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BFH Urteil VII R 51/08 – Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist nach Steuerfestsetzung


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c) Der erkennende Senat vermag dem FG auch nicht darin zu folgen, dass § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO gleichsam als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal verlangt, dass die für die zurückzunehmende Begünstigung ursächliche arglistige Täuschung von jemandem begangen worden ist, der zu demjenigen, zu dessen Gunsten der Verwaltungsakt ergangen ist, in einem –irgendwie gearteten, jedenfalls „besonderen“– Verhältnis steht, nicht jedoch etwa von einem völlig fremden Dritten, dass er also mit anderen Worten verlangt, dass zwischen dem Täuschenden und dem Begünstigten ein Verhältnis bestanden hat, welches es unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts eines angemessenen Vertrauensschutzes rechtfertigt, diesem das dolose Tun jenes anderen zum Nachteil gereichen zu lassen.

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aa) Allerdings macht § 130 Abs. 2 AO die Korrektur rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte ersichtlich von besonderen Voraussetzungen abhängig, schließt also die freie Rücknehmbarkeit anders als bei sonstigen Verwaltungsakten (§ 130 Abs. 1 AO) aus, um das berechtigte Vertrauen des Begünstigten in den Bestand einer ihm von der Behörde gewährten Begünstigung zu schützen. Es ist –worauf indes die Argumentation des FA hinaus läuft– schwer einzusehen, dass dieses Vertrauen keinerlei Schutz allein deshalb verdienen soll, weil ein fremder Dritter den Verwaltungsakt unlauter erwirkt hat. Dementsprechend gewähren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG ebenso wie § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch in vergleichbaren Fällen Vertrauensschutz, indem sie die Rücknehmbarkeit tatbestandlich davon abhängig machen, dass der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat. Es finden sich keine nachvollziehbaren Gründe und auch in der Gesetzesentstehung (vgl. BTDrucks VI/1982, zu § 134 Abs. 3 AO) keine aussagekräftigen Anhaltspunkte, dass und ggf. warum Schutzbedürfnis oder Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Steuerpflichtigen im Bereich der AO insofern schlechthin zu verneinen sein sollten.

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Freilich zeigt der Vergleich vorgenannter Vorschriften untereinander, aber auch der Vergleich des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO mit den folgenden Nummern der Vorschrift, dass der Gesetzgeber offenbar die Rücknehmbarkeit von Steuerverwaltungsakten nicht tatbestandlich davon abhängig machen wollte, dass der Begünstigte die eine Rücknahme rechtfertigende arglistige Täuschung selbst (zumindest durch seinen gesetzlichen Vertreter, einen Bevollmächtigten oder einen in ähnlicher Weise mit ihm verbundenen Dritten) begangen hat. Der Wortlaut der Vorschrift ist dahin eindeutig, dass er –anders als Nr. 3 der Vorschrift– nicht verlangt, dass der Begünstigte selbst arglistig getäuscht hat. Für ein Redaktionsversehen fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten.

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Die Grenzen einer zulässigen Auslegung des Tatbestands der Vorschrift wären daher überschritten, wollte man gleichwohl für die Rücknahme eine Täuschung eines beliebigen fremden Dritten nicht ausreichen lassen.

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bb) Indes rechtfertigt dies nicht den Schluss des FA, der Gesetzgeber habe für den Bereich der AO der Rechtsrichtigkeit von durch unlautere Mittel erwirkten Verwaltungsakten schlechterdings Vorrang vor dem Vertrauensschutz eingeräumt. § 130 Abs. 2 AO stellt vielmehr auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Nr. 2 die Rücknahme in das Ermessen des FA, was übrigens bei § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c AO nicht grundsätzlich anders ist. Im Rahmen einer solchen, der Finanzbehörde bei Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO mithin abverlangten Ermessensentscheidung ist gemäß § 5 AO zu berücksichtigen, was Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung gebieten. Auch Tatsachen und Umstände, die nicht zum Tatbestand der Ermessensnorm gehören, können dabei für die Ermessensausübung bedeutsame Gesichtpunkte sein (und zwar auch dort, wo zwischen Tatbestand und ermessensrelevanten Gesichtspunkten kein Wechselverhältnis besteht, wie dies der Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes für den Begriff der Billigkeit in § 131 der Reichsabgabenordnung angenommen hat, vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Der Gesetzgeber wird vielmehr Gesichtspunkte aus dem Tatbestand einer Norm insbesondere dann ausklammern und dem Ermessensbereich zuweisen, wenn ihre Berücksichtigung eine im Ergebnis einen Entscheidungsspielraum eröffnende Abwägung widerstreitender Gesichtspunkte nach den konkreten, tatbestandlich nicht hinreichend zu erfassenden Umständen des Einzelfalls verlangt, so dass das Abwägungsergebnis nicht durch eine abstrakte gesetzliche Regelung ein für allemal vorweggenommen werden kann. In dieser Weise die Entscheidung dem Ermessen der Verwaltung zu überantworten (und damit allerdings einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zu entziehen), ist der Gesetzgeber jedenfalls dann nicht gehindert, wenn von Verfassungs wegen –etwa nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu Rüsken, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2008, 193)– kein Anspruch auf eine dem Rechtsunterworfenen (unter bestimmten, sich eben aus dem Verfassungsrecht ergebenden Voraussetzungen) günstige Entscheidung besteht.

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So liegen die Dinge hier. § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO verbietet die Änderung eines begünstigenden Verwaltungsakts wie einer Anrechnungsverfügung zwar nicht, wenn der Begünstigte nicht arglistig getäuscht hat, sondern sogar in gutem Glauben war, und muss dies auch nicht von Verfassungs wegen verbieten; er lässt sie aber um des grundsätzlich schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten willen auch nicht zu, ohne dass die Umstände des Falls von dem FA gewürdigt werden und das Interesse an einer Korrektur einer rechtswidrig vorgenommenen Anrechnung gegen das Vertrauensschutzinteresse abgewogen wird (vgl. Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 130 AO Rz 31). Diese Abwägung ist unter Wahrung eines gewissen Entscheidungsspielraums, den das Gesetz dem FA insofern einräumt, ggf. vom Gericht zu überprüfen.

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d) Der erkennende Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob bei rechtmäßiger Ermessensausübung die vom FA für geboten erachtete Änderung der Anrechnungsverfügung zur Körperschaftsteuer 1991 der Klägerin zulässig wäre, da der angefochtene Bescheid bzw. die ihm zugrunde liegende Änderung der Anrechnungsverfügung keinerlei Ermessensausübung erkennen lassen; beide gehen vielmehr ebenso wie die Einspruchsentscheidung ersichtlich von der Prämisse aus, die Änderung der Anrechnungsverfügung müsse im Interesse der Herstellung der Rechtsrichtigkeit gleichsam die zwangsläufige Folge der von der Steuerfahndung getroffenen Feststellungen und der sich daraus ergebenden Rechtswidrigkeit der streitigen Steueranrechnung sein. Unter den Umständen des Streitfalls ist dies aber nicht zutreffend.



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