Vermittlungstätigkeit gesetzlicher Krankenversicherungen für private Zusatzversicherungsverträge als Betrieb gewerblicher Art (BFH I R 8/09)
Vermittlungstätigkeit gesetzlicher Krankenversicherungen für private Zusatzversicherungsverträge als Betrieb gewerblicher Art
Gesetzliche Krankenversicherungen unterhalten einen Betrieb gewerblicher Art, wenn sie ihren Mitgliedern private Zusatzversicherungsverträge vermitteln und dafür von den privaten Krankenversicherungen einen Aufwendungsersatz erhalten.
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1
SGB IV § 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1
SGB V § 2 Abs. 1, § 11, § 194 Abs. 1a
Beschluss vom 3. Februar 2010 I R 8/09
Vorinstanz: FG Hamburg vom 18. Dezember 2008 6 K 165/07 (EFG 2009, 614)
Gründe
I.
1
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit der Vermittlung von privaten Zusatzversicherungsverträgen einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) unterhält.
2
Die Klägerin ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie betreibt eine gesetzliche Krankenkasse. Ferner hat sie im Streitjahr 2005 Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen vermittelt. Das hieraus erzielte Ergebnis in Höhe von ./. 1.460.860 € erklärte sie als Verlust aus dem BgA „… Zusatzversicherung“.
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Gegen die erklärungsgemäß ergangenen Steuerbescheide legte sie mit der Begründung erfolglos Einspruch ein, sie unterhalte mit der Vermittlung von Zusatzversicherungen keinen BgA. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Hamburg mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 614 veröffentlichtem Urteil vom 18. Dezember 2008 6 K 165/07 ab.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG sowie die angefochtenen Steuerbescheide aufzuheben.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
6
Der Senat entscheidet gemäß Â§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin im Streitjahr mit der Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen einen BgA unterhalten hat.
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1. Die Klägerin ist als gesetzliche Krankenversicherung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs – Viertes Buch –SGB IV–), die mit ihren Betrieben gewerblicher Art unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG–). Sie darf nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs. 1 SGB IV).
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Die den gesetzlichen Krankenkassen obliegenden Aufgaben ergeben sich im Einzelnen aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 11 des Sozialgesetzbuchs – Fünftes Buch (SGB V). Das Vermitteln privater Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen ist darin nicht aufgeführt und gehört daher nicht zu den gesetzlichen Pflichtaufgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Gemäß § 194 Abs. 1a SGB V dürfen sie diese Tätigkeit jedoch ausüben, wenn sie eine entsprechende Bestimmung in ihre Satzung aufnehmen. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin Gebrauch gemacht.
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2. Die Klägerin unterhält mit dem Vermitteln der Versicherungsverträge einen BgA, denn sie entfaltet damit eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, die sich von ihrer Tätigkeit im Rahmen ihrer Pflichtaufgaben abgrenzen lässt und sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung wirtschaftlich heraushebt (§ 4 Abs. 1 KStG).
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a) Entgegen der Auffassung der Klägerin übt sie diese Tätigkeit in einer „Einrichtung“ i.S. des § 4 Abs. 1 KStG aus.
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Unter einer Einrichtung ist jede Betätigung zur Erzielung von Einnahmen zu verstehen, die sich von der sonstigen Tätigkeit funktionell abgrenzen lässt. Es ist nicht notwendig, dass die Tätigkeit im Rahmen einer organisatorisch verselbständigten Abteilung ausgeübt wird. Andernfalls stünde die Annahme eines Betriebes gewerblicher Art zur Disposition der juristischen Person des öffentlichen Rechts, die durch mangelnde organisatorische Abgrenzung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten die Besteuerung vermeiden könnte (Senatsurteil vom 26. Februar 1957 I 327/56 U, BFHE 64, 391, BStBl III 1957, 146; Siegel, Der Begriff des „Betriebes gewerblicher Art“ im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, 1999, S. 69). Die Einbeziehung der wirtschaftlichen Tätigkeit in den überwiegend mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Betrieb schließt es daher nicht aus, die einbezogene Tätigkeit gesondert zu beurteilen und als eigenständige Einheit von dem sie organisatorisch tragenden Hoheitsbetrieb zu unterscheiden (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 14. April 1983 V R 3/79, BFHE 138, 260, BStBl II 1983, 491; Senatsurteile vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391; vom 27. Juni 1990 I R 166/85, BFH/NV 1991, 628). Auch die Literatur verlangt, sofern sie dem Tatbestandsmerkmal der „Einrichtung“ überhaupt eine eigenständige Bedeutung beimisst (vgl. Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2002, S. 49 f.), keine organisatorische Verselbständigung, sondern grenzt die Tätigkeiten ihren sachlichen Inhalten nach voneinander ab (z.B. Landwehr, Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Körperschaftsteuerrecht, S. 141; Bott in Ernst & Young, KStG, § 4 Rz 37; Krämer in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rz 23; Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 4 Rz 38; Seer, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1992, 1751).
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Nach diesen Maßstäben ist das Vermitteln der Zusatzversicherungen als Einrichtung zu beurteilen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin dafür keine organisatorisch verselbständigte Einheit unterhält, sondern diese Aufgabe und ihr Kerngeschäft durch dasselbe Personal erledigen lässt. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin mit der Vermittlungstätigkeit darauf abzielt, ihren Versicherten einen möglichst umfassenden Versicherungsschutz zu gewährleisten und sie durch die Zusatzversicherungen an sich zu binden oder Neukunden zu werben. Maßgeblich und für die Annahme einer „Einrichtung“ ausreichend ist allein, dass sich die in § 11 SGB V genannten Aufgaben der Klägerin und das Vermitteln der Versicherungen voneinander unterscheiden und trennen lassen. Dass dies möglich ist, zeigt sich schon daran, dass die Klägerin in der Lage war, hinsichtlich dieser Tätigkeit eine Einnahmen-Ausgabenrechnung zu erstellen und die durch die Vermittlung der Verträge entstandenen Kosten ihrem privaten Versicherungspartner in Rechnung zu stellen. Dies ist ohne eine Trennung beider Tätigkeitsbereiche nicht möglich. Ãœberdies folgt eine gewisse organisatorische Verselbständigung der Vermittlungstätigkeit daraus, dass es Aufzeichnungen darüber bedarf, welche Versicherungsnehmer bereits auf die Zusatzversicherungen angesprochen wurden und welche eine derartige Versicherung abgeschlossen haben.