BFH V R 41/08 – Vorsteuerabzug bei Ausweis eines überhöhten Steuerbetrags und bei nachträglicher Erhöhung der Bemessungsgrundlage
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1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
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a) Bei richtlinienkonformer Auslegung ist der Wortlaut der Norm dahingehend einzuschränken, dass als Vorsteuer nur eine für den berechneten Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer abgezogen werden darf (vgl. bereits BFH-Urteile in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, sowie vom 30. März 2006 V R 9/03, BFHE 213, 144, BStBl II 2006, 933, und vom 6. Dezember 2007 V R 3/06, BFHE 221, 67, BStBl II 2009, 203; EuGH-Urteile Genius Holding in Slg. 1989, 4227, 4242, sowie zuletzt vom 15. März 2007 Rs. C-35/05, Reemtsma, Slg. 2007, I-2425, BFH/NV Beilage 2007, 293 Rdnr. 23, m.w.N.).
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b) Diese Grundsätze führen zwar zur gänzlichen Versagung des Vorsteuerabzugs, wenn der Umsatz wegen Vorliegens einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) nicht steuerbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 67, BStBl II 2009, 203) oder über einen steuerfreien Umsatz abgerechnet wurde (BFH in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 403; Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 15 Rz 165). Wird dagegen eine Steuer für den Umsatz geschuldet, statt der geschuldeten aber eine höhere Steuer ausgewiesen, steht dem Leistungsempfänger der darin enthaltene gesetzlich geschuldete Betrag für den Vorsteuerabzug zu (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 14 Rz 353; Bülow in Vogel/Schwarz, a.a.O., § 15 Rz 167; Abschn. 192 Abs. 3 Satz 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005). Sofern die in Rechnung gestellten Waren im Rahmen eines Leistungsaustauschs bezogen wurden, wovon das FG offensichtlich ausgegangen ist, hätte der Klage teilweise stattgegeben werden müssen. Die Höhe des Vorsteuerabzugs ergäbe sich in diesem Fall aber nicht durch Herausrechnen des ermäßigten Steuersatzes aus den jeweiligen Bruttobeträgen, sondern auf der Grundlage der in den Rechnungen ausgewiesenen und damit die Bemessungsgrundlage bildenden Nettobeträge. Der sich danach ergebende Steuerbetrag darf den in der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag nicht übersteigen.
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c) Ein darüber hinausgehender Vorsteuerabzug hätte der Klägerin auch nicht aus Billigkeitsgründen unter dem Gesichtspunkt eines Vertrauensschutzes bei unrichtigem Steuerausweis zugesprochen werden können. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin hinsichtlich des unrichtigen Steuerausweises gutgläubig war. Denn über einen derartigen Vorsteuerabzug wäre nicht im Rahmen des Festsetzungsverfahrens, sondern im davon zu unterscheidenden Billigkeitsverfahren (§ 155 Abs. 4 der Abgabenordnung –AO– i.V.m. § 163 Satz 1 AO) zu entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 12. August 2004 V R 18/02, BFHE 207, 381, BStBl II 2005, 227, unter 5.; vom 21. Januar 2003 VIII B 202/02, nicht veröffentlicht; vom 8. Juli 1998 I B 111/97, BFHE 186, 313, BStBl II 1998, 702; vom 22. August 1990 I R 69/89, BFHE 162, 263; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 163 AO Rz 145 f., m.w.N.).
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2. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, weil noch zu klären ist, ob die Klägerin die ihr vom Einzelunternehmen in Rechnung gestellten Waren im Zeitpunkt der jeweiligen Lieferung (1992 bis 1995) oder im Zusammenhang mit der Rechnungserstellung (1. August 2001) „gegen Entgelt“ und damit im Rahmen eines Leistungsaustausches bezogen hatte.
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3. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH werden Leistungen nach den übereinstimmenden Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG und in Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert einen unmittelbaren Zusammenhang begründet, so dass die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 20. August 2009 V R 30/06, juris; vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486). Dagegen liegt Eigenverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 a UStG 1993) bzw. –seit dem 1. April 1999– eine unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG 1999) vor, wenn ein Unternehmer im Inland Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen. Dabei ist für das Fehlen der Entgeltlichkeit und die Bestimmung für unternehmensfremde Zwecke auf den Zeitpunkt der Entnahme bzw. der Leistungsausführung abzustellen.
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