BFH XI R 14/08 Kein Vorsteuerabzug einer Grundstücksgemeinschaft
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Das FG hat der Klägerin auf der Grundlage seiner bisherigen tatsächlichen Feststellungen zu Unrecht einen Anspruch auf Vorsteuerkorrektur gemäß Â§ 15a UStG 1993 wegen der Aufwendungen für das sowohl privat als auch unternehmerisch genutzte Gebäude und einen Anspruch auf Vorsteuerabzug gemäß Â§ 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 1 UStG 1993/1999 aus den Rechnungen über die laufenden Kosten zugebilligt. Die Sache ist nicht spruchreif, da die tatsächlichen Feststellungen des FG für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht ausreichen.
1. Nach § 15a Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG 1993 ist der Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von zehn Jahren seit dem Beginn der Verwendung ändern.
a) Gemäß Â§ 15a Abs. 3 UStG 1993 sind die Abs. 1 und 2 auf Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten entfallen, sinngemäß anzuwenden. Die begehrte Berichtigung des Vorsteuerabzugs setzt danach voraus, dass es sich bei den Aufwendungen der Jahre 1994 bis 1996 nicht um Erhaltungsaufwendungen, sondern um nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Davon ist der Umsatzsteuer-Sonderprüfer ausgegangen (vgl. Tz. 13, letzter Satz des Berichts vom 11. Januar 2005). Das FG hat hierzu bisher noch keine eigenen Feststellungen getroffen.
b) § 15a UStG 1993 beruht auf Art. 20 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Diese Bestimmung beschränkt sich darauf, das Verfahren für die Berechnung der Berichtigung des Vorsteuerabzugs festzulegen. Sie kann kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehen lassen (vgl. EuGH-Urteile vom 11. Juli 1991 Rs. C-97/90 –Lennartz–, Slg. 1991, I-3795, Randnr. 12; vom 2. Juni 2005 Rs. C-378/02 –Waterschap Zeeuws Vlaanderen–, Slg. 2005, I-4685, BFH/NV Beilage 2005, 323, Randnr. 38). Die Berichtigung eines unterbliebenen Vorsteuerabzugs wegen einer nachträglichen Option zur Steuerpflicht von Verwendungsumsätzen setzt daher voraus, dass zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs im Ãœbrigen der Tatbestand des § 15 UStG 1993 bzw. des Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt war (vgl. Wenzel in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15a Rz 32).
Danach erfordert nicht nur der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 27. Juni 1991 V R 106/86, BFHE 165, 304, BStBl II 1991, 860), sondern auch die Berichtigung nach § 15a UStG 1993 (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2008 V R 10/07, BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II. 4. der Gründe; vgl. auch EuGH-Urteil Waterschap Zeeuws Vlaanderen in Slg. 2005, I-4685, BFH/NV Beilage 2005, 323, Randnrn. 39 ff. zu Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG), dass der Unternehmer die Leistung „für sein Unternehmen“ bezogen hat.
c) Wird ein Gegenstand –wie im Streitfall das Gebäude der Klägerin, auf das die Aufwendungen entfallen— sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für private Zwecke genutzt (sog. gemischte Nutzung), hat der Unternehmer nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH ein Zuordnungswahlrecht (vgl. EuGH-Urteil vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00 –Seeling–, Slg. 2003, I-4101, BStBl II 2004, 378, Randnr. 40, m.w.N.; BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 XI R 58/07, BFHE 223, 487, BStBl II 2009, 394, m.w.N.). Er kann den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, ihn in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder ihn auch nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in sein Unternehmen einbeziehen (vgl. EuGH-Urteile HE in Slg. 2005, I-3123, BFH/NV Beilage 2005, 196, Randnr. 46; vom 14. Juli 2005 Rs. C-434/03 –Charles und Charles-Tijmens–, Slg. 2005, I-7037, BFH/NV Beilage 2005, 328, Randnr. 23, m.w.N., jeweils zu gemischtgenutzten Gebäuden).
Die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers „bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Gegenstandes“; gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II. 3. c der Gründe, m.w.N.).
Spätere Absichtsänderungen eines Steuerpflichtigen wirken nicht auf den Zeitpunkt des Leistungsbezugs zurück und führen deshalb nicht dazu, dass für Eingangsleistungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuerbeträge nachträglich als Vorsteuerbeträge abziehbar sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II. 3. d cc der Gründe, und in BFHE 223, 487, BStBl II 2009, 394, jeweils m.w.N.).
Aus dem EuGH-Urteil vom 30. März 2006 Rs. C-184/04 –Uudenkaupungin kaupunki– (Slg. 2006, I-3039, BFH/NV Beilage 2006, 286) ergibt sich für den Fall der nachträglichen Option nichts Anderes. Denn dort lag keine teilweise private Nutzung, die eine Zuordnungsentscheidung erforderlich gemacht hätte, sondern eine Nutzung zu steuerbefreiten und damit zu unternehmerischen Zwecken vor (vgl. Randnrn. 22 und 36 des Urteils).
d) Im Streitfall ist das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft, weil das FG keine Feststellungen über eine Zuordnung des teilweise zu privaten Wohnzwecken genutzten Gebäudes zum Unternehmen der Klägerin und demzufolge auch keine Feststellungen über einen Bezug der Bauleistungen „für das Unternehmen“ i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 getroffen hat.
2. Die Vorentscheidung kann aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil das FG von unzutreffenden Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug einer Bruchteilsgemeinschaft, die selbst unternehmerisch tätig ist, ausgegangen ist.