Steuerfreie Leistungen eines Orchestermusikers gegenüber seinem Orchester (BFH V R 28/08)
1. Ein Orchestermusiker kann als Unternehmer gegenüber dem Orchester, in dem er tätig ist, nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/EWG umsatzsteuerfreie kulturelle Leistungen erbringen (Anschluss an EuGH-Urteil vom 3. April 2003 C-144/00, Hoffmann, Slg. 2003, I-2921, BFH/NV Beilage 2003, 153, Änderung der BFH-Rechtsprechung).
2. Für die nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/EWG erforderliche Anerkennung des Unternehmers reicht eine Bescheinigung über die Erfüllung „gleicher kultureller Aufgaben“ i.S. von § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG aus.
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UStG 1999 § 4 Nr. 20 Buchst. a
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n
Urteil vom 18. Februar 2010 V R 28/08
Vorinstanz: FG Köln vom 21. August 2008 7 K 3380/06 (EFG 2008, 1919)
Gründe
I.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Schlagzeuger sowie alleiniger Inhaber, Betreiber und Leiter eines Orchesters. Nach einer Bescheinigung der Bezirksregierung X vom 12. November 1998 erfüllte das Orchester die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen. Der Kläger nahm für die Orchesterleistungen seit 1999 die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG in Anspruch.
2
Zur Durchführung von Konzerten, sonstigen Veranstaltungen und Tourneen sowie für die Herstellung von Tonträgeraufnahmen verpflichtete der Kläger jeweils geeignete Musiker aus dem In- und Ausland. Der Kläger sah die Musiker als freiberufliche Mitarbeiter an und erstellte für deren Leistungen Gutschriften. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) lehnte einen vom Kläger gestellten Antrag auf verbindliche Auskunft, dass die von den Musikern erbrachten Leistungen steuerfrei seien, ab. Gleichwohl ging der Kläger weiter davon aus, dass die von den Musikern an ihn erbrachten Leistungen steuerfrei seien.
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Aufgrund einer für die Streitjahre 2002 und 2003 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass der Kläger für die von ausländischen Musikern bezogenen Leistungen Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG sei, und änderte dementsprechend die für beide Streitjahre bestehenden Umsatzsteuerjahresbescheide gemäß Â§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Beide Umsatzsteueränderungsbescheide wurden bestandskräftig. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 beantragte der Kläger die Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre gemäß Â§ 164 Abs. 2 AO, da für sein Orchester eine Bescheinigung für die Befreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG der Bezirksregierung X vorliege und er daher die Leistungen der ausländischen Musiker zu Unrecht nach § 13b UStG versteuert habe. Das FA lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 11. November 2005 ab.
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Am 13. Februar 2006 beantragte der Kläger erneut die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2002 und 2003 gemäß Â§ 164 Abs. 2 AO. Dabei verwies er auf die Bescheinigung der Bezirksregierung X vom 23. Januar 2006, in der unter anderem Folgendes ausgeführt wird:
„Entsprechend ihrem Antrag hebe ich meine Bescheinigung vom 05.12.2005 rückwirkend zum 05.12.2005 auf.
Es ergeht folgender neuer Bescheid:
Ihrem Antrag entsprechend bescheinige ich, dass nachfolgend genannte Künstler (siehe beglaubigte Kopie) in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des … Orchesters, die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen, wie die in § 4 Nr. 20 a des Umsatzsteuergesetzes genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen.“
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In der Anlage sind die Mitglieder des Orchesters aufgelistet. Die Liste umfasst insgesamt 105 Namen.
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Auch diesen Änderungsantrag lehnte das FA mit Schreiben vom 17. März 2006 ab. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG könne nur gewährt werden, wenn für jeden Künstler eine gesonderte Bescheinigung vorliege. Mit dieser Bescheinigung treffe „der Künstler die Entscheidung, dass alle seine Auftrittsleistungen steuerfrei“ seien. Er habe aber kein Wahlrecht, bestimmte Auftritte als steuerfrei und andere als steuerpflichtig zu behandeln. Die vorgelegte Bescheinigung betreffe die Leistungen der Künstler nur insoweit, als diese in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Orchesters des Klägers tätig würden. Sie könne daher nicht anerkannt werden, da diese der einheitlichen Behandlung sämtlicher Umsätze der jeweiligen Künstler zuwiderlaufen würde. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG erwähnte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde sei materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der in der Vorschrift bezeichneten Umsätze. Die Bescheinigung könne auch rückwirkend für einen Zeitraum vor ihrer Ausstellung erteilt werden. Maßgeblich sei der in der Bescheinigung angegebene Zeitraum. Im Streitfall könne sich die Steuerfreistellung der von den ausländischen Künstlern für das Orchester des Klägers erbrachten Leistungen allerdings nicht aus der Bescheinigung vom 12. November 1998 ergeben, weil sie nur für die Leistungen des Orchesters selbst erteilt worden sei und deshalb keine Aussagekraft für die kulturelle Bedeutung der musikalischen Einzelleistung des jeweiligen Musikers enthalte. Anders verhalte es sich jedoch mit der Bescheinigung vom 23. Januar 2006. Diese enthalte zwar keine Angabe darüber, ab welchem Zeitpunkt sie konkret Wirkung entfalte. Die zeitliche Geltung ergebe sich jedoch durch den Bezug auf die Tätigkeit im Orchester des Klägers.
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Für die Auffassung des FA, die Bescheinigung sei nur anzuerkennen, wenn sie die gesamte künstlerische Tätigkeit des betreffenden Musikers und nicht –wie hier– nur die Mitwirkung im Orchester betreffe, ergebe sich kein Anknüpfungspunkt in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG.
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Das Urteil des FG ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte“ (EFG) 2008, 1919 veröffentlicht.
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