Korrektur eines Einheitswertbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist – dreistufiges Verfahren zur Festsetzung der Grundsteuer – BFH II R 14/08
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Nach § 120 Abs. 3 FGO muss der Revisionskläger die Revisionsgründe angeben. Das erfordert nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die erhobene Rüge muss eindeutig erkennen lassen, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält. Bezieht sich die Revision auf zwei in einem Verfahren verbundene Steuerbescheide, müssen bezogen auf beide Steuerbescheide die verletzten Rechtsnormen angegeben werden, aus denen sich die Mängel ergeben (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463). Die Revision der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nur hinsichtlich des Einheitswertbescheids, nicht aber hinsichtlich des Grundsteuermessbescheids. Das FG hat die Klage betreffend den Grundsteuermessbescheid als unzulässig abgewiesen. Hiergegen haben die Kläger keine Einwände erhoben. Sie rügen vielmehr ausschließlich eine Verletzung von § 181 Abs. 5 AO und beziehen sich damit nur auf den Einheitswertbescheid.
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2. Soweit sich die Revision gegen die Vorentscheidung über den Einheitswertbescheid richtet, ist sie begründet und führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des Ablehnungsbescheids sowie zur Verpflichtung des FA, den Einheitswertbescheid dahin zu berichtigen, dass der Einheitswert auf den 1. Januar 1998 mit Wirkung auf den 1. Januar 2000 ausgehend von einer Grundstücksfläche von 228 qm anstatt 2 280 qm festgestellt wird (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Einheitswertbescheid vom 23. Juni 1998 wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr berichtigt werden könne.
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a) Dem FA ist beim Erlass des Einheitswertbescheids eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO) unterlaufen, indem es eine Grundstücksfläche von 2 280 qm anstatt 228 qm zugrunde gelegt hat.
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b) Im Zeitpunkt der Antragstellung im Jahre 2004 war die –auch für die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten zu beachtende (§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO)– Frist für die Korrektur der gesonderten Feststellung des Einheitswerts bereits abgelaufen. Sie begann mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Nachfeststellung vorzunehmen ist, also mit Ablauf des Jahres 1998 (§ 181 Abs. 3 Satz 1 AO i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 2 BewG), und endete nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Jahres 2002.
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c) Das FG hat jedoch übersehen, dass der Einheitswertbescheid auch dann noch berichtigt werden kann, wenn die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer wie hier für die Jahre 2000 bis 2003 noch nicht abgelaufen ist.
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Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381; vom 13. Juli 1999 VIII R 76/97, BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747; vom 12. Juni 2002 XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681; BTDrucks VI/1982, S. 157). Die Vorschrift gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch für die Änderung oder Berichtigung von Feststellungsbescheiden (BFH-Urteile in BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381; vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156; vom 6. Juli 2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16).
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aa) Das Verfahren zur Festsetzung der Grundsteuer vollzieht sich in drei Stufen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1985 II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128). Auf der ersten Stufe stellt das FA im Einheitswertbescheid den Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes fest (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 19 Abs. 1 BewG). Auf der zweiten Stufe setzt das FA im Grundsteuermessbescheid den Steuermessbetrag durch Multiplikation der Steuermesszahl mit dem Einheitswert fest (§ 184 Abs. 1 AO, § 13 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes –GrStG–). Auf der dritten Stufe schließlich setzt die Gemeinde die Grundsteuer fest, wobei sie den Grundsteuermessbetrag mit ihrem Hebesatz multipliziert (§ 27 Abs. 1 GrStG).
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bb) Im Verhältnis von Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid ist § 181 Abs. 5 Satz 1 AO mit der Maßgabe anwendbar, dass anstelle der „Steuerfestsetzung“ die „Messbetragsfestsetzung“ auf der zweiten Stufe tritt, so dass es auf den Ablauf der Festsetzungsfrist für die zweite Stufe ankommt (vgl. FG Köln, Urteil vom 21. November 2001 6 K 1134/01, EFG 2002, 1245; zum zweistufigen Feststellungsverfahren: BFH-Urteil in BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747). Denn nach § 184 Abs. 1 Satz 3 AO gelten für die Festsetzung von Steuermessbeträgen die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß. Die Feststellung des Einheitswerts auf der ersten Stufe hat für die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auf der zweiten Stufe die gleiche dienende Funktion wie bei einem einfachen Feststellungsverfahren die Feststellung für die Steuerfestsetzung.
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