BFH VII R 39/08 – Kein wirksames Steueraussetzungsverfahren ohne Bezugsberechtigung des Empfängers
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Auch das Schrifttum geht überwiegend davon aus, dass es für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens allein auf den objektiven Tatbestand der Bezugsberechtigung des Empfängers ankommt (Scheuer, Unregelmäßigkeiten beim innergemeinschaftlichen Versand verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2007, 2, 4; Alexander in Teichner/Alexander/ Reiche, MinöStG, StromStG, § 9 MinöStG Rz 8; Schröer-Schallenberg, Sanktionen und Hemmnisse im Verbrauchsteuerrecht, Tagungsband der 8. Jahrestagung des Europäischen Forums für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, 1996, S. 114, 124; a.A. statt aller Soyk, Die Steuerentstehung beim Entziehen verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Steueraussetzungsverfahren, ZfZ 1998, 2).
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2. Da sich im Streitfall an die Auslagerung des Mineralöls kein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschloss, entstand die Mineralölsteuer mit der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 und des Art. 6 Abs. 1 SystemRL ist das weitere Schicksal des Erzeugnisses nach der Entnahme der Ware aus dem Steuerlager bzw. aus dem Verfahren der Steueraussetzung unbeachtlich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob das Mineralöl im Steuergebiet, in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland verbraucht worden ist.
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a) Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich aus dem Bestimmungslandprinzip kein Erfordernis zur einschränkenden Norminterpretation ableiten. Das vom Senat vertretene Normverständnis führt auch nicht zu einer gemeinschaftsrechtswidrigen Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit. Zwar trifft es zu, dass –mit Ausnahme des privaten Reiseverkehrs– die Besteuerung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts im Bestimmungsland erfolgen soll, doch lässt sich aus diesem Grundsatz kein Verbot einer mehrfachen Entstehung und Erhebung der Verbrauchsteuer in verschiedenen Mitgliedstaaten ableiten. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) unter Bezugnahme auf Art. 22 Abs. 1 und 2 SystemRL ausgeführt hat, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Konzeption der SystemRL nicht zu einem absoluten Grundsatz erhoben (EuGH-Urteil vom 13. Dezember 2007 C-374/06, Slg. 2007, I-11271). Zudem ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 Abs. 1 SystemRL lediglich die Entstehung der Steuer und den Entstehungszeitpunkt regelt. Indes war eine Regelung der Erhebung und Einziehung der Steuer vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht beabsichtigt (EuGH-Beschluss vom 22. November 2001 C-80/01, Slg. 2001, I-9141).
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b) Dass die Verwendung der verbrauchsteuerpflichtigen Ware im Abgangsmitgliedstaat kein ungeschriebenes Merkmal des in § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 und Art. 6 Abs. 1 SystemRL normierten Steuerentstehungstatbestands ist, belegt die Existenz eines Entlastungsverfahrens für die Fälle, in denen bereits in den freien Verkehr eines Mitgliedstaats überführte Waren in einen anderen Mitgliedstaat mit der Folge geliefert werden, dass auch im Bestimmungsland die Steuer zur Entstehung gelangt (vgl. § 24 Abs. 1 MinöStG 1993 und Art. 22 SystemRL). Grundsätzlich wird durch die Möglichkeit einer Steuerentlastung im Abgangsmitgliedstaat eine Doppelbesteuerung und damit eine Beschränkung des freien Warenverkehrs durch eine gemeinschaftswidrige Abgabenbelastung vermieden und damit das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Dass eine solche Entlastung –insbesondere zur Vermeidung von Steuerumgehungen– nach Art. 22 Abs. 2 SystemRL von bestimmten verfahrenstechnischen Voraussetzungen abhängt, ist systemimmanent. Der Umstand, dass in Einzelfällen eine Entsteuerung der in einen anderen Mitgliedstaat gelieferten Waren aufgrund der Nichteinhaltung des hierfür vorgeschriebenen Verfahrens misslingt, führt nicht dazu, dass sich die Regelungen über die Steuerentstehung insgesamt aufgrund eines Verstoßes gegen die u.a. durch Art. 28 und 90 EG garantierte Warenverkehrsfreiheit als gemeinschaftsrechtswidrig erweisen. Im Ãœbrigen obliegt die Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens den Mitgliedstaaten, denen es unbenommen bleibt, auch in diesen Fällen unter den von ihnen festgelegten Voraussetzungen (z.B. Nachweis der Verwendung und Besteuerung der Waren im Bestimmungsland) eine Entlastung vorzusehen (vgl. hierzu die Ausführungen des Generalanwalts Jacobs in den Schlussanträgen in der Rechtssache C-5/05, Rz 94, 95, und hierzu EuGH-Urteil vom 23. November 2006, Slg. 2006, I-11075, Rz 53).
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3. Eine einschränkende Interpretation des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 ist auch nicht aufgrund des Rechtsgedankens geboten, dem die Entlastungsregelung in § 53 MinöStV zugrunde liegt.
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a) Der Gesetzgeber hat den in dieser Vorschrift für den Fall der Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung festgelegten Entlastungsanspruch mit dem Systemgedanken der Verbrauchsbesteuerung begründet, wonach die Steuer letztlich die in der Einkommensverwendung liegende Leistungsfähigkeit desjenigen treffen will, der die Ware verwendet, nicht aber Hersteller oder Händler, die lediglich mit dem Inkasso beauftragt sind. Daher ist es im Grunde konsequent, wenn das Risiko des Steuerausfalls in einem bestimmten Umfang dem Fiskus als Steuergläubiger zugewiesen wird (Senatsurteil vom 1. Dezember 1998 VII R 21/97, BFHE 187, 177, m.w.N.). Allerdings zwingt allein der Systemgedanke der Verbrauchsbesteuerung, nach dem die Möglichkeit der Abwälzbarkeit ein Wesensmerkmal der Verbrauchsteuer ist (Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, S. 65 ff., m.w.N.), den Gesetzgeber nicht dazu, alle Verbrauchsteuern unterschiedslos nach diesem System auszurichten und inhaltlich gleich auszugestalten (Senatsurteil in BFHE 187, 177, 189). Dies gilt auch für die Normierung von Steuerentstehungs- und Entlastungstatbeständen innerhalb eines die Besteuerung bestimmter Erzeugnisse regelnden Gesetzes. Dem Grundsatz der Verbrauchsbesteuerung muss der Gesetzgeber nicht in jedem Fall und unter allen Umständen Rechnung tragen.
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