BFH VI R 41/07 – Zuschüsse zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn
1. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG ist der arbeitsrechtlich geschuldete.
2. Ein Zuschuss zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kann auch unter Anrechnung auf andere freiwillige Sonderzahlungen geleistet werden (entgegen R 3.33 Abs. 5 Satz 6 LStR 2009).
.
EStG § 40 Abs. 2 Satz 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Urteil vom 1. Oktober 2009 VI R 41/07
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 28. Juni 2007 VI 105/2006 (EFG 2007, 1687)
Gründe
1
I. Streitig ist im Rahmen der Ãœberprüfung der Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheids, ob die Voraussetzungen einer Lohnsteuerpauschalierung für Fahrtkostenzuschüsse erfüllt sind.
2
Eine bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für den Zeitraum Dezember 1996 bis Dezember 2000 durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung ergab, dass die Arbeitnehmer der Klägerin unter der Bezeichnung „Fahrtkostenzuschuss“ jährlich im November Zahlungen erhalten hatten, welche die Klägerin der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterworfen hatte. Unter der Bezeichnung „Fahrtkostenzuschuss“ wurde jeweils der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten abzugsfähige Betrag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Jahresbetrag) errechnet, ausgezahlt und pauschal versteuert. Der Differenzbetrag zum errechneten Weihnachtsgeld wurde mit der Bezeichnung „Weihnachtsgeld“ nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer versteuert. Arbeitnehmer mit höheren „Fahrtkostenzuschüssen“ erhielten weniger Weihnachtsgeld als Arbeitnehmer mit niedrigeren „Fahrtkostenzuschüssen“. Arbeitnehmern, die keine „Fahrtkostenzuschüsse“ erhalten konnten, wurde Weihnachtsgeld ausgezahlt.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) verneinte hinsichtlich der als „Fahrtkostenzuschüsse“ erbrachten Zahlungen die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG, weil sie nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, sondern unter Anrechnung auf das freiwillig gezahlte Weihnachtsgeld erbracht worden seien. Eine zusätzliche Zahlung liege auch dann nicht vor, wenn sie unter Anrechnung auf eine freiwillige Sonderleistung, z.B. Weihnachtsgeld, erbracht werde. Es sei unerheblich, ob die zusätzliche Leistung ihrerseits vom Arbeitgeber geschuldet oder freiwillig gewährt werde.
.
4
Auf Grundlage dieser Rechtsauffassung nahm das FA die Klägerin mit Bescheid vom 29. August 2001 in Höhe von 4.818 DM für Lohnsteuer in Haftung, soweit die Lohnsteuer auf die Arbeitnehmer entfiel, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bei der Klägerin beschäftigt waren. Für die Lohnsteuer der übrigen, bei der Klägerin noch beschäftigten Arbeitnehmer nahm das FA die Klägerin mit weiterem Bescheid vom 29. August 2001 in Höhe von 8.210,71 DM in Haftung.
5
Auf Einspruch erließ das FA am 9. Oktober 2001 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Haftungsbescheid und setzte die Haftsumme auf 7.706,40 DM fest; mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag nahm es den Haftungsbescheid vom 29. August 2001 um 2.887,86 DM zurück. Mit Bescheid vom 16. März 2006 nahm das FA den Haftungsbescheid vom 29. August 2001 betreffend den Zeitraum 2000 in Höhe von insgesamt 112 € aus anderen, nicht mehr streitigen Gründen zurück. Schließlich wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2006 die Einsprüche gegen die beiden Haftungsbescheide vom 29. August 2001 als unbegründet zurück.
6
Das Finanzgericht (FG) wies aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1687 veröffentlichten Gründen die dagegen erhobene Klage ganz überwiegend ab, beurteilte allerdings die im Einspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 9. Oktober 2001 und vom 16. März 2006 mangels hinreichender Bestimmtheit als nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 119 Abs. 1 AO nichtig und verurteilte insoweit das FA zur Änderung.
.