 30. Januar 2001, und damit erst nach Ablauf der zuvor (unterstellt mit steuerrechtlicher Wirkung) bis zum 31. Dezember 2000 verlängerten Frist, erklärt. Die Genehmigung wirkte zwar zivilrechtlich gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Beurkundung zurück; grunderwerbsteuerrechtlich kann diese Rückwirkung jedoch nicht nachvollzogen werden, da sich der steuerrechtlich maßgebliche Sachverhalt nicht rückwirkend gestalten lässt (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 2006 IX R 40/05, BFH/NV 2006, 2236, unter II. 2. a; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl. 2006, § 38 Rz 11; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Stand Juni 2009, § 38 AO Rz 28, 29). Folglich ist zumindest die zweite Fristverlängerung verspätet.

6. Die Entstehung eines Rücktrittsrechts kraft Gesetzes infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat das FG mit der Begründung zu Recht verneint, dass die Vertragsparteien der Ungewissheit, ob das Grundstück bebaubar werden würde, durch eine ausdrückliche Regelung –nämlich das vereinbarte, aber befristete Rücktrittsrecht der Klägerin– Rechnung getragen hatten. Die Vorstellung der Vertragsparteien über die Möglichkeit einer künftigen Bebaubarkeit des Grundstücks hat sich zwar als falsch erwiesen; die Parteien haben aber ausdrücklich geregelt, welche Rechtsfolge dies haben sollte, nämlich lediglich ein Rücktrittsrecht für die Klägerin.

Dass die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG befristet ist und es somit wie im Streitfall zu einer Steuerschuld ohne Rechtsträgerwechsel kommen kann, stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keinen Verstoß gegen eine folgerichtige Ausgestaltung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG getroffenen Grundentscheidung dar, den Erwerbsvorgang auf den Abschluss des den Ãœbereignungsanspruch begründenden Rechtsgeschäfts vorzuverlegen (vgl. zur Sachgesetzlichkeit Fischer in Boruttau, a.a.O., Vor § 118), sondern liegt auf der Linie dieser Grundentscheidung. Auch der nicht vollzogene Grundstückskaufvertrag hat bei seinem Abschluss auf den verlangten Rechtsträgerwechsel gezielt (vgl. dazu Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Rz 3).

7. Zutreffend hat das FG auch eine Aufhebung des Steuerbescheids aufgrund des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen und den Hilfsantrag der Klägerin bezüglich der Billigkeitsmaßnahmen abgelehnt. Für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fehlte es an einem rückwirkenden Ereignis. Die Entscheidung des FA, eine sachliche Unbilligkeit zu verneinen, ist –wie das FG zu Recht festgestellt hat– ermessensfehlerfrei. Wie der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und die dort auf zwei Jahre befristete Möglichkeit, einen Grundstückskaufvertrag mit steuerlicher Wirkung aufzuheben, zeigen, kann es zu einer bleibenden Grunderwerbsteuerbelastung kommen, obwohl der Rechtsträgerwechsel bezüglich des Grundstücks letztlich unterbleibt. Dies ist vom Gesetzgeber gewollt.

Quelle: Bundesfinanzhof



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