Generaldebatte über unseren Sozialstaat
Düsseldorf (ots) – Die wichtigste politische Aussage kam gestern von der Kanzlerin. Erstmals zeigte sie sich bereit, eine Generaldebatte über unseren Sozialstaat zu führen. Nachdem sie bislang ihr Heil im Beschwichtigen und Beruhigen sah, ist das wohltuend. Denn das Nachdenken darüber, wie es in einer Gesellschaft, in der heute schon durchschnittlich pro Kopf 2500 Euro im Jahr an Sozialleistungen fließen, weitergehen soll, ist nötig.
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Zweitrangig ist dabei, ob Angela Merkel dank tieferer Einsicht zu dieser Bereitschaft fand oder es ihr einfach zu ungemütlich wurde. Denn die Forderungen an sie, die Beschimpfungen gegen ihren Vize-Regierungschef Westerwelle – die bis zu Heiner Geißlers unentschuldbarem „Esel“ reichten – zu unterbinden, gewannen täglich an Deutlichkeit. Allerdings hat Westerwelle es ihr auch nicht leicht gemacht. Mit Schlagworten wie Sozialismus und Dekadenz schoss er so scharf, wie er es einst in der Opposition ungestraft tun durfte. Als Vizekanzler und Außenminister hingegen, der sich ja durch besonderes diplomatisches Geschick auszeichnen sollte, war das grenzwertig. Er bestärkte nebenbei Kritiker, die den Liberalen vorwerfen, sie ließen sich mehr von Partei- als von Koalitionszielen leiten. Bemerkenswert allerdings: Als Westerwelle nicht zurücksteckte, brachte ihm das zwar weiteren Gegenwind, sogar von seinem FDP-Stellvertreter Andreas Pinkwart, ein. Andererseits wuchs trotz Kritik am Stil die Zustimmung in der Sache.
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Ein typisches Beispiel ist der CDU-Politiker Michael Fuchs, immerhin stellvertretender Fraktionsvorsitzender, der sich wie viele von Westerwelles Wortwahl distanzierte, aber ebenfalls deutlich vor einer Umverteilung zu Lasten der Steuerzahler warnte. Denn die Wirkung höherer Hartz-IV-Zahlungen ist – und diese Logik hat nichts mit Diskriminierung zu tun – einfach und bedrohlich: Für noch mehr Menschen als bisher würde sich Arbeit finanziell nicht mehr lohnen, also stiege die Zahl der Hartz-IV-Empfänger weiter an. Die deshalb weniger werdenden Berufstätigen müssten noch mehr Leistungsempfänger unterstützen, was steigende Steuern bzw. niedrigere Nettoeinkommen bedeutet. Die fatale Spirale würde sich weiter drehen. Damit wäre auch keinem Hartz-IV-Empfänger geholfen.
Westdeutsche Zeitung: Hartz-IV = von Martin Vogler
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