Selbstanzeige – Weitergabe von Selbstanzeigedaten an andere Behörden
Nachdem die Selbstanzeigewelle in Deutschland unverändert anhält, hat sich das Bundesfinanzministerium (BMF) Anfang 2010 erneut mit dem Thema der Zulässigkeit der Weitergabe von Selbstanzeigedaten an andere Behörden beschäftigt. Ein neues BMF-Schreiben vom 12.03.2010 (Az. BMF IV A 3 – S 0130/08/10006) regelt nun, wie diese Fälle zukünftig zu behandeln sind.
Das Problem besteht darin, dass Beamte, die eine Selbstanzeige gemäß § 371 Abgabenordnung (AO) abgeben zwar straffrei ausgehen, soweit es die Steuerhinterziehung betrifft. Da ein Beamter aber in einem sog. besonderen Gewaltverhältnis zum Staat steht und sich eine weitergehende Einschränkung seiner Grundrechte gefallen lassen muss als der Normalbürger, kann er trotzdem disziplinarisch für die offenbarte Steuerhinterziehung belangt werden. Begründet wird dies regelmäßig damit, dass er mit seinem Verhalten das Ansehen des Berufsbeamtentums geschädigt hat. Im Extremfall, kann ein Beamter, der sehr hohe Beträge nachmeldet, dafür tatsächlich aus dem Dienst entfernt werden. Das Verwaltungsgericht München hat in einem Fall auch einem pensionierten Beamten wegen Steuerhinterziehung die Ruhestandsbezüge aberkannt (VG München, 19.05.2008 – M 19 D 07.5464).
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Eine Entscheidung, ob disziplinarrechtlich gegen den Beamten vorgegangen werden soll kann der Dienstherr aber nur treffen, wenn ihm dieser Sachverhalt bekannt wird. Der Schutz von Daten, die im Besteuerungsverfahren erlangt werden, unterliegt aber grds. dem Steuergeheimnis nach § 30 AO. Aus diesem Grund darf die Finanzverwaltung Daten, die ihr im Rahmen einer solchen Selbstanzeige bekannt werden, nur unter bestimmten Umständen weitergeben. Es war lange streitig, ob das Steuergeheimnis, dem auch Daten zu einer Selbstanzeige unterliegen, für disziplinarische Maßnahmen durchbrochen werden darf. Eine letzte klarstellende Entscheidung, die die Weitergabe unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, hat das Bundesverfassungsgericht 2008 gefällt (BVerfG -Beschluss vom 6. 5. 2008 – 2 BvR 336/07). Das nun vorliegende BMF-Schreiben konkretisiert aktuell die Voraussetzungen unter Hinweis auf diese Entscheidung und hebt damit ein älteres Schreiben aus dem Jahre 2000 (BMF v. 10.5.2000 IV A 4 – S 0130 – 19/00) auf, in dem pauschal ein Hinterziehungsbetrag von DM 5.000,- für eine Weitermeldung überschritten sein musste.
Im aktuellen BMF-Schreiben stellt die Finanzverwaltung nun darauf ab, ob bei wertender Betrachtung der nachgemeldeten Beträge und der durch die Nichtanzeige zunächst verursachten Steuerhinterziehung eine Zurückstufung des Beamten oder sogar eine Entfernung aus dem Dienst in Betracht kommen würde. Wenn aus Sicht der Finanzverwaltung eine solche Maßnahme in Betracht kommt – das prüft regelmäßig der Bearbeiter in der Bußgeld- und Strafsachenstelle – leitet dieser die Daten an die Dienstaufsicht des Beamten weiter. In diesen Fällen liegt ein zwingendes öffentliches Interesse an der Weitergabe nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO vor.
Problematisch an dieser Regelung ist, dass ein Beamter aus der Finanzverwaltung, der keinerlei Ausbildung im Disziplinarrecht hat, nun beurteilt, ob etwa ein Lehrer, ein Gemeindebeamter oder ein verbeamteter Arzt von seinem Dienstherrn entsprechend belangt werden würde. Die Regelung hat also eine doppelte Unwägbarkeit: Die Beurteilung einer Rechtsmaterie, die man selbst nie gelernt hat und die Prognose – ohne eigene Erfahrungswerte – ob es zu derart disziplinarischen Maßnahmen kommen würde.
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Es bleibt abzuwarten, wie das BMF-Schreiben in der Praxis der Bußgeld- und Strafsachenstellen gehandhabt wird. Eines steht jedenfalls jetzt schon fest: Beamten wird die Entscheidung, Steuern nachzuerklären damit nicht leichter gemacht. Für Anwälte und Steuerberater bringt die Regelung auch noch Haftungspotential: Vergisst der Berater, den Mandanten auf das Risiko des Disziplinarverfahrens hinzuweisen und wird er herabgestuft oder verliert nach abgegebener Selbstanzeige tatsächlich seinen Arbeitsplatz, wird das für den Berater ein teure Angelegenheit. (WB)
Quelle: openPR