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BFH V R 14/08 – Uneinbringliche Entgelte in der Insolvenz – Keine Beendigung der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters


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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.


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Er, der Kläger, sei als „Holding“ ohne eigene sonstige wirtschaftliche Tätigkeit kein Unternehmer i.S. des § 2 UStG. Das bloße Erwerben und Halten von Gesellschaftsbeteiligungen sei keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Er sei lediglich Geschäftsführer und Gesellschafter der H-GmbH gewesen; eine unternehmerische Tätigkeit folge daraus nicht.

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Soweit er ein Grundstück an die H-GmbH vermietet habe, ergebe sich auch daraus keine unternehmerische Tätigkeit, weil es sich dabei um eine vermögensverwaltende Tätigkeit gehandelt habe. Soweit er gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Grundstück an die H-GmbH vermietet habe, könne das ohnehin nicht seine Unternehmereigenschaft begründen, sondern allenfalls die einer zwischen ihm und seiner Ehefrau bestehenden Gemeinschaft.

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Das in seinem Alleineigentum stehende Grundstück habe für die Geschäftstätigkeit der H-GmbH keine wesentliche Bedeutung gehabt. Auch aus der relativen Höhe des Mietzinses lasse sich hierfür nichts herleiten.

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Eine organisatorische Eingliederung scheitere daran, dass es keine „Personenidentität in den Leitungsgremien“ gegeben habe. Er, der Kläger, sei lediglich Vermieter bzw. Mitvermieter und Mitgesellschafter gewesen.

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Schließlich lägen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht vor, weil der Insolvenzverwalter die H-GmbH i.L. fortgeführt und schwebende Verträge zumindest partiell erfüllt habe. Von Uneinbringlichkeit könne deshalb keine Rede sein.

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Soweit das FG auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zu anderen Fällen Bezug nehme, ersetze das keine Urteilsbegründung. Insofern sei die Vorentscheidung nicht i.S. des § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Gründen versehen.

19
Im Ãœbrigen sei, das Vorliegen einer Organschaft unterstellt, diese spätestens mit Eintritt des vorläufigen Insolvenzverfahrens beendet gewesen. Die Unterscheidung zwischen sog. starken und schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltern sei formalistisch und gehe an der wirtschaftlichen Realität vorbei.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2007 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2000 um 86.476,32 DM herabzusetzen.

21
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

22
Es verteidigt die Vorentscheidung.

II.
23
Die Revision ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

24
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der H-GmbH gegen diese bestehenden Forderungen uneinbringlich geworden sind. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das FG die sich daraus ergebende Vorsteuerberichtigung beim Kläger als ehemaligen Organträger vorgenommen.

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1. Gemäß Â§ 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist.

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a) § 17 UStG regelt einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der AO. Liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung i.S. von § 17 UStG vor, führt dies nicht zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung. Dieser Sachverhalt ist vielmehr als unselbständige Besteuerungsgrundlage (§ 157 Abs. 2 AO) in der Umsatzsteuerfestsetzung für den maßgeblichen Besteuerungszeitraum (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG) zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 V B 70/06, BFHE 214, 467, BStBl II 2007, 415). Der anfänglich nach „Soll“-Besteuerungsgrundsätzen vorgenommene Vorsteuerabzug ist (lediglich) tatbestandliche Voraussetzung der materiellen Regelung nach § 17 UStG (BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 2/05, BFHE 216, 375, BStBl II 2007, 848).

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b) „Uneinbringlich“ i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22; vom 22. April 2004 V R 72/03, BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684; vom 13. Januar 2005 V R 21/04, BFH/NV 2005, 928). Nach der Rechtsprechung des Senats werden spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote die Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner in voller Höhe i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich (BFH-Urteile vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352; vom 28. Juni 2000 V R 45/99, BFHE 192, 129, BStBl II 2000, 703, m.w.N.). Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers und dementsprechend der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen. Im Streitfall lagen daher die Voraussetzungen für die Berichtigung nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor.


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