BFH X R 40/06 Auslegung des Begriffs der Anschaffungskosten oder Herstellungskosten
Bemessungsgrundlage für Absetzungen für Abnutzung nach Einlage zum Teilwert
Bemessungsgrundlage für Absetzungen für Abnutzung nach Einlage ist die Differenz zwischen dem Einlagewert und den vor der Einlage bei den Ãœberschusseinkunftsarten bereits in Anspruch genommenen planmäßigen und außerplanmäßigen Absetzungen.
EStG 2003 § 7 Abs. 1 Satz 4
Urteil vom 18. August 2009 X R 40/06
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 5. September 2006 13 K 537/05 (EFG 2007, 112)
Gründe
I.
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) betrieb bis zu seinem Tod am 13. November 1999 einen Textileinzelhandel. Bis zum Todeszeitpunkt vermietete die Klägerin das ihr gehörende Grundstück und Gebäude M-Straße (Gebäude) in B an ihren Ehemann, der es im Einzelunternehmen nutzte.
Die Klägerin hatte für das vermietete Gebäude Herstellungskosten in Höhe von 416.583 DM aufgewandt. Bis zum Todeszeitpunkt setzte sie Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 232.340 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab.
Sie übernahm im Rahmen der Erbauseinandersetzung im Jahr 2000 den Textileinzelhandel. Ihr Grundstück behandelte sie ab dem Erbfall als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens. Der Restbuchwert des Gebäudes bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Einlagezeitpunkt betrug 184.243 DM. Der Teilwert für das betrieblich genutzte Gebäude belief sich im Zeitpunkt des Erbfalls auf 820.000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) sah in der betrieblichen Nutzung des Gebäudes ab der Ãœbernahme des Einzelunternehmens durch die Klägerin eine Einlage. Er bestimmte als Einlagewert den Teilwert in Höhe von 820.000 DM. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr 2003 geltenden Fassung (nunmehr § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG) sei Bemessungsgrundlage der AfA nach der Einlage die Differenz zwischen den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (416.583 DM) und den bereits bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Anspruch genommenen Abschreibungen (232.340 DM), d.h. im Streitfall der Betrag von 184.243 DM.
Aus dem Ãœberwachungsbogen zu den Abschreibungen für das Gebäude in den Steuerakten geht hervor, dass den bestandskräftigen Veranlagungen vom Einlagezeitpunkt bis einschließlich zum 31. Dezember 2002 eine tatsächlich abgesetzte AfA von insgesamt 75.027 DM zugrunde liegt.
Im Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr ließ das FA für das Gebäude AfA in Höhe von 2 % aus 184.243 DM = 3.684 DM (1.884 €) zum Abzug zu.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Im Klageverfahren beantragte sie, AfA in Höhe von 6.009,31 € (= 11.753 DM) zu berücksichtigen. Dies entspricht der Anwendung des AfA-Satzes von 2 % auf 587.660 DM (= Einlagewert von 820.000 DM ./. bereits beanspruchte AfA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 232.340 DM). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2007, 112).
Mit der Revision macht das FA geltend: Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG nehme auf die „Anschaffungs- und Herstellungskosten“ Bezug. Dies seien die „historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ und nicht der Einlagewert (Hinweis auf R 43 Abs. 6 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1999 –EStR– in der Fassung vom 14. Dezember 1999 –BStBl I Sondernummer 3/1999). Hierdurch entstehe kein Wertungswiderspruch zwischen der Abschreibung bei Wirtschaftsgütern, die vor der Einlage im Privatvermögen bereits zur Einkünfteerzielung genutzt worden seien, und Wirtschaftsgütern, die vor der Einlage nicht zur Einkünfteerzielung genutzt worden seien. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG bewirke bei „vorgenutzten“ Wirtschaftsgütern die zeitversetzte Berücksichtigung der bis zur Einlage im Privatvermögen entstandenen stillen Reserven.
Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des FG vom 5. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt dem Vortrag des FA entgegen und beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.