BFH VII R 43/08 Insolvenzanfechtung der Zahlung der Organgesellschaft auf die Steuerschuld des Organträgers
Dem Kläger stehe schließlich auch kein Bereicherungsanspruch nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu, da § 37 Abs. 2 Satz 1 AO diesen bei Steuerzahlungen verdränge.
Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 481 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht der Kläger die Verletzung von §§ 38, 131 InsO, §§ 37, 44, 73 AO geltend. Er hält die Rechtsauffassung des FG für fehlerhaft, dass die Zahlung der Umsatzsteuer durch den Insolvenzverwalter der Organgesellschaft nicht angefochten werden könne, weil das FA vor Erlass eines Haftungsbescheids noch keinen Vermögensanspruch gegen die Organgesellschaft gehabt habe und nach Zahlung der Steuerschuld nicht mehr zu den Insolvenzgläubigern gehöre. Eine Haftung der Organgesellschaft für Umsatzsteuern des Organträgers sei nach § 38 AO bereits in dem Zeitpunkt entstanden, zu dem der Organträger den Tatbestand verwirklicht habe, der seine Umsatzsteuerschuld habe entstehen lassen. Lediglich zur Durchsetzung des Haftungsanspruchs bedürfe es des Erlasses eines Haftungsbescheids. Der Umstand, dass der Haftungsanspruch nur akzessorisch zur Steuerschuld des Organträgers sei, ändere nichts daran, dass das FA mit diesem Anspruch auf die spätere Teilnahme am Insolvenzverfahren verwiesen wäre, hätte es nicht eine Befriedigung vorab erlangt. Das aber reiche aus, um das FA im Wege der Anfechtung auf Rückzahlung des erhaltenen Betrags in Anspruch nehmen zu können, denn als Anfechtungsgegner komme jeder in Betracht, der seinen Vermögensanspruch ohne die anfechtbare Rechtshandlung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen könne. Abgesehen davon sei die Insolvenzanfechtung ausnahmsweise auch gegenüber einem Nicht-Insolvenzgläubiger zugelassen, wenn der Insolvenzschuldner –wie im Falle der Gesamtschuld gemäß § 44 Abs. 1 AO– für die Erfüllung der Forderung selbst einzustehen habe. Die Einschränkung, dass die Anfechtung nur in Betracht komme, wenn der Leistende nicht zugleich einen Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den eigentlichen Schuldner erwerbe, greife im Falle der Organschaft nicht durch, weil sich nach der Rechtsprechung aus der Natur der Organschaft ergebe, dass die Organgesellschaft eine für den Organträger vorgenommene Steuerzahlung von diesem nicht ersetzt verlangen könne. Die Insolvenzgläubigerschaft des FA scheitere auch nicht daran, dass die Steuerforderung von der Organgesellschaft, die selbst nicht Steuerschuldnerin gewesen sei, schon vor ihrer Entstehung beglichen worden sei und dass mangels Entstehung einer Steuerschuld im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auch kein Haftungsanspruch bestanden habe. Da sich das Recht der Insolvenzanfechtung in erster Linie an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiere, trete im Fall der Organschaft die Unterscheidung zwischen Steuerschuldnerschaft und Haftungsschuldnerschaft zurück. Die Organschaft sei im Rahmen der Anfechtung als Gesamtheit zu betrachten mit der Folge, dass in der angefochtenen Leistung die Befriedigung eines Insolvenzgläubigers zu sehen sei, nämlich einer Person, die ihre Forderung ohne Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung nur durch Teilnahme am Insolvenzverfahren hätte verfolgen können.
Das FA entgegnet:
Die durch die Insolvenzschuldnerin geleistete Zahlung unterliege nicht der Insolvenzanfechtung. Eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheitere, weil das FA aufgrund der bereits erfolgten Tilgung und der bestehenden Akzessorietät zwischen der Steuerschuld und eventueller Haftungsschuld nicht Insolvenzgläubiger im Verfahren der Organgesellschaft habe werden können. Eine Umsatzsteuerschuld, für die die Organgesellschaft nach § 73 AO habe haften können, sei im Streitfall nicht entstanden. Deshalb sei auch kein Gesamtschuldverhältnis entstanden, aufgrund dessen das FA im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft von dieser Befriedigung hätte verlangen können. Aber auch nach der Rechtsauffassung des Klägers, dass als Anfechtungsgegner jeder in Betracht komme, der seinen Vermögensanspruch ohne die anfechtbare Rechtshandlung nur als Insolvenzgläubiger hätte geltend machen dürfen, sei die Anfechtung nicht berechtigt, denn ohne die auf fremde Rechnung geleistete Zahlung wäre die Steuerschuld vom Organträger als Steuerschuldner zu erfüllen gewesen und es spreche nichts dafür, dass dieser den Anspruch des FA nicht hätte erfüllen können oder erfüllt hätte. Die Steuerzahlung sei nur dem Organträger gegenüber anfechtbar, da es sich um eine Leistung an diesen gehandelt habe, der dadurch Befreiung von seiner Steuerschuld erlangt habe.
Der Beigeladene, der Organträger, unterstützt die Auffassung des FA, dass wegen der Begleichung der Steuerschuld vor Insolvenzeröffnung die Voraussetzungen für eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Organgesellschaft nicht vorgelegen hätten und weist darauf hin, dass durch die Zahlung der Organgesellschaft er, der Organträger, eine eigene Verbindlichkeit getilgt habe, wenn auch mit fremden Mitteln.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG ist mit dem Bundesrecht im Ergebnis vereinbar (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Das FA hat Anspruch auf Rückzahlung der an den Kläger (zurück-)gezahlten rund 41.000 €. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Die Rückzahlung in die Insolvenzmasse ist ohne Rechtsgrund erfolgt.
Der Rechtsgrund für die Rückzahlung des von der Organgesellschaft an das FA gezahlten Betrags ergibt sich im Streitfall nicht aus § 143 Abs. 1 InsO. Danach muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Hier hat das FA dem Kläger den Betrag zur Insolvenzmasse zurückgezahlt, den die Organgesellschaft nach den Feststellungen des FG vor Insolvenzeröffnung auf die Umsatzsteuer des Organträgers gezahlt hatte. In dieser Zahlung der Organgesellschaft hat der Kläger zu Unrecht eine gegenüber dem FA anfechtbare Handlung gesehen.