Schwarze Kirchenkasse
Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema „Schwarze Kirchenkasse“:
Bielefeld (ots) – Wenn man den Eindruck hat, nicht einmal mehr dem Wort eines Pfarrers an der Spitze eines Kirchenkreises vertrauen zu können – wo soll man dann noch Halt finden? Die Führungsspitzen des Kirchenkreises Herford, die seit Jahrzehnten eine millionenschwere schwarze Kasse vor ihren Gemeindemitgliedern und den meisten Pfarrern geheimgehalten haben, haben dem Ansehen der evangelischen Kirche enorm geschadet.
Mehr noch: Sie haben Misstrauen innerhalb der eigenen Reihen gesät. Die stille Reserve für Notzeiten nicht an die große Glocke zu hängen, um vielleicht keine Begehrlichkeiten zu wecken, ist eine Sache. Sie dann aber in Zeiten leerer Kassen zu leugnen und Stellen zu halbieren und Mitarbeiter zu entlassen – das kann nicht so einfach entschuldigt werden.
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Um es ganz klar zu sagen: Als in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen den Kirchen den Rücken kehrten und die Einnahmen dramatisch zurückgingen, haben die Verantwortlichen des Kirchenkreises Herford gelogen: Sie haben öffentlich erklärt, die Kirche habe kein Geld mehr und müsse an allen Ecken und Enden sparen. Obwohl annähernd 50 Millionen Euro auf der hohen Kante lagen. Viele Pfarrer, die nicht dem Kreissynodalvorstand angehörten, haben diese Lüge geglaubt. Von der Kanzel herunter schilderten sie ihren Gemeindegliedern eindringlich die Geldnot. Und etliche Menschen öffneten ihr Herz und spendeten ein sogenanntes freiwilliges Kirchgeld – für die Jugendarbeit, die Altenpflege, den Erhalt des Kirchengebäudes oder der Orgel. Diese Kirchgänger müssen sich jetzt ebenso ausgenutzt und hintergangen fühlen wie die Pfarrer, die für das Kirchgeld geworben hatten. So wie die Pfarrer an vorderster Front für die zusätzlichen Einnahmen gesorgt hatten, stehen sie jetzt wieder in der ersten Reihe, wenn Kritik erboster Gemeindeglieder droht. Ob dem jeweiligen Superintendenten, dem Verwaltungsleiter, der Kassenleitung oder Mitgliedern des Kreissynodalvorstandes strafrechtlich oder disziplinarrechtlich etwas vorzuwerfen ist, spielt eher eine untergeordnete Rolle. Viel entscheidender ist doch die Frage der Moral. Wenn Menschen der Kirche etwas übelnehmen, dann ist es Scheinheiligkeit. Wer Nächstenliebe predigt, aber die eigenen Mitarbeiter über die Klinge springen lässt, weil er seinen Notgroschen retten will; wer Wahrhaftigkeit predigt, aber von den Kanzeln Lügen verbreiten lässt, um mehr Geld einzutreiben – der riskiert seinen Anspruch, als Bewahrer christlicher Werte anerkannt zu sein. Superintendent Michael Krause, der seit 2009 im Amt ist und die schwarze Kasse jetzt öffentlich gemacht hat, hat den ersten Schritt getan, um Vertrauen zu retten. Einen Grund, ihn als großen Aufklärer zu feiern, gibt es trotzdem nicht. Michael Krause hat im Gegensatz zu seinen Vorgängern nur die Wahrheit gesagt. Endlich.
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