BFH Urteil Zulassung zur Steuerberaterprüfung
(openPR) – Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) möchte zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden. Er hat im Januar 2006 die Prüfung als Bilanzbuchhalter bestanden und zuvor Rechtswissenschaft studiert, das Staatsexamen jedoch nicht abgelegt. Aufgrund seiner in verschiedenen Ãœbungen erbrachten studienbegleitenden Prüfungsleistungen hat ihm die Universität Freiburg bescheinigt, dass er die Orientierungs- sowie die Zwischenprüfung bestanden habe und in das zwölfte Fachsemester des Studienganges einzustufen sei.
Bereits während seines Studiums hatte der Kläger ein –später in eine GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger wurde, umgewandeltes– Unternehmen gegründet. Darüber hinaus wirkte er nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in verschiedenen Unternehmen sowie bei Verbänden „im steuerlichen Bereich“.
Den 2004 vom Kläger gestellten Antrag auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung hat die damals zuständige Behörde abgelehnt, weil der Kläger nicht über die notwendige Vorbildung verfüge. Das dem Kläger bescheinigte Bestehen der Zwischenprüfung sei weder als Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf noch als eine andere gleichwertige Vorbildung anzusehen.
Die deswegen erhobene Klage hat das FG durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 412 veröffentlichte Urteil abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird: Der Kläger habe zwar nicht gemäß § 36 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ein rechtswissenschaftliches oder wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert und auch nicht i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG die Prüfung für einen kaufmännischen Ausbildungsberuf bestanden. § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG lasse jedoch eine Zulassung zur Prüfung auch bei einer „anderen gleichwertigen Vorbildung“ zu und zeige mit dieser Wortwahl, dass der vollständige Abschluss einer Ausbildung durch Prüfung nicht erforderlich sei. Dies sei aus grundrechtlicher Sicht auch konsequent, da gerade der Fall des Klägers zeige, wie groß die Diskrepanz zwischen einer abgeschlossenen Berufsausbildung und der von ihm nachgewiesenen beruflich bedingten Vorbildung sei. Ein geprüfter Einzelhandelskaufmann, der unter Umständen lediglich die Filiale eines Supermarktes geleitet habe, könne (nach entsprechender Berufstätigkeit) zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden, wohingegen der Kläger mit einer umfangreichen Berufserfahrung, die im Wesentlichen von seiner Unternehmereigenschaft und den damit verbundenen profunden steuerlichen Kenntnissen geprägt sei, eine derartige Voraussetzung nach der Rechtsauffassung der Senatsverwaltung nicht erfülle.
Zu Unrecht schließe das FG aus den übrigen in § 36 StBerG aufgeführten Tatbeständen, dass eine „Vorbildung“ nur durch ein Abschlusszeugnis nachgewiesen werden könne. Das FG setze voraus, dass der fehlende Kaufmannsgehilfenbrief schlechterdings durch keine andere Voraussetzung ersetzt werden könne; das widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, weil der Kaufmannsgehilfenbrief keine zwingende Berufszugangsvoraussetzung sei und eine Vielzahl beruflicher Positionen ohne dessen Vorlage ausgeübt werden könne. Das FG habe zudem die fachspezifische Berufserfahrung des Klägers von 20 Berufsjahren völlig unberücksichtigt gelassen.
Es sei zwischen dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Steuerrechtspflege und der Freiheit der Berufswahl abzuwägen. Entscheidend für die Wahrung des öffentlichen Interesses sei dabei die Steuerberaterprüfung, während das zusätzliche Kriterium des § 36 StBerG „andere gleichwertige Vorbildung“ eine geringere Bedeutung habe. Insoweit müssten die Vorbildungskriterien „entsprechend weit ausgelegt werden“. Die Ausbildung des Klägers sei deutlich anspruchsvoller als die in § 36 StBerG zugelassenen Ausbildungsgänge. Es sei unverhältnismäßig, als Vorbildung im Sinne der Vorschrift nur eine abgeschlossene Ausbildung anzusehen.
Die Senatsverwaltung an deren Stelle zum 1. Juli 2009 die Steuerberaterkammer als Beklagte und Revisionsbeklagte getreten ist (§ 157a Abs. 3 StBerG), ist der Meinung, die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten, zumal in seinem eigenen Unternehmen, könnten mit einem kaufmännischen Ausbildungsabschluss schon deshalb nicht gleichgesetzt werden, weil für diese Tätigkeiten eine kaufmännische Vorbildung nicht vorgeschrieben gewesen sei. Zudem sei es der Finanzverwaltung ohne Vorlage von Abschlusszeugnissen nicht möglich zu beurteilen, ob eine vergleichbare Vorbildung vorhanden sei.
Die Entscheidung ergeht gemäß Â§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Nach § 36 Abs. 1 und 2 StBerG setzt die Zulassung zur Steuerberaterprüfung –neben der Ausübung einer praktischen Tätigkeit für eine bestimmte Zeit und abgesehen von der hier nicht interessierenden Alternative des § 36 Abs. 2 Nr. 2 StBerG– in allen Alternativen voraus, dass der Zulassungsbewerber eine (gleichsam theoretische) Berufsausbildung erhalten hat, nämlich entweder ein Hochschulstudium (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StBerG) oder eine kaufmännische Berufsausbildung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative StBerG) absolviert, eine Ausbildung als Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirt erhalten (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 3. Alternative StBerG) oder „eine andere gleichwertige Vorbildung“ (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative StBerG) erworben hat. Dass auch diese andere gleichwertige Vorbildung in einem Berufsausbildungsgang erworben sein muss und nicht etwa lediglich auf den durch praktische Berufstätigkeit erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten beruhen kann, wird daran deutlich, dass § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG, der im Fall des Klägers allein in Betracht kommt, schon seinem Wortlaut nach auch für eine „andere gleichwertige Vorbildung“ verlangt, dass der Prüfungsbewerber nach „Abschluss der Ausbildung“ zehn Jahre berufstätig gewesen ist, ebenso wie bei der folgenden 3. Alternative des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG verlangt wird, dass die praktische Berufstätigkeit eines geprüften Bilanzbuchhalters oder Steuerfachwirts auf einer „erfolgreich abgelegten Prüfung“, mithin einer theoretischen Ausbildung zu diesem Beruf beruht.
Es fehlt nach Wortlaut und Systematik der Vorschriften des § 36 Abs. 1 und 2 StBerG jeder vernünftige Anhaltspunkt für die Annahme, zur Steuerberaterprüfung könne auch zugelassen werden, wer keinerlei abgeschlossene Berufsausbildung erhalten hat, wenn er nur durch die in praktischer Berufstätigkeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen über eine für die Prüfung und die spätere Tätigkeit als Steuerberater ausreichende „Vorbildung“ verfügt. Nach der klaren und eindeutigen Konzeption des StBerG steht die Steuerberaterprüfung vielmehr auf steuerlichem Gebiet lediglich angelernten Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht offen.
Diese gesetzliche Regelung ist nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zu beanstanden. Dieses Grundrecht gewährleistet zwar dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, zur Grundlage seiner Lebensführung, also zum Beruf zu machen. Einschränkungen des Grundrechts sind aber aus Gründen des Gemeinwohls zulässig; sie stehen allerdings unter dem Gebot der Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als die sie legitimierenden öffentlichen Interessen –hier: das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Steuerrechtspflege und der Schutz des Publikums vor zur Steuerberatung nicht hinreichend qualifizierten Personen (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht –BVerfG–, Beschluss vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301)– es erfordern.
Den Beruf des Steuerberaters als Ausbildungsberuf (mit Zusatzprüfung nach langjähriger Berufstätigkeit) auszugestalten, liegt indes im Rahmen der Gestaltungsfreiheit, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung subjektiver Berufszugangsvoraussetzungen in Anspruch nehmen kann; deren Grenzen wären nur dann überschritten (vgl. schon Beschluss des BVerfG vom 17. Juli 1961 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97), wenn die Auffassung des Gesetzgebers, die Steuerberatung müsse besonders qualifizierten, beruflich in einem einschlägigen Ausbildungsgang vorgebildeten Personen vorbehalten werden, offensichtlich fehlsam wäre. Die Annahme des Gesetzgebers, es sei erforderlich, Gefahren vorzubeugen, die für die Steuerrechtspflege und den Steuerbürger von fachlich zur Steuerberatung ungeeigneten Personen ausgehen könnten, ist indes ebenso wenig offensichtlich fehlsam, wie es die Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit als zur Abwehr einer solchen Gefahr ungeeignetes oder unverhältnismäßiges Mittel überschreitet, von angehenden Steuerberatern neben Berufserfahrung und in einer Prüfung nachzuweisenden steuerlichen Kenntnissen zu verlangen, dass sie eine fachlich einschlägige Berufsausbildung genossen haben. Solchen Gefahren wird zwar nicht in erster Linie durch das Erfordernis des erfolgreichen Abschlusses einer bestimmten Berufsausbildung, sondern dadurch begegnet, dass die Bestellung zum Steuerberater regelmäßig die Ablegung der Steuerberaterprüfung voraussetzt. Denn das für den Steuerberater erforderliche steuerliche Fachwissen wird im Rahmen der in § 36 Abs. 1 und 2 StBerG genannten Ausbildungsgänge in der Regel nicht oder doch nicht in ausreichendem Umfang vermittelt. Gleichwohl ist eine solche erste Berufsausbildung geeignet, die fachliche Grundlage für die spätere Aneignung der theoretischen und praktischen steuerlichen Fachkenntnisse zu legen, die der Steuerberater benötigt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 28. August 1990 VII R 25/89, BFHE 162, 159, BStBl II 1991, 154).
Die Entscheidung des Gesetzgebers, auf steuerlichem, kaufmännischem oder sonstigem wirtschaftlichen Gebiet lediglich angelernten Personen den Zugang zur Steuerberaterprüfung –und damit den Zugang zum Beruf des Steuerberaters– zu verwehren, ist auch nicht deshalb, wie offenbar die Revision meint, zu beanstanden, weil gemessen an den hohen Anforderungen der Steuerberaterprüfung die durch eine Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf erworbenen theoretischen Kenntnisse nicht besonders ins Gewicht fallen mögen und Prüfungsbewerber, die auf dem durch § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG eröffneten Berufsweg die Zulassung als Steuerberater anstreben, einen großen Teil der für eine solche Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen nicht in ihrer ursprünglichen Berufsausbildung als Kaufmann, Bilanzbuchhalter, Steuerfachwirt oder durch eine andere, einer kaufmännischen Ausbildung gleichwertige Ausbildung, sondern durch ihre langjährige praktische Berufstätigkeit erworben haben werden. Denn abgesehen davon, dass Bewerber, die eine solche Berufsausbildung genossen haben, dem Kläger zumindest etwas an theoretischer Fundierung der angestrebten Tätigkeit als Steuerberater voraus haben, konnte der Gesetzgeber –worauf die Senatsverwaltung mit Recht sinngemäß hingewiesen hat– dem Umstand Bedeutung beimessen, dass der Abschluss einer solchen Berufsausbildung für die Zulassungsbehörde leicht überprüfbar ist und übrigens zudem die Vermutung rechtfertigt, dass die im Anschluss daran ausgeübte berufliche Tätigkeit an den Prüfungsbewerber Anforderungen stellte, die seiner zuvor genossenen Berufsausbildung entsprachen, während sich im Allgemeinen allein aufgrund einer praktischen Tätigkeit für bestimmte Arbeitgeber oder gar für ein eigenes Unternehmen nicht klar und eindeutig feststellen lässt, ob der Prüfungsbewerber die erforderliche „Vorbildung“ für eine erfolgversprechende Teilnahme an der Steuerberaterprüfung und für eine spätere Tätigkeit als Steuerberater besitzt.
In der Regel wird zudem dem angehenden Steuerberater ohne weiteres zugemutet werden können, zunächst eine der in § 36 StBerG aufgeführten oder eine andere vergleichbare Berufsausbildung zu durchlaufen. Aber auch wo dies auf Schwierigkeiten stößt, weil die Möglichkeit, Steuerberater zu werden, erst spät ins Blickfeld kommt, kann der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen für verpflichtet gehalten werden, durch eine § 36 StBerG ergänzende „Öffnungsklausel“ für atypische Fälle wie den des Klägers –trotz der Schwierigkeiten deren verwaltungsmäßigen Vollzugs– solchen Spätberufenen den Zugang zum Beruf trotz Fehlens einer entsprechenden Ausbildung zu ermöglichen.
Der Kläger kann schließlich die Zulassung zur Steuerberaterprüfung auch nicht etwa deshalb beanspruchen, weil er während seines rechtswissenschaftlichen Studiums an Ãœbungen teilgenommen hat, weil die erfolgreiche Teilnahme daran offenbar überprüft und weil aufgrund dieser Umstände von der Universität ein (offenbar fiktives) Bestehen einer Orientierungs- und Zwischenprüfung bescheinigt worden ist. Denn ungeachtet der Vergleichbarkeit der in universitären Ãœbungen erbrachten Prüfungsleistungen mit der Abschlussprüfung eines Berufsausbildungsganges und ungeachtet auch der vom FG nicht näher erörterten Prüfungsgegenstände und ihrer Gleichwertigkeit mit einer kaufmännischen Ausbildung bedarf es keiner näheren Ausführung, dass ein solches abgebrochenes Hochschulstudium, wie es der Kläger betrieben hat, keine abgeschlossene Berufsausbildung in dem Sinne ist, wie sie § 36 Abs. 1 und 2 StBerG fordert. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Bundesfinanzhof, Pressemitteilung vom 18.11.2009, Az.: VII R 45/07
Prof. Dr. Christoph Gaudecki
Rechtsanwalt und ordentlicher Professor für Arbeits- und Wirtschaftsrecht
Unternehmensberatung – Wirtschaftsberatung
Eisenbeis Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Mauerstraße 86-88
10117 Berlin-Mitte
Telefon: 030 2264 1220
Telefax: 030 2264 1214