BFH V R 18/08 – Vorlage an den EuGH: Steuerpflichtige Leistung des Forderungskäufers beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen
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bb) Die Parteien des im Streitfall zu beurteilenden Kaufvertrages sind darüber hinaus davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den voraussichtlich mehrere Jahre dauernden Forderungseinzug und der bereits beim Forderungserwerb erfolgten Zahlung des Kaufpreises eine nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Kreditgewährung vorliege.
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Dies hält der Senat aufgrund des EuGH-Urteils vom 27. Oktober 1993 C-281/91, Muys’en De Winter’s Bouw (Slg. 1993, I-5405 Rdnrn. 15 und 18) für unzutreffend. Danach ist ein verzinslicher Zahlungsaufschub bis zur Lieferung eines Gegenstandes keine nach dieser Bestimmung steuerfreie Kreditgewährung, sondern Teil des steuerpflichtigen Entgelts für die Lieferung.
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Liegt bei einem vom Leistenden dem Leistungsempfänger eingeräumten Zahlungsaufschub hinsichtlich der Entgeltentrichtung keine Kreditgewährung vor, wenn sich der Zahlungsaufschub nur auf den Zeitraum bis zur Leistungserbringung erstreckt, so dass die Zinsen für diesen Zahlungsaufschub als zusätzliches Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung anzusehen sind, fehlt es auch im Streitfall an einer Kreditgewährung. Denn zum einen war der Forderungserwerber zur sofortigen Kaufpreiszahlung verpflichtet. Es liegt keine Vereinbarung vor, nach der der Forderungserwerber den Kaufpreis erst nach Abschluss seiner Einziehungstätigkeit zu entrichten hatte und zuvor erfolgten Zahlungen bloßer Darlehenscharakter zukommen sollte. Zum anderen hätte der Forderungserwerber bei einem erst nach Abschluss der Einziehungstätigkeit geschuldeten Kaufpreis auch seine Leistung erst zu diesem Zeitpunkt erbracht, so dass wie im EuGH-Urteil Muys’en De Winter’s Bouw in Slg. 1993, I-5405 ein unbeachtlicher Zahlungsaufschub für einen Zeitraum bis zur Leistungserbringung vorläge.
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d) Ist im Streitfall somit von nur zwei Leistungsbestandteilen (Entlastung vom Forderungseinzug und vom Nichterfüllungsrisiko) auszugehen, muss geklärt werden, wie sich diese beiden Leistungsbestandteile zueinander verhalten.
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aa) Bei der Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG ist zu berücksichtigen, dass der EuGH im Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 das Vorliegen einer Leistung des Forderungskäufers auf das EuGH-Urteil vom 25. Mai 1993 C-18/92, Bally (Slg. 1993, I-2871) gestützt hat (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 Rdnrn. 53 und 56). Demgegenüber hat der EuGH, da es hierauf in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 nicht ankam (s. oben II.4.a), bei der Beantwortung der zweiten Frage nicht auf das Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 Bezug genommen.
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bb) In der Rechtssache Bally in Slg. 1993, I-2871 ging es um ein Kreditkarteninstitut, das mit einem Warenlieferanten vereinbart hatte, dass dessen Kunden die Warenlieferung mit einer vom Kreditkarteninstitut ausgegebenen Kreditkarte bezahlen konnten. Das Kreditkarteninstitut vergütete dem Lieferanten den Preis der Ware abzüglich einer Provision von 5 % (EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 Rdnr. 3). Nach dem EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 erbringt das Kreditkarteninstitut eine Leistung an den Lieferanten, die insbesondere die Garantie für die Bezahlung der Ware umfasst und nach „Art. 13 Teil B Buchst. d“ der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 Rdnrn. 9 f.).
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cc) Können nach dem EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 im Kreditkartengeschäft steuerfreie Garantieleistungen vorliegen, stellt sich im Streitfall die Frage, ob bei einem Forderungskauf, bei dem der Forderungskäufer –anders als in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688– nicht zur Steuerpflicht optiert, gleichfalls eine steuerfreie Leistung vorliegt. Denn auch im Kreditkartengeschäft erfolgt die Zahlung des die Kreditkarte ausgebenden Instituts gegen Abtretung oder sonstige Ãœbertragung der Forderung, die dem Lieferanten gegenüber seinem Kunden zusteht, damit das Kreditkarteninstitut diese Forderung gegenüber dem Kunden geltend machen kann (vgl. z.B. Peter, in Umsatzsteuer-Rundschau 1999, 238 ff., 239; Wäger, in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Rz 164).
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Bei Beantwortung der zweiten Auslegungsfrage könnte weiter zu berücksichtigen sein, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auch dazu dient, Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von Leistungen, die ohne diese Steuerbefreiung steuerpflichtig wären, zu vermeiden (EuGH-Urteil vom 19. April 2007 C-455/05, Velvet & Steel, Slg. 2007, I-3225 Rdnr. 24). Derartige Schwierigkeiten bestehen für den Fall der Steuerpflicht nach Auffassung des Senats auch bei der Ãœbertragung zahlungsgestörter Forderungen.
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dd) Liegt beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen eine nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Garantieleistung vor, ist weiter klärungsbedürftig, ob der Forderungseinzug als Teil einer einheitlichen Leistung oder als Nebenleistung zu einer derartigen Garantie oder Ãœbernahme einer anderen Sicherheit anzusehen ist. Für Letzteres könnte unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils RLRE Tellmer Property in BFH/NV 2009, 1368 Rdnr. 23 sprechen, dass für den Forderungseinzug keine gesonderte Entgeltvereinbarung vorliegt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass dem Forderungseinzug ausschließlich dienende Funktion für das Garantieelement zukommt und es dem Forderungsverkäufer, dem Empfänger der Leistung, letztlich nur auf die Höhe des Forderungskaufpreises ankommt. Ob und inwieweit der Forderungskäufer die ihm übertragenen Forderungen einzieht, ist für den Forderungsverkäufer unerheblich, wenn eine Kaufpreisanpassung nach Maßgabe des tatsächlichen Beitreibungserfolgs –wie im Streitfall– ausgeschlossen ist.
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5. Zur dritten Vorlagefrage
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Liegt eine in den Anwendungsbereich der Steuer fallende und steuerpflichtige Leistung vor, ist zu klären, welcher Betrag als Entgelt anzusehen ist. Nach Art. 11 Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG gehört zur Besteuerungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für diese Umsätze vom Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Insoweit ist auslegungsbedürftig, ob sich dieser Wert nach den von den Parteien des Vertrages bei Vertragsschluss vermuteten Kosten für die Einziehung oder nach den hiervon ggf. abweichenden Kosten bestimmt, die für die Einziehung später tatsächlich anfallen.
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6. Rechtsgrundlage der Vorlage
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Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
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7. Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 74 FGO.
Quelle: Bundesfinanzhof
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