Steuern und Selbstanzeige
openPr – Von Tobias Dohr Bremen. Der Anruf kommt keine Sekunde zu früh: „Sie haben Glück. Morgen bin ich mit Mandanten bereits in der Schweiz“, sagt Lothar Pues. Der Mann wirkt gestresst. Alles andere wäre zur Zeit auch ziemlich verwunderlich. Pues ist Steuerberater. Zudem hatte er vor einiger Zeit die Idee, sich die Internetadresse www.steuerliche-selbstanzeige.de sichern zu lassen. Und im Moment dürfte bei Google die Such-Kombination „Steuern und Selbstanzeige“ überdurchschnittlich häufig sein.
Auch in den Büros von Lothar Pues in Berlin und Essen ist die Welle längst über die Steuerexperten hereingebrochen. Das Telefon steht seit der Ankündigung der Bundesregierung, die ominöse CD mit angeblich 1500 deutschen Steuerhinterziehern tatsächlich kaufen zu wollen, nicht mehr still. Vor dem Gesetz sind zwar alle Menschen gleich, doch bei Straftätern sieht das ein wenig anders aus. Dort sind einige gleicher als andere. Die glückliche Gattung nennt sich Steuerhinterzieher – und kann mit einer Selbstanzeige der Bestrafung fast vollständig entgehen.
Der Staat kommt Steuerhinterziehern mit Paragraph 371 der Abgabenordnung sogar in einer Weise entgegen, wie sie dem deutschen Strafrecht sonst vollkommen unbekannt ist. Denn selbst dann, wenn die Tat bereits komplett abgeschlossen ist, hat der Steuerhinterzieher noch die Chance auf absolute Straffreiheit. Dieses Angebot könnte für viele Deutsche nun zum Rettungsanker werden. „In der Schweiz werden in der Regel ja eher auch mal größere Summen deponiert“, vermutet Pues. Für überführte Täter könnte das im schlimmsten Fall nicht nur eine Geld-, sondern sogar eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen.
Wer mehr als 100000 Euro hinterzogen hat, muss mit einer Bewährungsstrafe rechnen, übersteigt der Fiskusbetrug eine Million Euro, wandert der Täter in den meisten Fällen sogar ins Gefängnis. Die Informationsphase ist deshalb längst vorbei. „Nee, nee“, sagt Pues, „alle, die im Moment bei uns anrufen, wollen sich auch selbst anzeigen.“ Doch wie genau läuft so eine Selbstanzeige eigentlich ab? Pues und seine Partner haben auf ihrer Homepage extra sogenannte F.A.Q. (frequently asked questions), also die meistgestellten und wichtigsten Fragen zu diesem Thema, zusammengestellt – quasi ein Leitfaden zur korrekten Hinterziehungsbeichte. Ob man die Selbstanzeige selbst stellen muss oder nicht, wird dort beispielsweise erörtert. Oder ob freiwilliges Handeln eigentlich Voraussetzung einer solchen Selbstanzeige ist. Der eigentliche Vorgang ist dann relativ simpel und bedarf keiner besonderen Form. Im Grunde reicht eine Mail an das Finanzamt mit einem entsprechenden Vermerk. Dieses leitet dann ein Straf- oder Bußgeldverfahren ein, welches dann nach fristgemäßer Steuernachzahlung und Erfüllung sonstiger Auflagen eingestellt wird.
Viel Arbeit für Steuerberater Für Pues und seine Kollegen bedeutet das im Moment nur eins: viel Arbeit. Denn „das Schlimmste ist eine falsche Selbstanzeige“, weiß der Steuerexperte. Deshalb ist Pues momentan nicht der Einzige, der sich auf den Weg zu den Eidgenossen macht, um dort einen Ãœberblick über das ganze Treiben seiner Mandanten zu bekommen. Die Eile ist durchaus angebracht, denn sobald die besagte Daten-CD mit den 1500 Namen in die Hände der Behörden kommt, ist es für eine Selbstanzeige zu spät.
Delikat ist übrigens auch die Tatsache, dass auf der aktuellen CD Namen dabei sein könnten, die bereits im Herbst 2008 in den Fokus der Finanzbehörden gerückt waren. Laut Pues jedenfalls ist es durchaus üblich, dass jemand Geld auf Liechtensteiner und Schweizer Konten hat. Da diese Fälle nun allerdings voneinander getrennt betrachtet werden, könnte der renitente Steuerhinterzieher bei einer Selbstanzeige erneut glimpflich davonkommen. Dem Staat ist das Geld des Hinterziehers lieb und teuer, im Zweifel lieber als eine Strafe. Die goldene Brücke, die der Staat dem Steuerhinterzieher gebaut hat, wird in diesen Tagen jedenfalls rege überschritten.
Lothar Pues hat nach eigener Aussage übrigens keine Jubelsprünge gemacht, als bekannt wurde, dass die Regierung die CD kaufen will. „Das rechtsstaatliche Prinzip wird durch ein Geschäft mit Hehlerware ausgehebelt“, sagt er. Für ihn ist seitdem klar: „Die nächste CD kommt bestimmt.“
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