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Maßgeblichkeit von zulässigem Gesamtgewicht und Nutzlast für PKW-Besteuerung – Abgrenzung zwischen einem PKW und einem LKW (BFH II R 6/08)


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Fahrzeuge, die bauartbedingt weitgehend einem PKW entsprechen und sich auch hinsichtlich des zulässigen Gesamtgewichts und der Nutzlast von einem PKW nicht wesentlich unterscheiden, unterliegen der emissionsbezogenen Hubraumbesteuerung nach § 8 Nr. 1 KraftStG. Eine Besteuerung solcher Fahrzeuge als LKW nach dem Fahrzeuggewicht kommt nur in Betracht, wenn die Fahrzeuge ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 2 800 kg und eine Nutzlast von mehr als 800 kg haben.

KraftStG § 2 Abs. 2 Satz 1, § 8 Nr. 1 und 2
PBefG § 4 Abs. 4 Nr. 1
Urteil vom 24. Februar 2010 II R 6/08
Vorinstanz: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2007 2 K 1099/06


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Gründe

I.
1
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Halter eines Kraftfahrzeugs vom Typ Opel ASTRA-F-LFW. Das Fahrzeug hat werksseitig keine hinteren Sitze und eine Trennwand zwischen dem Fahrgastraum und der Ladefläche. Befestigungspunkte für Sicherheitsgurte und Sitze fehlen im Bereich der Ladefläche. Das Fahrzeug hat zwei Türen und eine Heckklappe. Die hinteren Seitenfenster sind verblecht. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 1 595 kg und die Nutzlast 458 kg. Die der Personenbeförderung dienende Fläche hat das Finanzgericht (FG) mit 1,68 qm, die Ladefläche mit 2,16 qm ermittelt.

2
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab dem 16. August 2005 ausgehend von der Fahrzeugart PKW auf jährlich 464 € fest.

3
Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Einordnung seines Fahrzeugs als PKW wandte, blieben ohne Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass nach der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs dessen Eignung und Bestimmung zur Lastenbeförderung die Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung nicht deutlich überwiege. Die Größe der Nutzfläche und die erlaubte Zuladung seien nicht nur im Verhältnis zu der Gesamtfläche bzw. zum Gesamtgewicht des zu beurteilenden Fahrzeugs zu sehen; vielmehr müssten auch die absolute Größe der Ladefläche und die absolut erlaubte Zuladung in die Gesamtwürdigung der Beschaffenheitsmerkmale des Fahrzeugs einbezogen werden. Diesen Merkmalen komme ein besonderes Gewicht zu, weil sie maßgeblich auf die Eignung und Bestimmung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung Einfluss hätten.

4
Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 8 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG). Entgegen der Auffassung des FG sei bei der Gesamtbetrachtung aller entscheidungserheblichen Merkmale davon auszugehen, dass sein Fahrzeug als LKW einzustufen sei. Entscheidend seien hier die werksseitige Verblechung der Fenster im Fondbereich, die Abtrennung des Fahrgastraumes zum Laderaum, fehlende Befestigungspunkte für Sitze und Gurte im Laderaum, das Verhältnis von Laderaum zum Fahrgastraum sowie die Transportmöglichkeiten.

5
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2007 sowie die Einspruchsentscheidung des FA vom 7. Juli 2006 aufzuheben und sein Fahrzeug als LKW zu besteuern.

6
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Es hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass es bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Behandlung des Fahrzeugs des Klägers von Bundesland zu Bundesland eine sehr unterschiedliche Rechtsanwendungspraxis gebe. Solche Fahrzeuge würden überwiegend als LKW, häufig aber auch als PKW besteuert. Seiner Auffassung nach handele es sich bei dem Fahrzeug des Klägers um einen PKW, weil die an dem Fahrzeug vorgenommenen Modifikationen dem Grundmodell (PKW) keinen neuen Charakter verliehen.

II.
8
Die Revision des Klägers ist unbegründet und deswegen zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

9
1. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass das Fahrzeug des Klägers nicht als „anderes Fahrzeug“ i.S. des § 8 Nr. 2 KraftStG (hier als LKW) nach dem Gewicht zu besteuern ist, sondern als PKW der emissionsbezogenen Hubraumbesteuerung gemäß § 8 Nr. 1 KraftStG unterliegt. Es hat zutreffend erkannt, dass für die Abgrenzung zwischen LKW und PKW dem Fahrzeuggewicht sowie der Zuladung maßgebliche Bedeutung zukommt.

10
a) Das KraftStG enthält keine ausdrückliche Definition des PKW; es verweist in § 2 Abs. 2 Satz 1 lediglich auf die „jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften, wenn nichts anderes bestimmt ist“. Die verkehrsrechtlichen Vorschriften enthalten keine ausdrücklichen Bestimmungen des Begriffs des PKW oder des LKW. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat insoweit mehrfach entschieden, dass sich weder aus der Richtlinie 2001/116/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 zur Anpassung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt noch aus anderen verkehrsrechtlichen Vorschriften entsprechende Begriffsbestimmungen ergeben (Entscheidungen vom 1. Oktober 2008 II R 63/07, BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20; vom 23. Februar 2007 IX B 222/06, BFH/NV 2007, 1351; vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721, und vom 28. November 2006 VII R 11/06, BFHE 215, 568, BStBl II 2007, 338, jeweils m.w.N.).

11
Der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt vielmehr ein eigenständiger kraftfahrzeugsteuerrechtlicher PKW-Begriff zugrunde, der auf die ursprüngliche Begriffsbestimmung in § 10 Abs. 2 des KraftStG i.d.F. vom 30. Juni 1955 (BGBl I 1955, 418, 420) zurückgreift und der nunmehr in § 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes enthalten ist (BFH-Urteil in BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20). Danach ist ein PKW ein Fahrzeug mit vier oder mehr Rädern, das nach seiner Bauart und Einrichtung zur Personenbeförderung (zunächst höchstens sieben, heute höchstens neun Personen einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721, und vom 30. Oktober 2008 II B 60/08, nicht amtlich veröffentlicht). Diese auf historischer Betrachtung beruhende Rechtsanwendung wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfindung und stellt eine anerkannte Methode der Gesetzesauslegung dar (Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 2009 1 BvR 3227/08, BFH/NV 2009, 2124).


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