Garantiezusage eines Autoverkäufers als steuerpflichtige sonstige Leistung (BFH XI R 49/07)
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bb) Im Streitfall hat sich der Kläger nach § 1 Nr. 2 der „Garantiebedingungen B 196“ zur Durchführung einer Reparatur im Falle des Schadenseintritts und nicht zu einer Schadensersatzleistung in Geld verpflichtet. Danach hat der Käufer/Garantienehmer einen Anspruch gegen den Kläger, dass er die entsprechenden Reparaturarbeiten durchführt, also Naturalrestitution leistet. Bei diesem Anspruch handelt es sich ebenso wenig wie bei der Verpflichtung zur Renovierung einer Immobilie um eine Finanzdienstleistung. Bei einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung liegen damit die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG hinsichtlich der Verpflichtung des Klägers zur Durchführung der Reparatur nicht vor.
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b) Der V. Senat des BFH hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er an seiner gegenteiligen Auffassung in dem Urteil in BFHE 201, 343, BStBl II 2003, 445 nicht mehr festhält.
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3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handelt es sich bei der Garantiezusage gemäß den „Garantiebedingungen B 196“ umsatzsteuerrechtlich um eine einheitliche Leistung und nicht um zwei selbstständige Leistungen.
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a) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergebe sich, dass zwar jede Dienstleistung in der Regel als eigene, selbstständige Dienstleistung zu betrachten sei. Es dürfe aber eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich gespalten werden. Deshalb sei das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringe, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei. Eine einheitliche Leistung liege insbesondere vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellten, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 –Card Protection Plan Ltd (CCP)–, Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 1999, 254).
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Eine einheitliche Leistung sei aber auch dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornehme oder Elemente liefere, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. EuGH-Urteile vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04 –Levob Verzekeringen und OV Bank–, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Randnr. 22; vom 29. März 2007 Rs. C-111/05 –Aktiebolaget NN–, Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420, Randnr. 23; vom 21. Februar 2008 Rs. C-425/06 –Part Service Srl.–, Slg. 2008, I-897, UR 2008, 461, Randnr. 53; vom 11. Juni 2009 Rs. C-572/07 –RLRE Tellmer Property sro–, BFH/NV 2009, 1368, Randnr. 19).
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b) Die letztgenannten Voraussetzungen einer untrennbaren wirtschaftlichen Leistung sind im Streitfall bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Garantiezusage entgegen der Auffassung des FG erfüllt.
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Der Kläger hat gegenüber den Käufern der Kfz eine „Garantie“ abgegeben. Diese umfasste die Funktionsfähigkeit bestimmter Bauteile für die vereinbarte Laufzeit. Der Kläger war damit Garantiegeber für jeden in den Garantiebedingungen bezeichneten Schadensfall und der Kunde schuldete das Entgelt für dieses Versprechen. Durch die Garantiebedingungen wurde dem Gläubiger („Garantienehmer“) zwar ein Wahlrecht in der Weise eingeräumt, dass es in seinem Belieben stand, im Schadensfall entweder die Reparatur durch seinen Händler durchführen zu lassen (Reparaturanspruch) oder den verschafften Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen und die Reparatur durch einen anderen Vertragshändler ausführen zu lassen (Reparaturkostenersatzanspruch). Die Garantiezusage hat für den Gläubiger („Garantienehmer“) aber den wirtschaftlichen Zweck, dass ein evtl. künftiger Schaden an seinem Fahrzeug in dem garantierten Umfang beseitigt wird, ohne dass er für die Kosten aufkommen muss. Die nach der Wahl des Kunden zu erbringende Leistung entweder des Händlers oder der Versicherung dient diesem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck, sodass die Verpflichtung zur Eigenreparatur und die Verschaffung des Versicherungsschutzes so eng miteinander verbunden sind, dass ihre Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Die Garantiezusage stellt sich damit aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers als eine einheitliche untrennbare Leistung dar, für die er auch einen einheitlichen Preis zu zahlen hat.
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Zwar kommt bei der Gesamtbetrachtung dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, nach der Rechtsprechung des EuGH keine entscheidende Bedeutung zu; der EuGH räumt aber ein, dass es für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung sprechen könne, wenn ein Leistungserbringer seinen Kunden eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines Gesamtpreises erbringe (vgl. Urteil Card Protection Plan Ltd (CPP) in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Randnr. 31).
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c) Der Senat ist bei der Würdigung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob zwei getrennte Leistungen gegeben sind, nicht an die anderslautende Entscheidung der Vorinstanz gebunden.
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Denn die Gesamtbetrachtung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, ist zwar im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.d und 3.b der Gründe, m.w.N.). Es ist aber anerkannt, dass der BFH im Rahmen der revisionsrechtlichen Nachprüfung der Auslegung von Verträgen durch das FG auch nachzuprüfen hat, ob das FG die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage der Beteiligten erforscht und zutreffend gewürdigt hat (vgl. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 V R 75/98, BFH/NV 2002, 547, unter II.4.a; vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II.1.a cc; vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, unter II.2.b aa). Entsprechendes gilt für die hier vorzunehmende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung eines Leistungsbündels aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auf der Grundlage von Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen gelten. Der BFH würde seiner gesetzlichen Verpflichtung, eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO), nicht gerecht werden, wenn er sich insoweit auf die Prüfung eines Verstoßes gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze beschränken und damit die Möglichkeit einander widersprechender finanzgerichtlicher Urteile in Kauf nehmen würde.