Rede zur Sozialstaatsdebatte von Guido Westerwelle
Meine Frage an Sie ist: Ist Ihnen eigentlich klar, dass im Niedriglohnbereich, in dem Millionen von Leute bereits arbeiten oder Arbeit aufnehmen können, die Senkung der Steuern überhaupt keine Rolle spielt?
Ein Ehepaar, das 1 800 Euro brutto verdient, zahlt keine Steuern, sondern Sozialabgaben.
(Christian Lindner (FDP): Er hat doch von Steuern und Abgaben gesprochen! Was wollen Sie denn? Weitere Zurufe von der FDP)
– So etwas kann man doch ruhig klären. Die FDP sollte vielleicht einmal etwas für ihre Gemütsverfassung tun.
Meine Frage lautet, Herr Westerwelle: Wäre es nicht klüger wenn es Ihnen ein ernstes Ansinnen ist , uns daranzumachen, im Niedriglohnbereich die Lohnzusatzkosten, also die Abgaben, zu senken, weil eine Steuersenkung diese Leute gar nicht erreichen kann? Wer zielgenau helfen will, müsste doch ein Progressivmodell in der Form einführen, dass die Sozialabgaben im unteren Einkommensbereich niedriger sind und erst ab einer bestimmten Größenordnung, vielleicht bei einem Einkommen von 2 000 Euro, die 40 Prozent erreichen, die wir heute haben.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Ich glaube, Herr Kollege, dass Sie einen wichtigen Punkt ansprechen. Deswegen habe ich hier übrigens immer von der Senkung der Steuern und der Abgaben gesprochen.
Beides ist Teil unserer Koalitionsvereinbarung. Beides wollen wir als christlich-liberale Koalition durchsetzen. Aber leider ist es nicht so, dass das Thema Steuern nicht mehr zu besprechen wäre. Wir haben beispielsweise bei den Kinderfreibeträgen etwas geschafft, was aus unserer Sicht gerade für diejenigen wichtig ist, die Familien gegründet haben und dies oft genug als Armutsrisiko erleben mussten.
(Markus Kurth (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN): Das hilft doch nur den Gutverdiener! Swen Schulz (Spandau) (SPD): Sie haben einfach keine Ahnung! Weitere Zurufe von der SPD)
– Warten Sie doch bitte einen Augenblick! – Es ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, dass nach unserem deutschen Steuerrecht für Kinder ein niedrigerer Freibetrag als für Erwachsene gilt. Wir wollen, dass Kinder endlich gleich und fair behandelt werden, dass sie wie Erwachsene behandelt werden. Das ist ein wichtiger Punkt.
Sie haben recht bezüglich der Abgaben. Eine Änderung ist Teil der Koalitionsvereinbarung und selbstverständlich auch unseres Regierungsprogramms. In diesem Punkt stimmen wir sogar ausdrücklich überein. Was die Analyse dessen, was zu tun ist, angeht, werden wir noch reden müssen.
Herr Kollege Kuhn, Sie haben in dieser Debatte als ein wichtiger Vertreter der Grünen gesprochen. Erlauben Sie mir daher folgende Bemerkung: Was mir nicht gefällt auch Sie haben diese Debatte beantragt ,
(Renate Künast (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN): Das war gestern!)
ist, wie schnell Sie vergessen haben, was Sie damals in einer Sozialstaatsdebatte selbst gesagt haben. Ich zitiere einmal, was Frau Künast am 21. August 2004 gesagt hat, als die Gesetze beschlossen worden sind, die jetzt in Karlsruhe kassiert wurden: Mit 1- oder 2 Euro-Jobs könnten Arbeitslose Grünflächen pflegen oder ältere Menschen betreuen.
(Renate Künast (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN): Das ist doch nicht das Gleiche!)
Das sagte Renate Künast. Was nehmen Sie sich heraus, dass Sie mir meine Kritik vorwerfen, liebe Frau Kollegin?
Zum Schluss möchte ich auf folgenden Punkt eingehen: Ich hoffe, dass wir diese Debatte erweitern, und zwar um den wichtigsten Punkt der Sozialpolitik überhaupt, um die Bildungspolitik. Die damit verbundene Entwicklung muss als soziale Herausforderung ernst genommen werden. Hier in Berlin da regieren SPD und Linkspartei ist man wieder so weit, dass Gymnasiumsplätze nicht mehr nach Begabung vergeben, sondern im Mangelfalle sogar verlost werden „Lotterieglück für Aufstiegschancen“. Wir haben uns da etwas anderes vorgestellt.
Deswegen muss diese Debatte geführt werden.
Endlich ist das erreicht worden, was erreicht werden sollte. In den Mittelpunkt unserer Politik gehören nicht einige Millionäre.
(Christian Lange (Backnang) (SPD): Sie machen Politik für Millionäre, für sonst niemanden! Weitere Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
In den Mittelpunkt unserer Politik gehören vor allen Dingen der Mittelstand und die Mittelschicht. Sie tragen das Land; sie ziehen den Karren.
Das ist es, worauf die Bürger einen Anspruch haben: dass Leistung sich lohnt. Diese Bürger erwirtschaften nämlich, was Sie verteilen wollen, und deren Last darf nicht immer schwerer gemacht werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Christian Lange (Backnang) (SPD): Für Millionäre! Sie machen nichts anderes! Alexander Ulrich (DIE LINKE): Volksverhetzer!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Elke Ferner von der SPD-Fraktion.
Elke Ferner (SPD):
…..
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Ferner, bitte.
Elke Ferner (SPD):
…..
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Ferner, Ihre Redezeit ist weit überzogen.
Elke Ferner (SPD):
…..
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kollege Westerwelle zur Erwiderung.
Dr. Guido Westerwelle (FDP) (spricht von seinem Platz aus):
Frau Kollegin Ferner,
(Alexander Ulrich (DIE LINKE): Sie sitzen wieder da, wo Sie hingehören!)