Steuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz
1. Ein „Glücksspiel mit Geldeinsatz“ i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG erfordert die Einräumung einer Gewinnchance an den Leistungsempfänger (Spieler) und im Gegenzug die Hinnahme des Risikos durch den Leistenden (Geräteaufsteller), die Gewinne auszahlen zu müssen.
2. Die Gewinnchance muss in der Chance auf einen Geldgewinn bestehen.
3. Spiele, die dem Spieler lediglich die Möglichkeit einräumen, seinen Geldeinsatz wiederzuerlangen (sog. „Fun-Games“), erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
UStG 1999 § 4 Nr. 9 Buchst. b
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. f
FGO § 99 Abs. 2
Urteil vom 29. Mai 2008 V R 7/06
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 7. Dezember 2005 5 K 182/04 (EFG 2006, 447)
Gründe
I.
Streitig ist die Steuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von Unterhaltungsgeräten (sog. „Fun-Games“).
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand ihres Unternehmens ist die Aufstellung, Wartung und Pflege von Automaten aller Art und der Betrieb von Spielhallen.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr (2001) Unterhaltungsgeräte, mit denen gegen Entgelt sog. „Tokenspiele“ gespielt werden konnten. Das Tokenspiel ermöglicht dem Spieler, entweder seinen Einsatz zurückzugewinnen oder eine Weiterspielmöglichkeit zu erhalten, wobei die Weiterspielmöglichkeit auch zeitversetzt, d.h. nicht unmittelbar im Anschluss an das vorherige Spiel, bestehen kann. Der Spieler hat aber keine Möglichkeit, einen Gewinn zu erzielen, der seinen Einsatz übersteigt.
Das von der Klägerin angebotene Tokenspiel mit einem Tokenmanager funktioniert nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wie folgt:
– Geld wird in einen sog. Tokenmanager eingeworfen. Der Tokenmanager ist eine vom Tokenspielgerät getrennte Zahlstelle –ein Kassenautomat–.
– Der eingeworfene Betrag wird im Tokenmanager auf einer Chipkarte gespeichert.
– Der Spieler erhält Token (Wertmünzen) im Gegenwert des eingeworfenen Geldbetrags.
– Für die in das Tokenspielgerät eingeworfenen Token erhält der Spieler am Tokenspielgerät Spielpunkte gutgeschrieben.
– Der Spieler kann sich die Spielpunkte am Tokenspielgerät in Token auszahlen lassen (z.B. 100 Punkte = 1 Token = 5 €).
– Die Token kann der Spieler am Tokenmanager in Geld zurücktauschen, wobei der Rücktausch auf die Höhe des auf der Chipkarte gespeicherten Einzahlungsbetrags beschränkt ist.
Die Spieldauer beträgt regelmäßig drei Sekunden. Bei der Klägerin war im Streitjahr die Chance auf einen „Rückgewinn“ zeitlich auf ein halbes Jahr und der Höhe nach auf 50 € beschränkt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) schätzte die Besteuerungsgrundlagen zur Umsatzsteuer für 2001 wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung und setzte die Umsatzsteuer für 2001 mit Bescheid vom 28. Juli 2003 und sodann nach Eingang der Umsatzsteuerjahreserklärung durch Änderungsbescheid vom 25. September 2003 fest.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsbescheid vom 30. März 2004).
Hiergegen erhob die Klägerin Klage, mit der sie u.a. geltend machte, dass die ausgeführten Umsätze aus dem Betrieb der Tokenspielgeräte gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei seien, da es sich um „Glücksspiele mit Geldeinsatz“ im Sinne der Richtlinienbestimmung handele.
Das FG stellte durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fest, „dass der Umsatz aus den von der Klägerin betriebenen Unterhaltungsgeräten steuerpflichtig“ sei. Es führte zur Begründung u.a. aus, die von der Klägerin angebotenen „Fun-Games“ (Tokenspiele) seien kein „Glücksspiel“ i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG. Bei einem Tokenspiel finde keine tatsächliche Vermögensverschiebung vom Geräteaufsteller zum Spieler unter Zwischenschaltung eines Vermögens- bzw. Verrechnungspools statt. Vielmehr beschränke sich die Verwirklichung der Gewinnchance auf die Rückzahlung des Einsatzes. Eine weitergehende Gewinnmöglichkeit sei durch Tokenmanager und Speicherkarte ausgeschlossen. Die Möglichkeit eines über den Einsatz hinausgehenden Geldgewinns sei typisch für das Glücksspiel. Dies zeige auch der Vergleich zu den in der Richtlinienbestimmung genannten „Wetten und Lotterien“. Das Urteil ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte“ (EFG) 2006, 447 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG). Sie meint, die Betrachtung des FG sei zu oberflächlich und lasse viele Fragen offen. Bei einem „Fun-Game“ wie dem Tokenspiel komme es entgegen der Auffassung des FG zu einer Vermögensverschiebung. Auch die unterschiedliche deutsche, englische und französische Sprachfassung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG ließen als zweifelhaft erscheinen, ob im Streitfall entgegen der Auffassung des FG nicht doch ein Glücksspiel im Sinne dieser Bestimmung zu bejahen sei.
Die Klägerin beantragt, das Zwischenurteil des FG aufzuheben.
Darüber hinaus regt die Klägerin an, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) die Frage vorzulegen, ob ein Glücksspiel nur dann anzunehmen ist, wenn das Spiel so ausgestaltet ist, dass der Spieler mehr Bargeld gewinnen als verlieren kann.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
A. 1. Die Revision ist statthaft. Zwischenurteile i.S. des § 99 Abs. 2 FGO sind selbständig mit der Revision anfechtbar (§§ 115 Abs. 1, 36 Nr. 1 FGO), da diese Entscheidungen keiner Rechtsmittelbeschränkung unterliegen, wie sie etwa in § 67 Abs. 3 FGO für ein Zwischenurteil nach § 97 FGO über die Zulässigkeit der Klageänderung vorgesehen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 25. November 2004 IV R 51/03, BFH/NV 2005, 547).
2. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Zwischenurteils gemäß Â§ 99 Abs. 2 FGO lagen im Streitfall vor.
a) Nach § 99 Abs. 2 FGO kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und nicht der Kläger oder der Beklagte widerspricht. Entscheidungserheblich sind solche Vorfragen, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 1999 IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139).
b) Die Frage, ob die durch das Tokenspiel ausgeführten Umsätze der Klägerin aufgrund der Richtlinienbestimmung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, ist entscheidungserheblich. Eine Vorabentscheidung hierzu durch ein Zwischenurteil war sachdienlich, wie das FG näher dargelegt hat. Auch haben die Beteiligten dem Erlass eines Zwischenurteils nicht widersprochen.
B. Die Revision ist jedoch unbegründet.
Die durch das Tokenspiel ausgeführten Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) der Klägerin sind weder nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1999 noch nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. „Fun-Games“ in Form von „Tokenspielen“ wie im Streitfall sind keine „Glücksspiele mit Geldeinsatz“ i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG.
I. Die Umsätze der Klägerin aus dem Tokenspiel sind nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1999 steuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind die Umsätze steuerfrei, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt, da die streitigen Umsätze zum einen nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen und die Klägerin zum anderen auch keine öffentliche Spielbank betreibt (vgl. hierzu bereits BFH-Urteile vom 12. Mai 2005 V R 7/02, BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617, und vom 19. Mai 2005 V R 50/01, BFH/NV 2005, 1881: Nachfolgeentscheidungen zum EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005 in den verbundenen Rs. C-453/02 und C-462/02, Linneweber und Akritidis, Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2005, 194).
II. Die Umsätze der Klägerin aus dem Tokenspiel sind auch nicht nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG steuerbefreit.
Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer u.a.: „Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden.“
1. Zwar kann sich ein Veranstalter oder Betreiber von „“ auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinn berufen, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1999 keine Anwendung findet (vgl. EuGH-Urteil, Linneweber und Akritidis, in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94, UR 2005, 194, Randnr. 30, und BFH-Urteile in BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617, und in BFH/NV 2005, 1881).
2. Das von der Klägerin betriebene Tokenspiel ist aber kein „Glücksspiel mit Geldeinsatz“ im Sinne dieser Bestimmung.
a) Ein „Glücksspiel mit Geldeinsatz“ erfordert –ebenso wie die in dieser Vorschrift erfassten „Wetten“ und „Lotterien“– die Einräumung einer Gewinnchance an den Leistungsempfänger und im Gegenzug die Hinnahme des Risikos durch den Leistenden, diese Gewinne auszahlen zu müssen.
Dies hat der EuGH bereits –ungeachtet der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgezeigten Unterschiede in den jeweiligen Sprachfassungen des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG– zu dem ebenfalls in dieser Vorschrift erfassten Wettumsatz entschieden (EuGH-Urteil vom 13. Juli 2006 Rs. C-89/05, United Utilities plc, Slg. 2006, I-6813, BFH/NV Beilage 2006, 462, Randnr. 26).
Diese Rechtsprechung des EuGH ist auf den in Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG enthaltenen Begriff der „Glücksspiele mit Geldeinsatz“ übertragbar, denn die Einräumung einer Gewinnchance an den Leistungsempfänger ist allen „Glücksspielen mit Geldeinsatz“ eigen.
b) Diese „Gewinnchance“ muss in einer Chance auf einen Geldgewinn –wenn auch nur in relativ geringer Höhe– bestehen. Das ergibt sich aus den Urteilen des EuGH vom 21. September 1999 Rs. C-124/97, Läärä (Slg. 1999, I-6067, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht –EuZW– 2000, 148 Randnr. 17) und vom 26. Oktober 2006 Rs. C-65/05, Kommission/Hellenische Republik (Slg. 2006, I-10341, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht –EWS– 2006, 560 Randnr. 36).
aa) Der EuGH führt in Randnr. 17 des Urteils Läärä (in Slg. 1999, I-6067, EuZW 2000, 148) aus:
„In der vorliegenden Rechtssache geht es dagegen nach den Feststellungen des nationalen Gerichts um ein Glücksspiel. Die betreffenden Apparate bieten gegen ein speziell für ihre Benutzung bestimmtes Entgelt die Chance eines Geldgewinns. Die relativ geringe Höhe der Einsätze und Gewinne, die von den Klägern des Ausgangsverfahrens geltend gemacht wird, verhindert, wie die meisten am vorliegenden Verfahren beteiligten Regierungen betont haben, keineswegs, dass insbesondere aufgrund der Zahl in der Betracht kommenden Spieler und der Neigung der meisten von diesen, wegen der Kürze des Spiels und seines Fortsetzungscharakters sehr viele Spiele hintereinander zu spielen, durch den Betrieb dieser Apparate erhebliche Beträge eingenommen werden können.“
Hier betrachtet der EuGH –entgegen der Ansicht der Klägerin– nicht allein die Höhe der einzunehmenden Beträge aus Sicht des Veranstalters schon als maßgebliches Kennzeichen eines Glücksspiels, ungeachtet des Umfanges der Gewinnchance. Entscheidend ist vielmehr, dass der Benutzer der Apparate die „Chance eines Geldgewinns“ hat.
bb) Die dort getroffene Auslegung des Begriffs „Glücksspiel“ bestätigte der EuGH in seinem Urteil Kommission/Hellenische Republik, in Slg. 2006, I-10341, EWS 2006, 560 Randnr. 36).
Dieses Urteil betraf das nationale Verbot elektrischer, elektromechanischer, elektronischer Spiele und Spiele für elektronische Rechner durch ein nationales Gesetz. Der EuGH führte im Rahmen der Prüfung, ob die Beschränkung i.S. des Art. 28 EG nach Art. 30 EG gerechtfertigt ist, aus:
„36. Das vorliegende Verfahren unterscheidet sich jedoch von den beiden Rechtssachen, die zu den Urteilen Schindler und Läärä u.a. geführt haben, insoweit, als es sich im vorliegenden Fall unstreitig um elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele handelt, die keine Merkmale aufweisen, die denjenigen der in jenen Rechtssachen streitigen Spiele vergleichbar sind. Die Spiele, die Gegenstand des in Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 ausgesprochenen Verbotes sind, sind ihrer Natur nach keine Glücksspiele, denn sie bieten keine Chance auf einen Geldgewinn (vgl. im Umkehrschluss Urteil Läärä u.a., Randnr. 17).“
Hier spricht der EuGH ebenfalls von einem (erforderlichen) Geldgewinn. Diese Aussage ist eindeutig. Sie wird entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch relativiert, dass der EuGH im ersten Satz dieser Randnummer auf mehrere „Merkmale“ hinweist.
cc) Die Grundsätze der genannten Urteile lassen sich auch für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Glücksspiel“ in Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG heranziehen, denn auch diese Bestimmung erfasst aufgrund ihres Wortlauts „Glücksspiele mit Geldeinsatz“ (vgl. EuGH-Urteil, Linneweber, Akritidis, in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94, UR 2005, 194).
dd) Aus dem von der Klägerin angeführten EuGH-Urteil vom 18. Oktober 2007 Rs. C-195/06, KommAustria (EuZW 2007, 734) ergibt sich nichts anderes. Zudem befasst sich das Urteil des EuGH in diesem Fall mit dem Begriff des „Gewinnspiels“ und nicht mit dem des „Glücksspiels“.
ee) Dem von der Klägerin ferner genannten EuGH-Urteil vom 11. September 2003 Rs. C-6/01, Anomar (Slg. 2003, I-8621, Gewerbearchiv –GewArch– 2004, 26) kann nicht entnommen werden, dass bei Geldspielautomaten nicht auf die Möglichkeit eines Geldgewinns abzustellen sei, um sie als Glücksspiel im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu qualifizieren.
Zum einen verweist das Urteil in Randnr. 46 auf die Randnr. 18 in dem EuGH-Urteil Läärä (in Slg. 1999, I-6067, EuZW 2000, 148), nach dessen Randnr. 17 ein Glücksspiel die Chance eines Geldgewinns voraussetzt. Zum anderen führt das EuGH-Urteil, Anomar, in Slg. 2003, I-8621, GewArch 2004, 26 Randnr. 47 aus:
„Diese Beurteilung ist zu bestätigen, und alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden vom Gerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung zugrunde gelegten Kriterien, nämlich die Erbringung einer bestimmen Dienstleistung gegen Entgelt und die Erwartung eines Gewinns in Geld.“
ff) Der Aussage des EuGH zur Bestimmung des Ortes der Dienstleistung i.S. des Art. 9 Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG in seinem Urteil vom 12. Mai 2005 Rs. C-452/03, RAL (Channel Islands Ltd.) u.a. (Slg. 2005, I-3947, BFH/NV Beilage 2005, 302 Randnr. 31) dass das Hauptziel der Tätigkeit in der Unterhaltung der Benutzer der Geldspielautomaten besteht und nicht darin, ihnen einen Gewinn zu verschaffen, kann –entgegen der Ansicht der Klägerin– nicht entnommen werden, dass ein Glücksspiel i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG dann vorliegt, „wenn Gewinnen und Verlieren, sei es auch nur in Form von Punkten, einen überwiegenden Teil des Spielprinzips ausmacht“.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23. November 2005 6 C 8.05 (Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts –Buchholz– 451.20, § 33c der Gewerbeordnung (GewO) Nr. 6, Deutsches Verwaltungsblatt –DVBl– 2006, 519) für die Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs des „Glücksspiels“ nicht maßgeblich.
aa) Nach diesem Urteil ist zwar die gewerbsmäßige Aufstellung von Tokenspielgeräten mit Tokenmanagern, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind, gemäß § 33c Abs. 1 GewO erlaubnispflichtig, weil Tokenspiele mit Tokenmanager „die Möglichkeit eines Gewinns“ in Form des „Rückgewinns des Einsatzes“ ermöglichen.
bb) Ob ein bestimmter Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen oder von ihr zu befreien ist, kann aber nicht davon abhängen, wie er nach nationalem Recht (hier: § 33c GewO) qualifiziert wird (vgl. EuGH-Urteile vom 26. Mai 2005 Rs. C-498/03, Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I-4427, BFH/NV Beilage 2005, 310 Randnr. 25, und vom 14. Juni 2007 Rs. C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 Randnr. 25). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 8. März 2001 Rs. C-240/99, Skandia, Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130 Randnr. 23, und Haderer, in BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 Randnr. 17).
cc) Im Ãœbrigen führt das BVerwG in seinem Urteil (in Buchholz 451.20, § 33c GewO Nr. 6, DVBl 2006, 519, unter II.4. der Entscheidungsgründe) aus, dass die Frage der Besteuerung der Umsätze von gewerblichen Geräteaufstellern durch Geldspielgeräte für die gewerberechtliche Beurteilung „keine Bedeutung“ hat. Das gilt auch umgekehrt.
d) Die Beurteilung des FG, dass das Tokenspiel im Streitfall für den Spieler keine Gewinnchance im Sinne einer Chance auf einen Geldgewinn bietet, hält den Angriffen der Revision stand.
aa) Die durch das Tokenspiel eingeräumte Möglichkeit, (lediglich) seinen Geldeinsatz wiederzuerlangen, ist –wie das FG zutreffend ausführt– keine Gewinnchance im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, denn sie eröffnet dem Spieler nach Beendigung des Spiels maximal den Verbleib eines ungeschmälerten Vermögens und damit die Verhinderung eines Verlustes. Das Tokenspiel bietet daher nicht die Chance, einen Gewinn im Sinne einer Vermögensmehrung zu erzielen. Diese Möglichkeit wird durch den Tokenmanager und die Speicherkarte vielmehr ausgeschlossen. Diese Würdigung ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG möglich. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze und bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).
bb) Soweit die Klägerin darauf hinweist, im vorliegenden Fall bestehe die Möglichkeit, (zusätzlich) eine beliebige Menge an Token zu gewinnen, ist dies unerheblich. Auch wenn Token nicht eine bloße Weiterspielmöglichkeit, wie beispielsweise ein reines „Freispiel“, darstellen, stellt ihr Gewinn keinen Geldgewinn dar.
Der weitere Einwand der Klägerin, ein Spielgerät, bei dem ein Spieler bereit sei, einen Verlust von bis zu 480 € pro Stunde in Kauf zu nehmen, könne keinen „reinen Unterhaltungswert“ haben, ändert nichts daran, dass auch in diesem Falle eine Chance auf einen Geldgewinn ausgeschlossen ist.
cc) Wie das FG weiterhin zutreffend ausführt, erfährt der Leistungsempfänger keine unmittelbare Vermögensmehrung seitens des Leistenden dadurch, dass er ggf. seinen Spieleinsatz übersteigende Token an fremde Dritte außerhalb der Leistungsbeziehung mit dem Leistenden veräußert. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn entsprechend der Gestaltung des Spielvertrages dem jeweiligen Spieler von vornherein die Möglichkeit eingeräumt wird, die Token gegen Geld oder andere Gegenleistungen als die bloße Weiterspielmöglichkeit zu tauschen (vgl. dazu Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. Dezember 2002 5St RR 296/02, GewArch 2003, 119, Juristische Rundschau 2003, 386). Dass die Spielverträge der Klägerin derart gestaltet waren, dass die Spieler von vornherein die Möglichkeit eines Umtausches der Token über den Einsatz hinaus in Geld oder andere Gegenleistungen hatten, ergibt sich aber nicht aus den Feststellungen des FG.
3. Der Senat ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin angeregte Vorabentscheidung durch den EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EG herbeizuführen.
Die von der Klägerin gestellte Rechtsfrage, ob ein Glücksspiel i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG nur dann anzunehmen ist, wenn das Spiel so ausgestaltet ist, dass es dem Spieler die Chance auf einen den Einsatz übersteigenden Geldgewinn bietet, kann anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH (s. oben, unter II.B.II.2.) zweifelsfrei bejaht werden.
Quelle: Bundesfinanzhof