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BFH VI R 64/08 – Keine Opfergrenze, aber Berücksichtigung des Kindesunterhalts bei Unterhalt an Lebensgefährtin


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1. Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seine mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebende, mittellose Lebenspartnerin sind ohne Berücksichtigung der sog. Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbar (Anschluss an BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 III R 23/07, BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363).


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2. Gehört der Haushaltsgemeinschaft ein unterhaltsberechtigtes Kind an, sind die für Unterhaltsleistungen zur Verfügung stehenden Mittel um den nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG bemessenen Mindestunterhaltsbedarf des Kindes zu kürzen.

3. Der Mindestunterhalt ist in Höhe des doppelten Freibetrags für das sächliche Existenzminimum des Kindes anzusetzen. § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB kommt entsprechend zur Anwendung.

EStG § 33a Abs. 1
BGB § 1609, § 1603, § 1612a Abs. 1, § 1615l Abs. 3

Urteil vom 17. Dezember 2009 VI R 64/08

Vorinstanz: Thüringer FG vom 7. Mai 2008 IV 700/06

Gründe

I.
1
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebte im Streitjahr (2005) mit Frau E in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Zum gemeinsamen Haushalt gehörte auch das 2004 geborene gemeinsame Kind. Der Kläger leistete an E Unterhalt in Höhe von 7.680 €. E bezog im Streitjahr lediglich Lohnersatzleistungen von 253 €, aber keine Sozialleistungen. Der Kläger erhielt einen Bruttoarbeitslohn von 21.345 €, dazu 924 € Kindergeld sowie eine Einkommensteuererstattung von 41 €. Er zahlte Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.465 € und den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von 4 388 €. Ihm entstanden Werbungskosten von 920 €. Der danach verbleibende Nettobetrag betrug 14.537 €.

2
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Unterhaltsleistungen an E als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung lediglich 3.489 € und begründete dies damit, dass nach der sog. Opfergrenze nur 24 % des Nettoeinkommens des Klägers abziehbar seien.

3
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst 2009, 408).

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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

5
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.
7
Die Revision des FA ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur teilweisen Stattgabe der Klage. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Recht hat das FG die Unterhaltsleistungen des Klägers ohne Berücksichtigung einer Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen. Bei der gebotenen gleichmäßigen Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel unter in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen ist allerdings der Mindestunterhaltsbedarf des Kindes zu berücksichtigen.

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1. Aufwendungen für den Unterhalt einer gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigten Person können nach § 33a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Antrag bis zu einem bestimmten Betrag (im Streitjahr 7.680 €) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen ist nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG eine Person gleichgestellt, wenn ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29. Mai 2008 III R 23/07, BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363). Diese Voraussetzungen sind hier, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt, gegeben.

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2. Die sog. Opfergrenze ist auf Unterhaltsleistungen an den in Haushaltsgemeinschaft lebenden nichtehelichen Partner nicht anzuwenden.

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a) Unterhaltsaufwendungen für andere als gemäß Â§ 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorrangig unterhaltsberechtigte Personen können nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich sowie ggf. für seine Ehefrau und seine Kinder verbleiben (sog. Opfergrenze; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. Juni 1989 III R 258/83, BFHE 157, 422, BStBl II 1989, 1009, m.w.N.). Denn nach § 1603 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

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b) Gegenüber den nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG gleichgestellten Personen besteht grundsätzlich keine Unterhaltspflicht. Der gesetzgeberische Grund der Gleichstellung in § 33a Abs. 1 EStG liegt darin, dass der Unterhalt Leistende sich in einer vergleichbaren –sittlichen, nicht rechtlichen– Zwangslage wie der gesetzlich zum Unterhalt Verpflichtete befindet, wenn der Unterhaltsbedürftige durch Versagung von Sozialleistungen de facto auf das Einkommen seines Lebenspartners verwiesen wird.


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